Kritik

"Wie Staub im Wind" : Wenn bleiben keine Option mehr ist

Der neue Roman "Wie Staub im Wind" von Leonardo Padura erzählt von der Entscheidung zwischen Exil und dem instabilen Heimatland Kuba, und den Schicksalen, die davon abhängen.
Volker Isfort
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Der kubanische Autor Leonardo Padura.
Der kubanische Autor Leonardo Padura. © Ivan Gimenez

Bekannt geworden ist Leonardo Paduro mit seinen Kuba-Krimis um den leicht desillusionierten Teniente Mario Conde, die immer viel mehr waren als tropische Kriminalfälle, sondern atmosphärisch dichte Porträts einer Gesellschaft im Wandel und ihrer sozialen Verwerfungen.

"Wie Staub im Wind": Ein Roman übers Bleiben und Fliehen

Dabei ist im Laufe der Jahre Paduras Ton merklich bitterer geworden. Er gilt als literarisch schärfster Kritiker der politischen Zustände und wird dafür vor allem mit Schweigen bestraft. Kubanische Medien erwähnten nicht einmal, dass er 2015 mit dem Prinz-von-Asturien-Preis geehrt wurde.

Für den 66-jährigen Autor, der in einem bescheidenen Haus bei Havanna lebt, war das Exil nie eine Option. Doch die Frage fliehen oder bleiben steht nun im Zentrum seines neuen Romans "Wie Staub im Wind" benannt nach dem Hit "Dust in the Wind" von Kansas, der auch eine Art Hymne einer Gruppe von jungen Kubanern ist, die gemeinsam das Leben zu feiern versuchen. Padura wird diesen Clan im Roman über mehrere Jahrzehnte verfolgen, wenn sich die Protagonisten wie Staub im Wind über den Globus verteilt haben. Wenige bleiben, viele gehen.

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Das Exil als Trauma: Padura erzählt vom Schicksal seiner Protagonisten

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion endet über Nacht auch die wirtschaftliche Unterstützung und der gemäßigte Reichtum der Kubaner. In der von Fidel Castro ausgerufenen "periodo especial" regiert bald "Das tägliche Nichts", wie es Zoé Valdés 1995 so sarkastisch in ihrem Bestseller beschrieb. Erst verschwinden Alltagsgüter aus dem Angebot, dann die einfachsten Lebensmittel und für zwei Hühner auf dem Schwarzmarkt muss der Monatslohn eines Ingenieurs gezahlt werden, am besten aber gleich in verbotenen Dollars. Santería löst den Sozialismus ab, denn von der Politik erwartet niemand mehr Erlösung. Das Regime reagiert auf Protest mit mehr Gewalt.

"Die Realität der Insel trat in einen dunklen Tunnel ein, dessen Ausgang man nicht sehen konnte", schreibt Padura. In seinem Roman, der kein Krimi ist, untersucht der Autor, was die gesellschaftlichen Bedingungen, Mangel, Hoffnungslosigkeit und politische Unterdrückung mit den Menschen machen. Padura nimmt sich viel Zeit, jedes Schicksal der Clanmitglieder, ihre Träume und Fehlschläge zu beleuchten, sei es in Miami, Madrid, Barcelona, Puerto Rico, New York oder Buenos Aires. Denn auch das Exil ist ein Trauma, erst recht für diejenigen, die vielleicht nie mehr zurück auf die Insel können.

Kein Krimi, sondern ein Gesellschaftsroman

Zumindest Teile des Clans aber kommen dann doch alle paar Jahre wieder zusammen am Geburtstag von Clara, die in ihrem Haus in Havanna geblieben ist, um rumselig in Erinnerungen zu schwelgen. Doch zwei dunkle Geheimnisse belasten das fragile Freundschaftsgefüge und dienen Padura als Motor, der seinen epischen Roman befeuert. Warum verschwand die schwangere Elena damals spurlos? Und was steckt hinter Walters Tod, der damals vom Hochhaus stürzte?

Auch wenn Paduras Krimis konziser erzählt sind, so ist "Wie Staub im Wind" der überzeugende Versuch, die ganze Zerrissenheit einer politisch betrogenen Generation abzubilden.


Leonardo Padura stellt "Wie Staub im Wind" (Unionsverlag, 528 Seiten, 26 Euro) am Mittwoch, 27. April um 20 Uhr im Literaturhaus vor

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