Weil der Schlafsack fehlte: Gerettetes Paar kritisiert Bergwacht am Watzmanngrat

Ein Paar ist am Watzmanngrat in Berchtesgaden in Not geraten. Die Rettung gestaltete sich schwierig, gelingt aber. Statt dankbarer Worte müssen sich die Bergwachtler im Tal dann erst mal Kritik von den Geborgenen anhören.
Heidi Geyer |
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Der Gipfelgrat am Watzmann ist nur an wenigen Stellen versichert. Derzeit liegt dort noch viel Altschnee.
Der Gipfelgrat am Watzmann ist nur an wenigen Stellen versichert. Derzeit liegt dort noch viel Altschnee. © MindScape Photography/imago

Berchtesgaden - Rundum Schnee und Eis, mehrere Hundert Höhenmeter Abgrund, die Kraft geht aus und es wird eisig kalt. Eigentlich möchte man meinen, dass die Dankbarkeit und die Erleichterung in so einem Moment groß ist, wenn man aus einer solchen Situation gerettet wird.

Nicht so jedoch am Pfingstwochenende im Berchtesgadener Land. Dort mussten sich die Retter erst mal Kritik anhören.

Eine anspruchsvolle Tour: Paar aus NRW gerät am Watzmanngrat in Bergnot

Heuer liegt laut dem Lawinenwarndienst Bayern noch sehr viel Schnee in den Alpen, so auch in Berchtesgaden. Der Hochkalter und der Watzmann sehen auch vom Tal aus eindeutig noch nach Winter aus.

Trotzdem hat ein Paar aus Nordrhein-Westfalen eine Watzmann-Überschreitung gewagt und geriet in Bergnot. Die Watzmann-Überschreitung zählt auch schon unter besten Bedingungen zu den anspruchsvollsten Touren in den Alpen.

Berchtesgaden: Zwei Helikopter und 16 Bergretter waren sieben Stunden im Einsatz

Kurz nach 14 Uhr setzten der 37-jährige Mann und die 29-jährige Frau einen Notruf ab, weil sie sich zwischen Mittel- und Südspitze auf rund 2.400 Metern verstiegen hatten.

Für die Bergretter war der folgende Einsatz kein einfacher: "Dank einer fliegerischen Meisterleistung des Polizeihubschrauber-Piloten, der eine günstige Wolkenlücke nutzte, dauerte die aufwendige und riskante Rettungsaktion dann weniger lang als befürchtet", heißt es von der Bergwacht Ramsau. Dennoch seien 16 Bergretter und zwei Helikopter bis zu sieben Stunden lang in Einsatz gewesen.

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Das Problem: Direkt am Grat war Nebel, so dass der Hubschrauber dort nicht hinfliegen konnte. Stattdessen wurden die Retter am Watzmannhaus, das niedriger liegt, abgesetzt und brachen mit ihrer Ausrüstung von dort aus auf.

Das Paar war laut Bergwacht zwar unverletzt, aber ausgekühlt bei Temperaturen um fünf Grad und zu erschöpft, um den Rettern entgegenzukommen.

Bergrettung am Watzmanngrat: Keine Zeit, die Ausrüstung zusammenzupacken

Für die fünf Helfer, die zu den Verstiegenen aufbrachen, war der Einsatz aufgrund der Bedingungen auf Altschnee gefährlich. Zwei von ihnen gelangten schließlich zu dem Paar.

"Da die Zeit drängte, mussten die Retter an der Einsatzstelle die Verstiegenen sehr direkt auffordern, nicht mehr zeitaufwendig ihre Biwak-Ausrüstung einzupacken, damit der Heli die kurze Wolkenlücke nutzen und sie sofort abholen kann", teilte die Bergwacht mit.

Paar aus NRW motzt: "Als Patienten noch nie so schlecht behandelt worden"

Das habe auch gut geklappt, das Paar ließ seine Ausrüstung am Berg zurück und wurde gemeinsam mit den Rettern um 18 Uhr mit Winden-Aufzügen ins Tal geflogen.

Und motzte: Sie seien als Patienten noch nie so schlecht behandelt worden. Dann verschwanden die beiden sofort, teilte die Bergwacht mit. Offenkundig war ihnen die Ansage, ihre Schlafsäcke zurückzulassen, nicht recht.

Undankbarkeit am Watzmanngrat: Frustrierend für die Bergwacht

Für die Retter sind solche Ereignisse frustrierend, zumal sie ehrenamtlich arbeiten. Bergwacht-Sprecher Michael Renner gibt zu bedenken: "Wir müssen in derart hoch dynamischen Einsatzlagen oft sehr schnell Entscheidungen treffen und auch mal recht direkt mit Betroffenen sprechen, die nicht immer sofort die Brisanz der Lage und das hohe Risiko für alle Beteiligten realistisch einschätzen können."

Ein zurückgelassener Schlafsack stehe in keinem Verhältnis zu Leben und Gesundheit von Menschen.

Bergwacht: "Wir wollen niemanden an den Pranger stehen"

Zugleich äußert er zwar nicht Verständnis, versucht aber, die Situation einzuordnen. "Betroffene reagieren unter den Eindrücken einer Ausnahme-Situation sicher anders, als sie es vielleicht sonst machen würden."

Daher wolle man so etwas nicht überbewerten, auch wenn es irritierend sei. Gar nicht so leicht für die Retter. "Wir waren jetzt schon in der Zwickmühle, wie ausführlich wir diesen Einsatz beschreiben", sagt Renner gegenüber der AZ. Man wolle keinen Shitstorm provozieren: "Wir wollen niemanden an den Pranger stellen!"

Bergwacht-Sprecher rät von Watzmann-Überschreitung derzeit ab

Für die Bergwacht sei grundsätzlich egal, aus welchem Grund jemand in Not gerate. Man wisse nicht, wie viel aus Nachlässigkeit, Leichtsinn oder einfach Pech passiere, Zahlen dazu gebe es nicht. Jeder werde gerettet. "Was aber auch nicht immer klappt", räumt Renner ein und verweist auf den Einsatz am Hochkalter im vergangenen Herbst.

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Die Bergwacht gibt grundsätzlich keine Tipps zu Touren und Bedingungen. Renner rät, die Hüttenwirte zu fragen, und verweist auf die Alpine Auskunft des Deutschen Alpenvereins in Berchtesgaden.

Von Montag bis Freitag von 16 bis 18 Uhr ist diese telefonisch unter 08652/9764615 zu erreichen. Auf Nachfrage rät er von der Überschreitung derzeit eher ab. "Es gibt bestimmt Menschen, denen das unter den derzeitigen Bedingungen gelingt. Aber für die überwiegende Masse an Publikum ist das jetzt einfach noch zu viel Schnee."

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5 Kommentare
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  • Ardana am 01.06.2023 07:25 Uhr / Bewertung:

    Da mit Sicherheit die Personalien aufgenommen worden sind ist die Rechnungsadresse ja bekannt. Ich wünschte, man könnte einen Aufschlag für Dummheit und Großkotzigkeit auf die Rechnungssumme machen.

  • Löwe_2 am 01.06.2023 06:42 Uhr / Bewertung:

    Können die einfach so ohne Angabe von Adressdaten gehen?
    Wer bezahlt den Einsatz des Polizeihubschraubers, bestimmt der Steuerzahler?

  • Knitterface am 01.06.2023 00:02 Uhr / Bewertung:

    Um Menschen, die sich oft genug selbst überschätzen, Gefahren unterschätzen , aus Notlagen zu retten , in die sich gebracht haben , opfern Bergwachtler ihre Freizeit und bringen sich selbst oft in Gefahr. Ein ehrliches Danke sollte schon drin sein.

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