Interview

Der Intendant Christian Stückl inszeniert: Shakespeares "Was ihr wollt" im Volkstheater München

Der Intendant Christian Stückl über seine Inszenierung von Shakespeares Komödie "Was ihr wollt" im Münchner Volkstheater.
Mathias Hejny |
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Christian Stückl vor dem Münchner Volkstheater.
Christian Stückl vor dem Münchner Volkstheater. © picture alliance/dpa

Viel Stress gab es bei den Endproben im Volkstheater. Krankheitsbedingt musste Viola, die weibliche Hauptrolle in "Was ihr wollt", für die heutige Premiere kurzfristig umbesetzt werden: Henriette Nagel wird übernehmen. Probleme bereitete auch das Bühnenbild, von dem Teile nicht rechtzeitig geliefert wurden. Aber das passt zu William Shakespeares 1601 uraufgeführter Komödie, die mit einem Schiffbruch vor der Insel Illyrien beginnt und der nur der Anfang einer Reihe von Katastrophen aus Liebeskummer, Täuschungen und Verwechslungen ist. Intendant Christian Stückl hat inszeniert.

AZ: Herr Stückl, "Was ihr wollt" liegt gerade im Trend. Alleine in den wenigen Wochen der neuen Spielzeit und einem Umkreis von rund 200 Kilometern gab es vier Premieren: Mannheim, Stuttgart, Coburg und Innsbruck. Wie kommt das und gerade jetzt?
Christian Stückl: Das hat mich auch überrascht. Ich weiß nicht, woran das liegt. Das Stück ist ja nicht nur lustig. Aber ich habe in der letzten Spielzeit bemerkt, dass sich die Leute nach Corona und in der ganzen Weltsituation nach etwas Lustigem sehnen. Vielleicht wollen wir im Theater unterbewusst die Wünsche der Zuschauer erfüllen.

Das Bühnenbild entwarf Stefan Hageneier.
Das Bühnenbild entwarf Stefan Hageneier. © Arno Declair

Volkstheater-Intendant Christian Stückl: "Mache nur ein Stück, wenn ich einen Draht dazu habe"

Kein schlechtes Vorhaben für ein Theater. Wie kam "Was ihr wollt" auf Ihren Spielplan?
Eigentlich mache ich ein Stück nur, wenn ich gerade einen Draht dazu habe. Das Stück lag schon lange bei mir, und wir hatten es zu unseren Anfängen im Volkstheater vor 20 Jahren schon einmal. Das hat damals Jorinde Dröse gemacht. Ich habe den Text aufgeschlagen, gelesen, und dann gesagt: Das machen wir jetzt. Es steckt keine großartige politische Aussage drin. Aber diese Insel ist ziemlich verrückt. Jeder verfällt in einen Liebesrausch und man hat das Gefühl, dass sich keine der Sehnsüchte erfüllt. Bleichenwang steht auf Olivia, Malvolio ist in sie verliebt, Orsino ist in sie verliebt und sie verliebt sich dann in ein als Mann verkleidetes Mädchen. Am Ende stehen sie da wie aus einem Rausch aufgewacht und haben Kopfweh.

Ist das Stück ein Beleg für die Macht der Liebe oder mehr ein Hinweis auf die kurze Haltbarkeit von Liebe?
Ich glaube, es geht eher um die kurze Haltbarkeit der Liebe und um den Umgang mit dem Nichtgreifbaren. Alle rennen einem Phantom nach. Keiner bekommt am Ende, was er haben will. Das macht Shakespeare in anderen Stücken wie im "Sommernachtstraum" auch.

Shakespeares Komödie "Was ihr wollt" in München: "Vielleicht sind wir alle pansexuell"

Da trifft es sogar einen Esel.
Im "Sommernachtstraum" gibt es wie in "Was ihr wollt" am Schluss nur Paare, die heiraten wollen, aber zwischendurch erleben sie, dass nichts hält, was sie sich gegenseitig versprochen haben. An einer Stelle heißt es: Wörter werden für Schwüre missbraucht.

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Wenn sich Olivia verliebt, ist Viola zwar als Mann getarnt, doch das hat auch ein homoerotisches Element. Welche Rolle spielt das in Ihrer Inszenierung?
Violas Bruder sagt am Ende Olivia, du hast dich in eine Frau verliebt. Aber du musst nicht traurig sein. Du bekommst jetzt einen Mann und eine Jungfrau. Wir haben bei den Proben festgestellt, dass Olivia von Männern umschwirrt ist und jeden haben kann. Aber sie sträubt sich. Dann kommt ein als Mann verkleidetes Mädel, und in die oder den verliebt sie sich. Natürlich ist da Homoerotik drin. So wie Stefan Zweig über die "Verwirrung der Gefühle" oder Thomas Mann im "Tod in Venedig" geschrieben haben, wird Homoerotisches immer dabei sein. Das betrifft uns alle, bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Vielleicht sind wir alle pansexuell.

Als "Was ihr wollt" uraufgeführt wurde, war es in England Frauen verboten, als Schauspielerinnen zu arbeiten. Auch die Frauenrollen wurden von Männern gespielt und natürlich die Frauen, die sich als Männer verkleiden. Können Sie sich vorstellen, ein Stück von William Shakespeare oder Christopher Marlowe gewissermaßen originalgetreu ausschließlich männlich zu besetzen?
Ich kann mir alles vorstellen. Aber wir haben hier so viele gute Schauspielerinnen. Jan Kott hat einmal darüber geschrieben, dass sich der homoerotische Punkt ganz besonders stark herausbildet, wenn ein Mann eine Frau spielt, die sich als Mann verkleidet. Aber ich sehe trotzdem keinen Grund, einen Shakespeare nur mit Männern zu spielen. Wir hatten vor zwei Wochen "Die Zofen", bei dem die drei Frauen von Männern gespielt werden, aber das war eine Idee von Jean Genet. Bei Shakespeare war es nicht seine Idee, sondern ganz einfach die Zeit.

Lorenz Hochhuth und Luise Deborah Daberkow in Christian Stückls Inszenierung von Shakespeares "Was ihr wollt".
Lorenz Hochhuth und Luise Deborah Daberkow in Christian Stückls Inszenierung von Shakespeares "Was ihr wollt". © Arno Declair

"Vielleicht gibt es irgendwann den Plan nach Indien zu gehen und dort ein Theater zu bauen"

Sie sollen während des Landtagswahlkampfs gesagt haben, man müsse einmal ein Stück über Hubert Aiwanger machen. Wie weit sind Sie damit?
Die Sache mit dem Brief war wie eine Komödie. Sie wird auf den Bruder abgeschoben und der nimmt das auf sich, obwohl der Bruder in der Jugend eine ganz andere Figur war. Warum versteckt er sich hinter ihm und macht den Bruder zum Nazi? Und die ganze Art und Weise, in der er sich selbst zum Opfer stilisiert hat, geben schon den Stoff für ein Stück her. Aber drei Wochen nach der Wahl finde ich Aiwanger nicht mehr so spannend.

Ihr Vertrag als Intendant ist kürzlich bis 2030 verlängert worden. Gibt es für die nächsten sieben Jahre spektakuläre Pläne?
Wir haben gerade erst für München einen spektakulären Plan ausgeführt, als wir dieses neue Theater hinstellten. Ich bin stolz darauf, es geschafft zu haben, das Volkstheater aus dem Schatten der anderen Häuser heraus zu heben und es zur dritten, gleichberechtigten Bühne in der Stadt zu machen. Aber als ich im Sommer wieder in Indien war, sagten mir viele Schauspieler, sie würden für ein halbes Jahr auf einen Film verzichten, wenn ich mit ihnen ein größeres Projekt machen würde. Hier mache ich den Job gerne weiter, und es ist eine große Herausforderung, das Volkstheater in die Zukunft zu führen. Aber vielleicht gibt es irgendwann einmal den Plan, nach Indien zu gehen und dort ein Theater zu bauen.


Münchner Volkstheater, Tumblinger Straße 29, Premiere am 27. Oktober, wieder am 28., 31. Oktober, 11., 12., 30. November, 19.30 Uhr, Karten unter Telefon 5234655

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