Buch über Managerdeutsch: Sprachliches Minuswachstum

"Business Bullshit": Jens Bergmann untersucht "Managerdeutsch in 100 Phrasen und Blasen" und zeigt, wie wir davon durchdrungen sind.
Adrian Prechtel
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Ob hier die Work-Life-Balance noch stimmt? Der Wirtschaftswissenschaftler und Manager Scott Adams entwickelte die Angestelltenfigur Dilbert in endlosen Meetings der US-Telefongesellschaft Pacific Bell. Es entstand ein global erfolgreicher Comic über die Büroarbeitswelt.
Ob hier die Work-Life-Balance noch stimmt? Der Wirtschaftswissenschaftler und Manager Scott Adams entwickelte die Angestelltenfigur Dilbert in endlosen Meetings der US-Telefongesellschaft Pacific Bell. Es entstand ein global erfolgreicher Comic über die Büroarbeitswelt. © Imago/United Archives Int.

Irgendwann war es auf einmal auffallend: Man sagte zu einer Feier nicht mehr zu oder legte sich auf ein Treffen fest, sondern "comittete" sich dazu. Das war zwar inhaltlich keineswegs besser, es schien aber für viele passender oder zeitgemäßer zu sein, sich so auszudrücken. Kurz: Diese Anglizismen wurden zum Ausdruck einer hippen Modernität.

Jens Bergmann - ausgebildet in der interessanten Kombination aus Journalismus und Psychologie - hat ein Buch verfasst, in dem Anglizismen unter die Lupe genommen werden. Und der Titel "Business Bullshit" ist selbstironischerweise selbst ein doppelter, der sich aber mit "Wirtschaftskacke" nur unzureichend übersetzen lässt. Es geht nämlich auf 180 kurzweiligen, essayistischen und lexikalischen Taschenbuchseiten nicht um Blödsinn, Quatsch oder Humbug, sondern um eine Managersprache, die weit in unsere Alltagswelt hineingewirkt hat und sie damit selbst prägt, weil Sprache eben auch Realität schafft.

Siegeszug des Business-Jargon 

Bergmann geht also dem Siegeszug des Business-Jargons nach, weil er viel über unser Leben aussagt. Und weil Bergmann ein sarkastisches Verhältnis zu dieser Wichtigtuersprache hat, werden Begriffe wie "Wording", was netter als gleichschaltende Sprachregelung klingt, "Da bin ich ganz bei Ihnen", womit man sich kuschelnd unterwürfig an die Seite des Chefs stellt, oder "Work-Life-Balance" wissenschaftlich, analytisch zerlegt, um offen zu legen, was sie wirklich bezwecken: eine Verschleierung eigentlicher Abhängigkeitsverhältnisse, ein Schönreden der Durchökonomisierung unserer Lebensbereiche.

Zwei soziopsychologische Epochen kommen beim Phänomen "Business Bullshit" zusammen: der Esoterik-Trend der 70er Jahre, alles zu psychologisieren und pädagogisch auf den Einzelnen abzustellen. Was zum permanenten Selbstoptimieren und zu enormen Coaching-Ausgaben führt. Anstatt einfach seinem Beruf nachzugehen, muss man sich jetzt "einbringen", seine "Social Skills" und "Resilienz" stärken - bis zum "Burn-Out", was auch schicker klingt als Depression durch Überlastung.

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Mit "Resilienz" gegen den "Burn-Out"

Und weil die Arbeit nach acht Stunden nicht mehr einfach getan ist und die restlichen 16 Stunden des Tages echte Freizeit waren, kämpft man jetzt um eine "Work-Life-Balance", anstatt die Bereiche einfach sauber zu trennen.

Diese psychologischen Persönlichkeitsaspekte konnten aber nur in Kombination mit den wirtschaftsliberalen, deregulierenden 90ern derart stark nicht nur den Arbeitsbereich, sondern auch das Privatleben umklammern, weil selbst ausgewiesene Sozialliberale wie US-Präsident Bill Clinton alles der Wirtschaft unterordneten ("It's Economy, Stupid!") und auch ehemalige Jung-Sozialisten wie Gerhard Schroeder diesem Zeitgeist verfielen: Gewinnmaximierung, wobei "Shareholder Value" wertvoller klingt, und Aufwertung der Arbeit: die berufliche Funktion. Und jetzt haben wir nicht nur den Sprachschlamassel, sondern sind sogar unbewusst infiziert davon.

Die ersten 25 Seiten des Buches widmen sich der generellen Analyse der Wirtschafts-Alltags-Sprache. Das Ergebnis überrascht nicht, aber ist hier sehr erhellend aufgeschlüsselt: Mit "Business Bullshit" kann sich vor allem - in unzähligen "Meetings" - das oft überflüssige mittlere Management wichtig machen, es schafft ein Gruppengefühl durch leeres Gerede, ist konsensfähig und stärkt die "Inkompetenzkompensationskompetenz", suggeriert also Durchblick, lässt alte Ideen wie neu erscheinen, erlaubt es modern und wortreich nichts zu sagen, wobei es aber vielversprechend klingt.

Managerdeutsch mit "Bullshit-Register"

Danach werden 100 Zentralbegriffe des alltäglichen Managerdeutschs lexikalisch-alphabetisch abgearbeitete unter sechs Kapitelüberschriften wie "Imponiervokabular", "Beschwörungsformeln", "Gutfirmsprech", andere Kapitel beschäftigen sich mit Schönrederei, Pseudopsychologisierungen und gut verpackte Nullnachrichten.

Man kann das Buch aber auch so lesen, dass man im vierseitigen, alphabetischen "Bullshit-Register" einfach seien Lieblingsvokabeln raussucht und sie sich dann auf der jeweiligen Erklärseite von Bergmann genüsslich zerlegen lässt: Wie wäre es zum Beispiel mit "Komfortzone", "Wir werden liefern", "Facility Manager", "zeitnah, suboptimal und proaktiv" oder "Minuswachstum".

In einem kurzen Schlusskapitel gelingt dann eine zusammenfassende Totalabrechnung mit "Business Bullshit" als nervend, uninspiriert, simplifizierend und Karriere-Lift für Blender, Karrieristen und Faulenzer. 

Jens Bergmann: "Business Bullshit - Managerdeutsch in 100 Phrasen und Blasen" (Duden Verlag, 208 Seiten, 15 Euro)

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