Eine U-Bahn für die Post? Keine neue Idee
München - Fünf Jahre nachdem im Bayerischen Land der Bau einer Untergrundbahn in München beantragt wurde, "um dem lawinenhaft anwachsenden Verkehr auf den Straßen auszuweichen", ging tatsächlich bereits die erste U-Bahn in Betrieb. Es geschah am 10. Oktober 1910.
Die weltweit erste Werksbahn dieser Art führte auf einer 450 Meter langen Trasse mit Oberleitung vom Königlich-Bayerischen Verkehrsministerium, in dessen Flügelbau an der Hopfenstraße sich das Bahnpostamt befand, direkt unter die Gleise im Hauptbahnhof. Der Tunnel bestand aus vorgefertigten Betonteilen, die ein Einsickern von Grundwasser verhinderten. Er verlief 6,8 Meter unter dem Straßenniveau, war 2,3 Meter breit und 1,2 Meter hoch.
Andreas Scheuer will Fracht-U-Bahn
Eine ganz neue Idee ist es also nicht, wenn Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dieser Tage in Aussicht stellte, einen Fracht-U-Bahn-Zug für eine deutsche Großstadt zu finanzieren. Und die Münchner FDP sogleich forderte, außerhalb der Betriebszeiten auch die Personenzüge für den Transport von Waren einzusetzen. Die AZ wirft einen Blick zurück auf Jahrzehnte Post-U-Bahn am Hauptbahnhof.

Mit einer Höchstgeschwindigkeit von zwölf Kilometern pro Stunde zog die unbemannte, automatisch gesteuerte Elektrolok, erbaut von Krauss & Co und Siemens-Schuckert, vier angehängte Karren, die ausschließlich Briefe und Pakete beförderten und diese auf Förderbänder kippten. Das Modell der 3-PS-Lokomotive war einzigartig im Reich; drei erhaltene Exemplare sind heute im Deutschen Museum sowie in einem Nürnberger und einem Frankfurter Museum zu bestaunen. Da die Strecke zweigleisig angelegt war, konnten etwa 100 Arbeiter zehn Züge pro Stunde abfertigen.
München: Vorbild für weitere Post-U-Bahnen
Nach Münchner Vorbild verkehrten Post-U-Bahnen später in Städten der Schweiz und in London, dort bis 2003. Als in München – vorangetrieben durch Hitlers Wahn von der "Neuen Hauptstadt der Bewegung" – der Bau einer echten U-Bahn am 22. Mai 1938 in der Lindwurmstraße startete (der Autor hat das stetige Dröhnen der Dampfhämmer als Bub erlebt), wurde ein kühnes Konzept mitentwickelt: Eine Fracht-U-Bahn sollte einen künftigen Kopfbahnhof in Pasing mit dem Flughafen Riem verbinden. Der Krieg verschüttete die unterirdischen Pläne ebenso wie die Baugrube am Goetheplatz.
Untergrundpost muss S-Bahn weichen
Schon 1948 nahm die Bundespost ihre reparierte U-Bahn wieder in Betrieb. Bald wurde sie um 50 Meter verlängert, als das Bahnpostamt verlagert wurde. Als der Bau der S-Bahn begann, musste die Untergrundpost weichen. Ein neuer Tunnel wurde gegraben, Betonröhren wurden verlegt, eine leistungsfähigere U-Bahn ging am 20. Dezember 1966 mit neuer Technik in Betrieb, sie kreuzte mehrere Verkehrsachsen.
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Am 21. April 1988 wurde der postalische U-Bahn-Betrieb eingestellt. Das zweimalige Umladen erschien zu aufwendig. Elektrokarren, die im verkürzten Tunnel auf Gummireifen rollten, verbesserten die Leistung. Den Ausschlag gab die Umstellung der Briefsortierung auf zentrale Briefzentren im ganzen Bundesgebiet, womit die alte "Hopfenpost" entbehrlich wurde.
Hauptbahnhof-Katakomben: Tummelplatz für Drogendealer
Nachdem dieses Vakuum entstand, verkamen der Tunnel unter dem Bahnhof und die benachbarten Katakomben zum Tummelplatz von Drogendealern. Diese konnten schließlich mit Hilfe von Polizei, Kameras und Rollgittern vertrieben werden. Neuerdings werden die einstigen Transportröhren der Post dazu genutzt, das einsickernde Grundwasser aus der Baugrube für die zweite S-Bahn-Stammstrecke abzuleiten.
Der Beitrag verwendet u.a. Texte aus "München – Stadt der Träume" von Karl Stankiewitz
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