Zugunglück von Bad Aibling: Prozess-Auftakt gegen Fahrdienstleiter in einer Woche

Bad Aibling - Neun Monate nach dem Zugunglück von Bad Aibling muss sich ab 10. November der Fahrdienstleiter Michael P. vor dem Landgericht Traunstein verantworten. Der 40-Jährige steht wegen fahrlässiger Tötung von zwölf Männern (Alter: 24 bis 60) und fahrlässiger Körperverletzung in 89 Fällen vor Gericht.
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Die Staatsanwaltschaft gibt Michael P. die alleinige Schuld. Die Technik soll einwandfrei funktioniert haben. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft war Michael P. durch ein Handy-Spiel so abgelenkt, dass er eine Reihe Fehler machte. Entscheidend für den Prozessausgang wird deshalb sein, was Michael P. zu welcher Zeit gemacht hat, kurz bevor die beiden Züge ineinander gekracht sind. Das Minuten-Protokoll des Unglücksmorgens:
- 4.45 Uhr: Michael P. am Faschingsdienstag seinen Dienst im Stellwerk Bad Aibling. Seine Aufgabe: Er muss den Zugverkehr auf der eingleisigen Strecke zwischen Kolbermoor und Heufeld regeln.
- 5.11 Uhr: Michael P. beginnt auf seinem Handy das Online-Spiel „Dungeon Hunter 5“ zu spielen. Laut Bahn-Richtlinie 408.0111 ist es Fahrdienstleistern ausdrücklich verboten, ihre Handys im Stellwerk privat zu nutzen. In diesem Spiel ist Michael P. Kämpfer in einer mittelalterlichen Fantasy-Welt.
- 6.38 Uhr: Um diese Uhrzeit oder etwas früher gibt Michael P. der BOB 79506, die von Rosenheim nach Holzkirchen unterwegs ist, ein Signal für freie Einfahrt in den Bahnhof Kolbermoor und anschließend die Weiterfahrt nach Bad Aibling. Laut Fahrplan hätte der Zug hier auf den entgegenkommenden Zug aus München warten müssen.
- 6.39 Uhr: Der Meridian 79505 aus München über Holzkirchen nach Rosenheim aus dem Bahnhof Heufeld losgefahren. Michael P. gibt dem Zugführer das Signal zur Einfahrt in den Bahnhof Bad Abiling. Laut Staatsanwaltschaft ist er beim Nachschauen um eine Zeile verrutscht. Er glaubt offenbar, die Züge würden in Bad Aibling passieren.
- Um 6.40 Uhr fährt der Zug nach Rosenheim in den Bahnhof Kolbermoor. Michael P. ist immer noch aktiv am Spielen.
- Um 6.43 Uhr kann Michael P. für den Zug aus München kein normales grünes Signal setzen, da der andere Zug bereits auf der eingleisigen Strecke unterwegs ist – eine Sicherheitsbarriere. Michael P. setzt sich darüber hinweg und setzt das Sondersignal Zs1 – damit gibt er dem Zug aus München grünes Licht.
- Um 6.45 Uhr gibt Michael P. dem Zug aus München erneut das Sondersignal Zs1, damit er von der Haltestelle Kurpark weiterfahren kann.
- Um 6.45 Uhr und 59 Sekunden schaltet P. das Spiel aus. Um 6.46 Uhr und 20 Sekunden setzt der Fahrdienstleiter über den Zugfunk einen Notruf ab. Er hat seinen Fehler bemerkt. Er fordert beide Zugführer auf wegen „Betriebsgefahr“ sofort anzuhalten. Doch er hat die falsche Taste gedrückt, die Lokführer hören ihn nicht.
- Um 6.47 Uhr stoßen die beiden Züge frontal zusammen. 111 Tonnen und 174 Tonnen Masse verkeilen sich ineinander – darin befinden sich rund 100 Menschen. Zwölf sterben, 89 werden verletzt, viele schwer.
Seit 12. April sitzt Michael P. in U-Haft. Der Prozess dauert mindestens sieben Tage, zwölf Zeugen und fünf Sachverständige sind geladen.