Kritik

"Die Fledermaus" im Gärtnerplatztheater: Fast echtes Österreich

Josef E. Köpplingers neue "Fledermaus" im Gärtnerplatztheater.
Michael Bastian Weiß |
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"Die Fledermaus" im Gärtnerplatztheater.
"Die Fledermaus" im Gärtnerplatztheater. © Christian P. Zach

München - An alle Regisseurinnen und Regisseure ergeht hiermit folgender Appell: Betrunkene auf der Bühne sind nicht lustig. Können wir uns darauf einigen, dieses Klischee ein für alle Mal einzumotten?

"Die Flerdermaus": Operettenfinale unnötig in die Länge gezogen

In der neuen Produktion der "Fledermaus" von Johann Strauss Sohn, dem Anlass dieses Aufrufes, müsste der dritte Akt nicht einmal ganz gestrichen werden, auch, wenn der Gedanke verlockend erscheint. Michael Dangl könnte als Gefängniswärter Frosch die selben kabarettistischen Einlagen machen. Sein genussvolles Chargieren wäre aber unendlich erträglicher.

Michael Dangl als Frosch.
Michael Dangl als Frosch. © Christian P. Zach

Und wenn es ohne zur Schau gestellten Suff partout nicht geht, muss man ihn so spielen wie der auch bassistisch imposante Reinhard Mayr, der als Gefängnisdirektor Frank ein paar Mal so schmerzhaft akrobatisch auf die Bühne des Gärtnerplatztheaters knallt, dass das Publikum hörbar nach Luft schnappt.

Auch in dieser neuen Produktion zieht der berüchtigte dritte Akt das Operettenfinale unnötig in die Länge, wo doch nach dem Party-Höhepunkt des zweiten Aktes ein eher knapper Kehraus wohltun würde. Davon abgesehen, ist diese Inszenierung, was sie sein soll: konventionell werkgetreu, aber handwerklich gut gemacht.

Dr. Falke (Daniel Guttmann) stiftet die allgemeine Verbrüderung auf dem Fest des zweiten Akts der "Fledermaus" vor einer Statue des Komponisten.
Dr. Falke (Daniel Guttmann) stiftet die allgemeine Verbrüderung auf dem Fest des zweiten Akts der "Fledermaus" vor einer Statue des Komponisten. © Christian P. Zach

Von heutigem Theater kann man mehr erwarten

Bewusst enthält sich der regieführende Intendant Josef E. Köpplinger einer bemüht originellen Interpretation des Stückes. Sicherlich kann man von heutigem Theater mehr erwarten. Oder man ist dankbar, dass es keine aufgesetzten Mätzchen gibt.

Stattdessen schauen alle Mitwirkenden in Roben und Fräcken so fesch aus, wie sich das Komponist und Librettist wohl gedacht haben (Kostüme: Alfred Mayerhofer). Der zweite Akt spielt in einem nächtlichen, verschneiten Park, dessen hemmungslose Attraktivität bei Öffnung des Vorhangs spontanen Applaus provoziert (Bühne: Rainer Sinell).

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Tatsächlich kann man den Blick nicht von der Bühne wenden, wenn sich die angeheiterte Gesellschaft um das echt falsche Denkmal des Walzerkönigs herum zu einem bildschönen und gänzlich unverruchten Tableau vivant gruppiert. Dagegen wirkt das Batman-Ballett geradezu exotisch (Choreografie: Karl Alfred Schreiner).

Die Textfassung hat Köpplinger selbst eingerichtet, mit gemischtem Erfolg. Zu beklagen sind einige schale Beamtenwitze, während der Slapstick um den unaufhaltsam in tenoralen Schöngesang ausbrechenden Lucian Krasznec als Alfred gelungen ist.

Es wird fast durchgehend authentischer österreichischer Dialekt gesprochen

Nicht verschwiegen sei aber, dass es angesichts des derzeit wütenden putinschen Vernichtungskrieges beklemmend wirkt, wenn Emma Sventelius in der Hosenrolle des russischen Prinzen Orlofsky mit der Pistole hantiert - und russisches Roulette spielt. Untiefen wie Unangebrachtes kann man allerdings meist verzeihen, weil die Dialoge rasant und in präzisem Timing abschnurren.

Und: Es wird fast durchgehend authentischer österreichischer Dialekt gesprochen. Allen voran bezaubert die gebürtige Linzerin Ilia Staple als Adele mit derber Stubenmädchen-Lache und beglückt mit verschwenderischem Timbre und exzellenten Koloraturen. Jennifer O´Loughlin hingegen kompensiert als Rosalinde ihre amerikanische Herkunft mit dramatisch huldvollem Ungarisch und leichten, abgerundeten Spitzen. Der noble Kavaliersbariton von Daniel Gutmann als rachsüchtiger Hausfreund Dr. Falke und der bewegliche Tenor des schauspielerisch hochbegabten Daniel Prohaska ergänzen sich wechselseitig passgenau.

Noch einmal zurück zu unserem Eingangs-Appell. Chefdirigent Anthony Bramall scheint das Gesuch schon mal zu unterstützen, so geistesgegenwärtig hält er mit zündenden Tempi das Geschehen am Laufen, so trocken gibt er mit dem Gärtnerplatzorchester Kommentare. Droht eine Sängerin unterzugehen, dämpft er die Begleitung, und er behält ein großes Ensemble auch dann in der Hand, wenn er wienerische Auftakte in der Luft schweben lässt. Auch das ist ein Vorteil einer uneitlen Inszenierung: dass sie dem Orchester gebührend viel an Aufmerksamkeit übrig lässt.


Wieder am 10. April (18 Uhr) sowie am 14., 23., und 29. April sowie am 10., 13. und 15. Juni (19.30 Uhr), Karten unter Telefon 2185 1960 sowie unter www.staatstheater-tickets.bayern.de.

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