Ex-Präsident des TSV 1860 gestorben: Mach's gut, Erich Riedl!
München - Ein sonniger, heißer Frühlingstag vor fünf Jahren, bei der letzten persönlichen Begegnung. Die Sonne stand hoch über Großhadern, als Erich Riedl ins Café Widmann kam, sein Stammlokal in der Heiglhofstraße. Humpelnd, langsam, auf einen Stock gestützt. "Herr Kinast, ich tät mich schon gern mit Ihnen raussetzen", sagte er zur Begrüßung, "aber wissen S’, ich vertrag die Hitz halt nimmer so gut." So blieb man innen drin. Man sah ihm an, wie sehr ihn das Leben plagte und peinigte.
Die Beine wollten nicht mehr, Spätfolgen seiner Kinderlähmung, auch die Muskeln wurden weniger, jede Bewegung schien zu schmerzen. Doch so müde der Körper schon war, so wach war noch sein Kopf, als er bei Kaffee und Käsekuchen drei Stunden lang über seine Erinnerungen an früher reflektierte, über die Politik der Gegenwart räsonierte und natürlich über die Sechzger sprach. Seine Sechzger.

Was immer man von Erich Riedl halten wollte, diesem streitbaren und höchst umstrittenen CSU-Mann und früheren Löwen-Präsidenten, was immer man ihm vorwerfen konnte oder wollte, von Wirtschafts-Lobbyismus über dubiose Waffengeschäfte bis hin zur Löwen-Pleite: Unbestritten war er eine Figur. Ein kantiger Charakterschädel. Ein bayerisches Urviech. Ein gstandener Typ, der austeilen konnte und einstecken musste, einer, von dem man ohne zu zögern, behaupten kann: A Hund war er scho.
Riedl bat Ratzlinger um Unterstützung
Viele von solchem Schlag gibt es nicht mehr. Nun ist auch Erich Riedl gestorben. In der Nacht auf Samstag. Mit 85 Jahren. 1969 war Riedl in den Bundestag gekommen, fünf Jahre später wurde er Präsident des TSV 1860. Als Nachfolger von Parteikollege Franz Sackmann. Die Blauen waren damals fest in schwarzer Hand. Viele Erfolge fielen in die ersten Jahre, die unvergessenen Aufstiegsspiele 1977 gegen Arminia Bielefeld etwa, zu denen Riedl einst eine schöne Episode erzählte. Kurz davor traf er Joseph Ratzinger, der damals noch lange nicht Papst war, aber Erzbischof von München und Freising – und zudem auch ein Anhänger der Sechzger.
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"Bitte legen Sie da oben ein gutes Wort für uns ein", sagte Riedl, "sonst haben wir beim Hinspiel in Bielefeld keine Chance." Ratzinger habe zwar milde gelächelt, allerdings verloren die Löwen 0:4. Nach dem 4:0-Wunder im Rückspiel jedoch und dem 2:0 im Entscheidungsspiel traf Riedl Ratzinger erneut und sagte: "Herr Kardinal, da hat Ihr Gebet beim ersten Mal aber nix geholfen." Worauf Ratzinger erwiderte: "Herr Riedl, merken Sie sich für Ihr ganzes Leben. Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen."
Schnell, sehr schnell ging es dafür dann mit den Problemen los. Die Schulden wuchsen, nach dem zweiten Bundesliga-Abstieg in drei Jahren steuerten die Löwen auf die Pleite zu, 1982 folgte der Lizenzentzug, der Zwangsabstieg in die Bayernliga. Und Riedl dankte als Löwen-Boss ab.
Ab Mitte der 1990er wurde es schwierig
Auch im Bundestag erntete Riedl dafür Spott und Häme. Bei einer Rede Riedls vor dem Plenum höhnte der große Sozialdemokrat Herbert Wehner, den mit Riedl bei aller politischen Kontroverse starker gegenseitiger Respekt verband, dazwischen: "Absteiger. Absteiger." Nur Stunden später, erzählte Riedl, hätte Wehner bei einer zufälligen Begegnung auf der Toilette gesagt: "Ich mag Sechzig ja. Ist schließlich ein Arbeiterklub."

Sechs Jahre war Riedl noch Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, 1996 hob der Bundestag seine Immunität auf, es ging um Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung und dubioser Waffengeschäfte. Auch wenn er später rehabilitiert wurde, er war angezählt, angeschlagen. 1998 dann verlor er seinen Stimmkreis München-Süd, nach 29 Jahren im Bundestag. Riedl zog sich zurück, erzählte noch Anekdoten, etwa wie jeder Besucher im Sendlinger Wohnhaus von Franz-Josef Strauß vor dem Eintritt erst einen Hampelmann an der Tür ziehen musste, darauf stand "Dr. Kohl". Von Lorant bis Pereira: Die Löwen-Trainer seit 1992
Die letzten Jahre lebte er mit seiner Frau Gertrud in Hadern (München), die beiden haben drei Kinder: Gerhard (59), Susi (55) und Barbara (51). Mit Gertrud fuhr Riedl zum 80. Geburtstag auch noch einmal nach Franzensbad, die Heimat seiner Kindheit im Sudetenland. Zuletzt wurde er jedoch immer schwächer, darum machte er sich in der Öffentlichkeit auch rar. Sein jahrelanger Kampf, seine Schmerzen, die Schinderei, in der Nacht auf Samstag wurde er erlöst. Beerdigt wird Riedl am Waldfriedhof. Die letzte Ruhestätte für ein Münchner Urgestein.