Was Händler zur Bahnhofssanierung in München sagen
München - Fritz Wickenhäuser (74) hat am Hauptbahnhof schon viel erlebt. Seine Familie betreibt im Viertel seit 107 Jahren Hotels und Gasthäuser. Auch ein Autohaus war schon dabei. Den Bahnhof kannte er seit Kindesbeinen. "Alles war zerbombt", erinnert sich Wickenhäuser, "meine Mutter nahm mich immer zu den Gleisen mit und hob mich hoch, damit ich die Dampflokomotiven besser sehen konnte."
Baustelle Hauptbahnhof: Händler rechnet mit Einbußen
Zerbombt ist heute natürlich nichts mehr. Aber seit Montagmittag ist an der Schalterhalle eine jahrelange Baustelle eingerichtet. Wickenhäusers Münchner Stubn an der Bayerstraße ist etwa 150 Meter entfernt. Noch stört das alles nicht. 500.000 Menschen laufen täglich am Bahnhof herum. Und die sogenannte Laufkundschaft ist schließlich essenziell für fast alle Geschäftsleute.

Dennoch ist Wickenhäuser ein wenig angespannt, was die nächsten Jahre betrifft. "Klar, wenn hier 50 Meter in die Tiefe gegraben wird, haben wir enormen Lärm und Dreck. Da könnte der Umsatz schon sinken", sagt Wickenhäuser. Neun Jahre Bauzeit sind insgesamt angesetzt für Schalterhalle und Zweite Stammstrecke. "Aber das glaub ich nicht, das wäre schon sehr zügig", sagt Wickenhäuser, "ich gehe von bis zu 15 Jahren aus."
Wickenhäuser, ein Mann mit Humor, macht noch einen Scherz, um später wieder ernst zu werden: "Vielleicht sollte ich mich zur Frau umwandeln lassen, dann erlebe ich den Neubau noch. Frauen haben ja bekanntlich eine höhere Lebenserwartung", sagt er; und: "aber klar ist auch, hier musste etwas passieren. Die Schalterhalle und die Umgebung ist ein einziges Stückwerk."

Händler begrüßen den Neubau der Schalterhalle
So wie Wickenhäuser sehen es offenbar die allermeisten Geschäftsleute im südlichen Bahnhofsviertel. Erst Dienstagabend versammelte sich der ähnlich klingende Verein "Südliches Bahnhofsviertel" im Hotel Cristal von Wickenhäuser. "Wir haben etwa 80 Vereinsmitglieder, 60 kamen.
Friseure, Bars, Cafés, Theater. Alle begrüßen den Neubau der Schalterhalle", sagt Wickenhäuser.

Hauptbahnhof-Apotheke: Sorge um das Equipment
Deutlich gravierendere Einschnitte als der Stubn-Chef nimmt die internationale Hauptbahnhof-Apotheke in Kauf. Sie muss aus dem Gebäude ausziehen, spätestens Mitte 2020. Danach wird schließlich das ganze Gebäude abgerissen. Doch was die Filialleiterin Angelika Kubern erzählt, ist ernüchternd: "Wir haben nach der Umzäunung der Schalterhalle bis zu 50 Prozent weniger Umsatz", sagt Kubern, "wir werden versuchen, deutlich vor Ende des Pachtvertrages innerhalb des Viertels umzuziehen." Viele der Kunden gelangten wohl über den nun verschlossenen Ost-Eingang des Bahnhofes zur Apotheke.
Kubern sorgt sich aber nicht nur um die Kundschaft. "Wir haben einen 300.000 Euro teuren Roboter im Keller, der alle Medikamente einsortiert und auch hochbefördert", sagt Kubern, "wenn der durch Baustaub beschädigt werden sollte, wäre das eine Katastrophe." Das wolle man verhindern.
Dass die Schalterhalle erneuert werden muss, steht für Kubern außer Frage. Sie hat zuletzt ihre Tochter in Hongkong besucht: "Dort ist alles so fantasievoll gestaltet. Eine Magnetschwebebahn fährt vom Bahnhof zum Flughafen – und man kann bereits am Bahnhof einchecken. Ehrlich gesagt leben wir hier im Vergleich dazu hinterm Mond."

Manche erwägen wegen teurer Pacht den Umzug
Auch Rewe-Boss Christian Dell in der Schützenstraße ist überzeugt: Hier muss was passieren. Er kämpft seit Jahren mit dem Trinker- und Drogen-Milieu. "Fäkalien, Müll, Urin... Ich fange den Tag häufig mit einem Eimer Wasser an, weil der Eingang verdreckt ist", sagt Dell, "wenn der Neubau fertig ist, kann das nur besser werden." Woran er fest glaubt: "Je sauberer und aufgeräumter der Bahnhof, desto angenehmer das Umfeld und Milieu."
Menschen meiden Baustellen bekanntlich. Und davon könnte die Schützenstraße bald besonders betroffen sein: auf der einen Seite der Königshof-Neubau, auf der anderen die Schalterhalle. "Es kann sein, dass der Umsatz zurückgeht. Dann müsste ich erst einmal Personal abbauen, so hart das auch ist."

An Umzug denkt Dell zwar nicht, der Eisverkäufer Marcel Ruhland, der ein paar Häuser weiter steht, hingegen schon. "Ich halte die Augen offen. Falls ich etwas Günstiges entdecken und mein Umsatz einbrechen sollte, ziehe ich um. Die Pacht hier ist wirklich nicht günstig", sagt Ruhland. Offiziell gelte die Schützenstraße nämlich als Bestlage der Stadt.
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