Über 100 Jahre alt: Wird dieses Haus in Schwabing abgerissen?
Schwabing - Still ist es im Treppenhaus. Von der hohen Stuckdecke hängen Kabel, die eleganten Wohnungstüren mit glänzenden Messingbeschlägen sind verschlossen. An den Briefkästen im Foyer kleben noch die Namensschilder der Mieter. Diese Woche wird der Letzte von ihnen ausziehen. Direkt neben den Briefkästen hängt die grüne Pinnwand.
Mieter erfuhren an der Pinnwand vom Hausverkauf
"An dieser Pinnwand hing im Sommer 2017 der Zettel", erzählt Lorenz Sajko, langjähriger Mieter der Agnesstraße 48. "Die alte Vermieterin war gestorben, und ihre Tochter gab in einem Aushang bekannt, dass sie das Haus verkaufen würde. Danach ging alles sehr schnell," erinnert er sich. Es kamen Interessenten, bald darauf entschloss sich einer zum Kauf.
Den genauen Preis kennt keiner, aber es soll sich um circa zehn Millionen Euro gehandelt haben. Als neuer Eigentümer trat die "Agnes 48 UG" auf. Ihr Geschäftsführer Michael Frank sagte damals der "SZ", er sehe das Haus als "Langzeit-Investition" und wolle die Wohnungen renovieren. Ehemalige Mieter erzählen jedoch, dass sie enorm unter Druck gesetzt wurden, es seien auch unnötige Baustellen im Treppenhaus entstanden. Fast alle der 15 Parteien zogen bald aus.
Neuer Besitzer sieht Agnesstraße 48 als "Langzeit-Investition"
Sajkos Familie aber blieb – bis jetzt. "Wir wohnen seit vier Generationen in dem Haus", erzählt der Mieter. "Meine Großmutter zog nach dem Krieg ein, meine Eltern wohnten hier, ich und auch meine Kinder." Eigentlich wollte er nicht gehen, doch allein in einem Geisterhaus bleiben?
"Einmal standen plötzlich alle Wohnungstüren offen", sagt Sajkos Frau Julia. "Das Haus ist so leer schon etwas unheimlich." In ihrer Wohnung im Dachgeschoss stehen nur noch wenige Möbel, die Kisten sind gepackt. Es gibt kein Zurück mehr: Nach vier Generationen in Schwabing kehrt die Familie der Agnesstraße den Rücken.
Doch das Drama um das Haus in der Agnesstraße ist noch nicht zu Ende erzählt. Für Gabriella Meros beginnt es erst jetzt. Meros wohnt in der Nachbarschaft. Als Kind durfte sie manchmal im kleinen Eckladen in der Agnesstraße 48 einkaufen. "Meine Mutter konnte mich vom Fenster aus sehen", erinnert sie sich. "Im Laden gab es damals immer große Gläser mit Süßigkeiten, da konnte man gut Taschengeld ausgeben."
Die Wahrscheinlichkeit eines Abrisses liegt bei 50 Prozent
Als Meros vor Kurzem am Haus vorbeikam, wunderte sie sich über die Bauarbeiter, die vor dem Haus ein Loch bohrten. "Da war früher ein wunderschöner Vorgarten, den haben die einfach abgerissen", ärgert sie sich. Als sie fragte, warum gebohrt werde, wurde ihr mitgeteilt, dass Grund getestet werde, denn das mehr als 100 Jahre alte Haus werde abgerissen. Entstehen soll demnach ein neues mit zweistöckiger Tiefgarage.
Und wirklich: Am 29. Mai bekam die "Agnes 48 UG" einen neuen Geschäftsführer. Er heißt Stefan Mayr und leitet "M-Concept Real Estate". Dort arbeitet auch Tobias Fuchs, der sich bei Sajkos als neuer Eigentümer vorstellte. Der AZ bestätigt Fuchs, dass das Gebäude womöglich abgerissen wird. "Sicher wissen wir es nicht", sagt er. "Ob es abgerissen oder entkernt und aufgestockt wird, da sind die Chancen 50:50."
Der ehemalige Geschäftsführer der "Agnes 48 UG" Michael Frank will sich heute nicht mehr zur Agnesstraße äußern. Mit dem Projekt habe er nichts mehr zu tun. Auch dazu, dass das Haus jetzt abgerissen werden soll, will er nichts sagen.

Bürgerinitiative will Abriss des Hauses verhindern
"Das Gebäude ist doch wunderschön", findet auch Birgit Sasowski von der "Bürgerinitiative Pro-Schwabing". Sie hat mit ihrer Initiative auch schon das Haus in der Wagnerstraße 1 vor dem Abriss bewahrt: "Auch die Agnesstraße 48 ist eine erhaltenswerte Bausubstanz, die geschützt werden muss." Sie hofft, dass es dazu noch nicht zu spät ist. Eine Abrissgenehmigung liegt der Lokalbaukommission noch nicht vor. Sasowski und Meros wollen das nutzen und fordern, dass das Haus noch Denkmalschutz erhält. "Ich hoffe, dass die Nachbarn das Haus beobachten und im Falle eines illegalen Abrisses die Polizei rufen", sagt Meros.
Doch selbst wenn das Haus gerettet wird, für Sajkos würde sich wohl nichts ändern. "Wir ziehen jetzt nach Milbertshofen", sagt Lorenz Sajko. "Da haben wir eine Immobile gekauft. So kann uns etwas wie in der Agnesstraße hoffentlich nicht mehr passieren."
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