25-Prozent-Regel: Scheindiskussion zur Unzeit

Nächste Woche berät das Kabinett über die 25-Prozent-Regel. Bayerns Rockintendant weist auf die Probleme freier Veranstalter hin.
Robert Braunmüller
Robert Braunmüller
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Der bayerische Rockintendant Bernd Schweinar.
Der bayerische Rockintendant Bernd Schweinar. © Frank Mächler/dpa

München - Am Mittwoch haben sich Vertreterinnen und Vertreter der Kunst- und Kulturszene bei einem Runden Tisch mit Mitgliedern des Bayerischen Kabinetts über die aktuelle Lage und die Auswirkungen der bestehenden Corona-Regelungen auf den Kulturbetrieb ausgetauscht.

Volle Gasthäuser, leere Theater

Offiziell wollte die Staatsregierung über die aktuellen Bund-Länder-Beschlüsse und die dynamische Entwicklung der besonders ansteckenden Omikron-Variante berichten, inoffiziell dürfte die anhaltende Kritik an der Ungleichbehandlung zwischen Gastronomie und Spielstätten eine Rolle gespielt haben. Denn der Gegensatz zwischen voll besetzten Gasthäusern ohne Masken und nur zu einem Viertel besetzten Theater mit maskiertem Publikum, aufgerüsteter Lüftung und Hygienekonzept bleibt unverständlich.

Aiwanger fordert Studien ein, die es schon gibt

Offenbar wird sich das Kabinett am Dienstag mit dieser Frage beschäftigen. Das ist überfällig, zumal nach dem Gerede von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger am Dienstag, der wissenschaftliche Studien einforderte, die im Übermaß längst vorliegen und in seltener Übereinstimmung erklären, dass Theater und Konzertsäle sicher seien. Darauf hat zuletzt auch noch Serge Dorny, der Intendant der Bayerischen Staatsoper, in einem Interview mit dem "Münchner Merkur" hingewiesen.

Die Ungleichbehandlung von Gastronomie und Kultur ist die eine Frage. Die andere ist allerdings, ob derzeit wirklich der richtige Zeitpunkt für Lockerungen ist. Die 7-Tages-Inzidenz steigt rasant, wie von Experten seit längerem für Januar vorhergesagt.

Lesen Sie auch

Der "Hot-Spot-Lockdown" könnte bevorstehen

In München lag sie am Donnerstag bereits bei 645. Ab 1.000 wäre nach der geltenden Verordnung ein "Hot-Spot-Lockdown" eingetreten, bei dem sowohl Spielstätten wie die Gastronomie schließen müssen. Die Regelung wurde unter dem Eindruck von Delta beschlossen, sie wurde "bis zur geplanten Überarbeitung im Kabinett ausgesetzt", wie Gesundheitsminister Holetschek erklärte.

Das sagt Rockintendant Bernd Schweinar

Auf diese Widersprüche weist auch der bayerische Rockintendant Bernd Schweinar hin, ein Teilnehmer des Runden Tischs. "Im Prinzip führen wir eine Scheindiskussion zur Unzeit", schreibt er auf Facebook. "Wir sind mitten in der Steilwand beim rasanten Aufstieg zu bisher."

Dass Kultur per se zum Risikotreiber deklariert wurde, obwohl etliche wissenschaftliche Studien das Gegenteil bewiesen, sei nicht mehr nachvollziehbar - gerade jetzt, wo Aiwanger für die Gastronomie die Wissenschaft ins Begründungsboot holen wolle. "Das Dilemma hat derjenige zu verantworten, der diesen weltfremden 25-Prozent-Quatsch geschaffen hat", so Schweinar.

"Jetzt um kosmetische Quotenerhöhungen auf 50 Prozent zu feilschen, hilft vielleicht den staatlich subventionierten Bühnen, vielleicht auch noch den Kinos oder kleineren Kabarettveranstaltungen. Für die nicht-subventionierte Konzertbranche ist das Makulatur."

Den Fokus auf Anfang Mai richten

Schweinar weist darauf hin, dass für Popveranstalter die Kostendeckung bei einer Auslastung von 75 Prozent beginnt, "falls überhaupt so viel vorsichtiges Publikum zu gewinnen sein sollte". Er habe deshalb am Runden Tisch dafür plädiert, angesichts der schwierigen Planbarkeit den Fokus auf die Zeit nach der Omikron-Welle im "April oder Anfang Mai" zu richten und dann Geboosterte zu Veranstaltungen "unter Volllast" zuzulassen.

Lesen Sie auch

Viele müssen ihrem Personal kündigen

Die Frage ist nur, ob es dann noch Veranstalter gibt. Das Spielstättenprogramm der Staatsregierung läuft Ende März aus. "Viele Veranstalter müssten - unter Wahrung der Kündigungsfristen zu Mitte oder Ende Februar - ihrem Personal in Kurzarbeit kündigen, weil sie es ab dem 1. April 2022 nicht selbst weiterfinanzieren könnten", so Schweinar. Die privatwirtschaftliche Veranstaltungsbranche habe schon viele Fachleute verloren, nun drohe sie auch noch "die letzten Verbliebenen" zu verlieren.

Rat für den Wirtschaftsminister

"Kultur darf nicht wieder zu den Letzten gehören, die aufmachen", schreibt Schweinar, nicht ohne dem Wirtschaftsminister noch einen Rat zu erteilen: "Wenn ein Hubert Aiwanger in der Ministerratspressekonferenz am 11. Januar erklärt, man habe die Auslastung der Skiliftgondeln auf 75 Prozent angehoben, weil sich sonst an der Talstation beim Einlass ein Menschenstau mit erhöhtem Infektionsrisiko entwickeln würde, dann lässt das sehr an der Kompetenz zweifeln. Auch vor jedem Konzert bilden sich am Einlass Menschentrauben, ohne dass ein Herr Aiwanger bei der Kultur zu einem ähnlichen mathematischen Sachverstand gekommen wäre."

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.