„Am lustigsten bin ich im Schlafanzug“

Helge Schneider tourt wieder – mit seinem neuen Programm „Lass k(n)acken, Oppa!“ Zeit für ein Gespräch über die Kunst und das Altern.
von  Interview: Anja Perkuhn
Seine Bühnenfreiheit lässt er sich nicht mehr nehmen, sagt Helge Schneider im AZ-Interview.
Seine Bühnenfreiheit lässt er sich nicht mehr nehmen, sagt Helge Schneider im AZ-Interview. © dpa/AZ

München - Helge Schneider macht mal wieder Halt in München: Der 60 Jahre alte Musiker und Komiker tritt vom 12. bis 15. Mai im Circus Krone auf. AZ-Reporterin Anja Perkuhn hat ihn im Bayerischen Hof zum Interview getroffen.

AZ: Herr Schneider, wie Sie da im Schneidersitz sitzen: Tut das nicht an den Knien weh?

HELGE SCHNEIDER: Schon, aber das ist, weil die Hose so eng ist. Ansonsten tut’s eigentlich nirgendwo weh. Wieso?

Weil Ihr Bühnenthema gerade ja gewissermaßen Ihre eigene Opa-Werdung ist.

Ach so. Aber Opa-Sein muss ja nicht wehtun. (Wechselt vom Schneidersitz in eine Liegeposition auf dem Sessel.) Hm, das geht so nicht. Eigentlich müssen die Füße. . . (Holt einen Glas-Untersetzer aus Papier, legt ihn auf den polierten Holztisch und platziert seine Füße darauf.) . . . so, dann ist das schön weich.

Ist Ihr Bühnen-Ich der opahaftere Mensch oder Sie?

Das Ich. Aber das Bühnen-Ich natürlich auch.

Helge Schneider: Keine Witze über Terrorismus!

Sie hatten sich ja 2014 von der Bühne verabschiedet, für einige Jahre oder für immer.

Ja, das wusste ich auch noch nicht so. Ich war ja jahrzehntelang unterwegs, da musste ich mal ‘ne Pause machen. Nach anderthalb Jahren habe ich dann gedacht: So, jetzt mach ich mal wieder was.

Wie ist die Rückkehr bisher?

Wunderbar. Erst habe ich gedacht: Was mach ich nur, was mach ich nur? Aber dann hat sich alles von selber ergeben, und jetzt macht es wieder unheimlich Spaß. Ich hab ‘ne tolle Band, und wir machen Musik, da geht uns der Hut hoch.

Wann machen Sie Schluss – wenn Sie das Gefühl haben, die Welt kommt ohne Sie zurecht?

Gar nicht. Als Musiker kannste nicht sagen: So, jetzt mach ich nix mehr. Das gehört ja einfach zu meinem Leben.

In ihrem Konzertfilm „Lass knacken, Helge!“ sagen Sie: „Je älter ich werde, desto psychedelischer wird das, was ich mache“. Wie fühlt es sich an, wenn Ihnen etwas entgleitet?

Das kann ich gar nicht sagen, weil das ständig passiert. Das gehört dazu. Früher habe ich gedacht, ich müsste eine bestimmte Form wahren in der Musik. Heute habe ich das Gefühl, ich könnte öfter aus der Form raus und mich noch freier bewegen. Ich mache jetzt wieder mehr Musik, wie so mit 13, 14 Jahren, als ich angefangen habe, in einer Band Orgel zu spielen. Diese Freiheit lasse ich mir nicht wieder nehmen.

Wenn sich jetzt ein junger Bühnenkünstler hinstellen würde mit Ihrem Konzept: Meinen Sie, den fänden Menschen heute auch lustig?

Das weiß ich nicht, aber darum geht’s ja auch nicht. Hauptsache, er findet das gut und identifiziert sich damit. Man hat als Musiker die Kraft, Leute mitzunehmen, natürlich auch andere Musiker. Und ich hoffe immer, dass junge Leute auch dem nacheifern, was ich so mache.

Hat Ihnen schon mal jemand gesagt: „Sei mein Mentor“?

Schon öfter, aber da sage ich eigentlich immer: Da sage ich nix zu. Ich hatte auch keinen Mentor außer den Leuten, mit denen ich mich zusammengetan habe, oder meine Freunde. Ich habe Idole gehabt. Aber die brauchten das nicht wissen.

Auf 40 Jahre Bühne zurückgeschaut: Hatten Sie mal das Gefühl, Sie bräuchten zur Sicherheit ein zweites Standbein?

Nee, es war nie die Frage, dass ich das eines Tages mal nicht mehr mache. Ich bin so, und so ist das. Mich hat das auch nie interessiert, ob ich damit Geld verdiene. Deshalb konnte ich das ja immer machen, auch wenn ich die ersten 20 Jahre damit nichts verdient habe: weil mir das scheißegal war.

Wissen Sie eigentlich noch, wer Sie wirklich sind, wie Sie am echtesten sind?

Ich bin ich auf der Bühne. Ich bin so. Okay, wenn ich für die Bühne andere Sachen anziehe, bin ich vielleicht ein bisschen anders als im Schlafanzug.

Sind Sie im Schlafanzug nicht lustig?

Ich bin im Schlafanzug eigentlich am lustigsten. Auf der Bühne bin ich vielleicht sogar etwas weniger witzig als privat. Aber da bin ich sowieso wie der Maler: Der will nur sein Bild malen und das nicht erklären.

Würden Sie jetzt eher ein Lied über den türkischen Recep Tayyip Erdogan schreiben oder über Jan Böhmermann?

Nichts davon. Keiner von denen tangiert mich.

Was fangen Sie mit dieser ganzen Debatte um Satire an?

Nichts. Beim Böhmermann war ich mal in der Show. Im Grunde genommen ist der ein bisschen spießig, und wenn sowas von seinen Lippen kommt, finde ich das höchstens ein bisschen schwach. Aber was daraus gemacht wird, ist nicht sinngemäß. Es passt nicht, damit jetzt große Politik zu machen.

Die wichtigste Frage noch: In Ihrem aktuellen Programm spielen Sie mit einer Rassel mit nur einem Korn drin. Wie haben Sie das Korn ausgewählt?

Gar nicht. In der Rassel ist ein Loch, und die anderen sind alle irgendwann rausgefallen.

In der ganzen Welt verstreut?

Und man weiß nicht, wo. Schön, nicht? Im Grunde hat jeder sowas: ein Korn, das immer bleibt. Sei es ein Gerstenkorn oder ein guter Freund.

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