Das fulminante Opernstudio in Menottis "The Consul"

Ihre Worte verhallen in den sterilen Korridoren eines Bürokratie-Bunkers. „Der Mensch verweigert Menschen die Welt. Kein Schiff, kein Strand für den, der im Meer ertrinkt.“ Magda heißt sie, verheiratet mit dem verfolgten Freiheitskämpfer John Sorel, Mutter eines Sohnes. Um selbst fliehen zu können, bittet sie um Beistand in einem amerikanischen Konsulat: „Irgendwo in Europa“, so die Partitur. Ihr Bitten ist vergebens.
Mit seinem Dreiakter „The Consul“ von 1949, den das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper im Cuvilliés-Theater Premier zeigt, rückt Gian Carlo Menotti das Leid von Flüchtlingen in das Zentrum – eine Reaktion auf Krieg und Nazi-Terror. Aus dieser Geschichte hat die Nachwelt offenbar wenig gelernt.
Das verdeutlichen nicht nur die schauerlich aktuellen Worte Magdas, sondern zugleich die Inszenierung von Christiane Lutz. Sie ist die Lebenspartnerin von Tenor Jonas Kaufmann, der auch die Premiere besuchte.
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Lutz entwirft einfache, aber wirkungsvolle Bilder. Das Zimmer, in dem Magda mit der Schwiegermutter (Helena Zubanovich) und dem Kind haust, ist im kahlen Weiß gehalten. Nüchtern und funktional das Konsulat: ein Treppenhaus, Holzbänke, Fotoautomat (Bühne: Christian Andre Tabakoff). Die Wartenden müssen Nummern ziehen, weil Menschen hier zu Nummern werden und Schicksale zu Akten. Eine Italienerin (Anna El-Khashem), die kein Englisch versteht, möchte ihre totkranke Tochter besuchen.
Sie wird genauso abgewiesen wie eine KZ-Überlebende (Paula Iancic). Oder wie Magda, die von einem Agenten der Geheimpolizei verfolgt wird (Igor Tsarkov). Sie möchte mit dem Konsul reden, doch die Titelperson dieser Oper kommt gar nicht vor: ein Warten auf Godot. Wie Selene Zanetti das Aufbegehren von Magda gegen die omnipräsente Gleichgültigkeit gestaltet, das ist große Gesangs- und Spielkunst. Mit Johannes Kammler als John Sorel gibt sie ein wunderbares Paar ab.
Ihre Widersacherin ist die Sekretärin des Konsuls, eine Mischung aus Miss Moneypenny und Tante Prusselise aus den „Pippi Langstrumpf“-Filmen. Sie verwaltet das Leid, achtet streng darauf, dass alle brav die Formulare ausfüllen. Dabei gelingt es Niamh O’Sullivan eindrücklich, auch aus ihr zusehends ein Opfer zu machen. Sie führt nur aus, was eine zynisch entmenschlichte, im wahrsten Sinn wertlose Politik ausheckt. Als sie schlussendlich ihre eigene Schuld erkennt, ist es zu spät. Ein bleibender Opernabend ist hier geglückt, für die jungen Solisten ein durchwegs großer Erfolg.
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Dabei profitieren sie auch von dem Münchener Kammerorchester , das unter dem jungen britischen Dirigenten Geoffrey Paterson im Neo-Verismo stets die richtige Balance wahrt zwischen dramatischer Zuspitzung und hellhöriger Reduktion. Zum ersten Mal begleitet das Kammerorchester das Opernstudio, weil das Bayerische Staatsorchester wegen Proben für die Ballettfestwoche und eines Paris-Gastspiels mit „Andrea Chénier“ keine Kapazitäten mehr hatte.
Und wenn sich Magda am Ende umbringt, grollt erneut clusterhaft das Klavier, begleitet von dissonant wuselnden Streichern im Diskant. Es ist dies ein Klang der Wahrheit, das blanke Entsetzen.
Wieder am 30., 31. März, 2., 7. und 9. April um 19 Uhr im Cuvilliéstheater. Restkarten unter Telefon 2185 1920