Zahlen oder nicht? Das Deutsch-Tiroler Bußgeld-Wirrwarr
München - Massiv war auf deutscher Seite der Protest, als Tirols Landesregierung zu Beginn des Reisesommers eine Reihe von "Fahrverboten" in Kraft setzte. Mitunter fiel auch das Wort "rechtswidrig". Wer auf der Inntal- und Brennerautobahn unterwegs war, durfte an den Wochenenden die Schnellstraße nicht verlassen, etwa, um einen Stau zu umgehen oder sich die Brenner-Maut zu sparen.
Dennoch ist die Bundesrepublik wohl verpflichtet, Österreich bei der Vollstreckung von "Organstrafverfügungen" zu unterstützen. Genau kann das aber niemand sagen. Insgesamt 150 "Organstrafverfügungen" (Bußgelder) sind von Juni bis September wegen Missachtung der Fahrverbote verhängt worden. Man darf davon ausgehen, dass ein großer Teil davon wohl deutsche Wagenlenker betrifft.
Ticket in Tirol - zahlen oder nicht?
Da mit Österreich die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen vereinbart ist, muss die Bundesrepublik österreichischen Behörden Hilfe leisten, wenn diese Bußgelder gegen deutsche Autofahrer in Deutschland vollstrecken wollen. Ob sie dazu auch verpflichtet sind, wenn – wie im Falle der Fahrverbote – die Rechtmäßigkeit der Maßnahme von deutscher Seite angezweifelt wird, hätten wohl betroffene Autofahrer gerne gewusst. Dann könnten sie die Zahlung des Bußgelds vor Ort verweigern und sich ins sichere Deutschland zurückziehen. Doch deutsche Behörden lassen Autofahrer allein.
Als erstes erklärte sich auf Nachfrage das bayerische Justizministerium für unzuständig und verwies weiter an das bayerische Innenministerium. Auch hier erkannte man rasch die eigene Unzuständigkeit. Das Bundesamt (BFJ) für Justiz in Bonn sei zuständig für die grenzüberschreitende Vollstreckung von Geldstrafen innerhalb der EU. Beim BFJ weiß man auch nicht weiter.
Müssen deutsche Behörden in Tirol verhängte Bußgelder vollstrecken?
Können also Bußgeldbescheide wegen des Wochenend-Fahrverbots gegen deutsche Autofahrer verhängt werden? Deutsche Behörden wollen oder können diese einfache Frage nicht beantworten. Eine – freilich unverbindliche – Rechtsmeinung liefert der ADAC. Da in Deutschland vergleichbare Verkehrsbeschränkungen oder Umleitungsmaßnahmen angeordnet werden können, dürften auch die Um- und Ableitungsmaßnahmen des Landes Tirol als straßenverkehrsrechtliche Notmaßnahme zulässig sein, erläuterte die ADAC-Rechtsabteilung. Konsequenz: Deutsche Behörden müssten deswegen in Tirol verhängte Bußgelder wohl in Deutschland vollstrecken, auch wenn die Politik gegen die Maßnahmen wettert.
Selbstverständlich ist das nicht. Würden in Österreich "Organstrafverfügungen" wegen Ordnungswidrigkeiten erlassen, die in Deutschland nicht bußgeldbewehrt sind, könnten diese in Deutschland nicht vollstreckt werden. Auch müssen deutsche Vollstreckungsbehörden von der Vollstreckung österreichischer Bußgelder absehen, wenn der Fahrer nicht ermittelt wurde und der deutsche Halter des Fahrzeugs sich weigert, den verantwortlichen Fahrer zu benennen.
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