Kritik

"Bunbury": Oscar Wilde im neuen Volkstheater

Oscar Wildes "Bunbury" in der Fassung von Elfriede Jelinek im neuen Volkstheater.
Mathias Hejny |
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Beste Freunde mit erotischen Eskapaden: Carolin Hartmann spielt John und Lukas Darnstädt den Dandy Algie.
Beste Freunde mit erotischen Eskapaden: Carolin Hartmann spielt John und Lukas Darnstädt den Dandy Algie. © Gabriela Neeb

Genau zum 127. Geburtstag des Texts hatte er seine Premiere auf der mittelgroßen Bühne des Volkstheaters. Am 14. Februar 1895 hatte in London die Uraufführung von "The Importance Of Being Earnest" stattgefunden - eine duftig elegante Nichtigkeit darüber, wie wichtig es ist, Ernst zu sein.

"Bunbury": Erotische Eskapaden statt Tristesse

Im deutschsprachigen Raum ist die Salonkomödie von Oscar Wilde besser als "Bunbury" bekannt. Denn die beiden Dandys Algernon und John haben Strategien entwickelt, ihrem zutiefst öden Dasein in der besseren Gesellschaft mit ihren Teenachmittagen und Gurkensandwichs zu erotischen Eskapaden zu entfliehen. Algie erfand einen besten Freund namens Bunbury, der auf dem Land lebt. Dafür hat er sogar ein eigenes Verb: "Bunburysieren".

"Bunbury" im Volkstheater
"Bunbury" im Volkstheater © Gabriela Neeb

John, sein bester Freund im richtigen Leben, lebt zwar tatsächlich in der Provinz, kommt aber gerne in die Stadt, um angeblich seinen gleichfalls fiktiven Bruder Ernst zu besuchen. Algie verliebt sich bei seiner Landpartie in Cecily (Nina Steils), John schwärmt unterdessen von der schönen Londonerin Gwendolen (Liv Stapelfeldt). Wie das Leben so spielt, pflegen beide Damen unabhängig voneinander den Spleen, dass der Mann, der sie eines Tages heiraten wird, unbedingt Ernst heißen muss.

Reichlich Unwahrscheinlichkeiten und Verwechslungen

Noch konstruierter ist nur das Finale mit verwechselten Reisetaschen und einem Findelkind an der Victoria Station, an deren Ende es tatsächlich zu doppeltem Ernst kommt. Mit all den Unwahrscheinlichkeiten, Verwechslungen und Missverständnissen trieb Wilde seine Späße über die High Society, zu der er selbst gehörte. Bald nach der "Ernst"-Klamotte wurde es für den homosexuellen Autor allerdings selbst ernst.

Ein Verleumdungsprozess, den er selbst angestrengt hatte, drehte sich gegen ihn und endete mit einer Verurteilung zu zwei Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit. Seine Entlassung 1897 überlebte er körperlich und seelisch gebrochen nur für drei Jahre und starb mit 46 Jahren.

"Ernst ist das Leben (Bunbury)": Warum die Neuübersetzung?

Warum Elfriede Jelinek 2005 eine Neuübersetzung unter dem Titel "Ernst ist das Leben (Bunbury)" auf den Markt brachte, ist nie ganz klar geworden. Aus Wildes sprühender Eloquenz ist zwar keine jelineksche "Textfläche" entstanden, aber die Pointen wurden struppiger, trashiger, sexualisierter und die Wortspiele gerieten zu langwierigen Sprechgirlanden.

Dennoch sorgte diese neue Fassung für ein Bunbury-Revival während der letzten Jahre zwischen Nordsee und Südtirol. Auch Philipp Arnold, der neue Hausregisseur des Münchner Volkstheaters, entschied sich für Jelinek. 

Keine Spur von queeren Lustbarkeiten

Er bleibt gleichfalls die schlüssige Begründung für diese Wahl schuldig. Zwar verschiebt er da und dort die Geschlechtergrenzen, bleibt aber im Rahmen dessen, was im zeitgenössischen Schauspiel längst Mainstream ist. Von queeren Lustbarkeiten ist weit und breit keine Spur.

Carolin Hartmann spielt zwar John, aber sie ist dabei eine Frau, die einen bisexuellen Mann spielt und kurzzeitig ein Mal heftig mit Algie (Lukas Darnstädt) knutscht. Man kann an dieser Stelle problemlos verraten, dass das Happyend dennoch und - wie schon bei Oscar Wilde - ein gemischtes Doppel sein wird.

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Unverschämt hypernaturalistische Dekorationen

Freilich ist Pascal Fligg als mächtig gouvernantenhafte Lady Bracknell eine Wucht. Das gilt auch für die Bühne von Viktor Reim mit seinen unverschämt hypernaturalistischen Dekorationen mit dem in allen Farben eines englischen Blumengartens glühenden Rundhorizont des zweiten Akts als visueller Höhepunkt. Nicht minder prächtig sind die Kostüme von Julia Dietrich, aber in dieser aufwändigen Ausstattung fällt erst ganz besonders auf, wie museal diese Veranstaltung ist, die zudem mit Situationskomik und Dialogwitz geizt.


Münchner Volkstheater (Bühne 2), wieder am 27. Januar, 20 Uhr, Karten unter Telefon 089 5234655

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