"Aufstehen für Kultur": Vor einem schwierigen Winter

Bei der Kundgebung "Aufstehen für Kultur" fordern am Königsplatz freiberufliche Künstler und ihre Unterstützer in der Corona-Krise mehr Hilfe von der Politik.
Robert Braunmüller
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Bei der Kundgebung "Aufstehen für die Kultur" erinnern Künstler an die schwierigen Lebenssituationen, die aus der Coronakrise für viele Kulturschaffende entstanden sind.
Bei der Kundgebung "Aufstehen für die Kultur" erinnern Künstler an die schwierigen Lebenssituationen, die aus der Coronakrise für viele Kulturschaffende entstanden sind. © Mirgeler/dpa

München - Hat Franz Josef Strauß seinerzeit in Wackersdorf gegen die WAA mitdemonstriert? Dass bei einer gegen die Politik der Staatsregierung gerichteten Demonstration ein Minister ebendieser Regierung als Schlussredner auftritt, ist schon ungewöhnlich. Soll man nun darüber lästern, dass die CSU die Kundgebung "Aufstehen für Kultur" am Königsplatz gekapert hat? Oder ist die Lage der seit März unverschuldet arbeitslosen Freiberufler nicht so ernst, dass es besser ist, zusammenzustehen und das Gemeinsame zu betonen?

Es war mutig von Bernd Sibler, am Samstag vor den etwa 900 Demonstranten zu sprechen. Der Kunstminister verteidigte die vom Ministerpräsidenten in der Regierungserklärung vom Mittwoch angekündigte verbesserte Neuauflage der Soforthilfen und die Einrichtung von Stipendien für Berufsanfänger. "Auch mit Blick auf einen vermutlich schwierigen Winter werden wir unsere Künstlerinnen und Künstler im Freistaat mit neuen Hilfen unterstützen und bestehende nachjustieren", sagte Sibler. Er wolle seine Hand zum Dialog reichen und im Gespräch mit den Betroffenen bleiben.

Pfiffe gab es, als Sibler die steigenden Infektionszahlen erwähnte. Aber dafür kann der Minister nun wirklich nichts. Nach dem Pilotversuch mit 500 Besuchern im Gasteig, dem Nationaltheater und der Nürnberger Meistersingerhalle habe man eigentlich weitere Lockerungen geplant. Sie seien aber angesichts der auf Dunkelrot springenden Ampel nicht sinnvoll, sagte Sibler mit Blick auf den Offenen Brief bayerischer Intendanten an Markus Söder, in dem Ausnahmeregelungen für Bühnen und Konzertsäle verlangt werden.

"Es wird viel angekündigt und nichts umgesetzt."

Davor gab es zum Teil heftige und emotionale Kritik an der mangelnden Unterstützung für den Kulturbereich durch die Staatsregierung. Seit Beginn der Pandemie im Frühjahr gibt es kaum Auftrittsmöglichkeiten für Musiker und Schauspieler. Weil Festanstellungen in der Kulturszene Ausnahme sind, stehen viele Künstler finanziell vor dem Nichts.

Kunstminister Bernd Sibler bei der Kundgebung.
Kunstminister Bernd Sibler bei der Kundgebung. © Robert Braunmüller

"Es ist das alte Lied", sagte der frühere Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP). "Es wird viel angekündigt und nichts umgesetzt." Der Cellist Michael Rupprecht forderte eine angemessene Kompensation für unverschuldete Verdienstausfälle und mehr Vertrauen in die von den Veranstaltern ausgearbeiteten Hygienekonzepte. Verena Vetter vom Künstlersekretariat am Gasteig schilderte, den Tränen nahe, die schwierige Lage der Agenturen, die nur noch Absagen organisieren müssten und vor dem finanziellen Aus stünden.

"Künste gehören zu einem menschenwürdigen Leben"

Weitere Redner, darunter der ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, beklagten die übermäßige Strenge, mit der Veranstaltungen im Unterschied zum Nah- und Fernverkehr oder der Gastronomie behandelt werden. Hans Maier, Kultusminister unter Alfons Goppel und Franz Josef Strauß, erinnerte eingangs an den Kulturauftrag der bayerischen Verfassung. "Die Künste gehören zu einem menschenwürdigen Leben", rief der 89-Jährigen den Demonstranten zu.

Der ehemalige Kunstminister Hans Maier eröffnete die Kundgebung.
Der ehemalige Kunstminister Hans Maier eröffnete die Kundgebung. © Robert Braunmüller

Der Entertainer Ron Williams erinnerte an einen Trompeter, der aus Verzweiflung über seine Lage Selbstmord begangen habe. In kurzen Videos kamen Beleuchter, Veranstaltungstechniker und Tour-Organisatoren zu Wort, die von Ersparnissen leben und ihre Altersvorsorge aufbrauchen.

Parteiübergreifende Solidarität für Künstler

Der Liedermacher und SPD-Stadtrat Roland Hefter mahnte wie Nida-Rümelin ein zentrales Problem an: die mangelnde Organisationsbereitschaft der Künstler. Er erinnerte auch immer wieder an Künstler aus der zweiten Reihe und den ebenfalls freiberuflichen Backstage-Bereich. Hefter forderte zu Beginn mit bairischer Grobheit Rechtsextremisten und Corona-Leugner zum Verlassen des Platzes auf, auf dem die Abstandsregeln eingehalten und Masken getragen wurden.

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Sibler verfolgte die Veranstaltung von Beginn an, ebenso der CSU-Landtagsabgeordnete und Kulturausschussvorsitzende Robert Brannekämper. Von der Opposition war unter anderem Sanne Kurz (Grüne) anwesend. Die SPD vertrat neben Hefter auch Julia Schönfeld-Knor, die kulturpolitische Sprecherin der Stadtratsfraktion und Geschäftsführerin des Bürgerhauses Moosach.

Es gibt also eine parteiübergreifende Solidarität für Künstler. Die kann womöglich konstruktiver wirken als der linken Seele schmeichelnde und vielfach als konfrontativ wahrgenommene Maximalforderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen samt Mietenstopp, wie sie der Liedermacher Konstantin Wecker am Ende per Video formulierte.

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