Wassermangel wirkt sich auf Alpenhütten aus: Beliebte Gerichte werden von der Speisekarte gestrichen

Der Klimawandel stellt die Hüttenwirte des Deutschen Alpenvereins vor enorme Herausforderungen: Weil Gletscher schmelzen und Quellen versiegen, sitzen immer mehr von ihnen auf dem Trockenen.
Natalie Kettinger
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Die Wintersaison ist ganz ausgefallen, im Sommer war früher Schluss: die Neue Prager Hütte am Großvenediger.
Die Wintersaison ist ganz ausgefallen, im Sommer war früher Schluss: die Neue Prager Hütte am Großvenediger. © Jens Klatt / DAV

München - Ein Blick auf die Homepage der Neuen Prager Hütte im Nationalpark Hohe Tauern offenbart das ganze Ausmaß der Misere. "Wintersaison: 2023, mangels Schnee keine Wintersaison möglich!", steht dort und "Sommersaison: vorzeitiges Saisonende am 24. August wegen Wassermangel!" Zwei Wochen früher als geplant. Im Vorjahr war aus demselben Grund bereits Ende Juli Schluss.

Ein Schicksal, dem die Wirte der Hochland-Hütte über Mittenwald nur um wenige Tropfen entgingen. Schuld ist in beiden Fällen der Klimawandel. "Der Wassermangel, mit dem immer mehr unserer Hütten zu kämpfen haben, hat zwei Ursachen", sagt Franz Güntner, Pressereferent des Deutschen Alpenvereins für den Bereich Hütten und Wege.

Die Wasserlieferanten fallen weg: Gletscher verschwinden aus den Alpen

"Es wird grundsätzlich trockener – und das Wetter ändert sich nicht mehr so schnell wie früher: Wir haben lange Sonnenscheinperioden und dann plötzlich ganz viel Regen." Die Wassertanks der meisten Hütten seien darauf nicht ausgelegt und für die verlängerten Trockenzeiten viel zu klein.

Ursache Nummer zwei: Schneefelder und Gletscher, die in der Vergangenheit kontinuierlich Quellen gespeist hatten, verschwinden in vielen Alpenregionen. Doch genau auf diese "Wasserlieferanten" sind viele Hütten angewiesen. Ein Problem, mit dem auch die Wirte des Watzmannhauses im Nationalpark Berchtesgaden zu kämpfen haben. "Es hat zwei Monate gedauert, bis unser Hochspeicher voll war", sagte Pächter Bruno Verst unlängst der AZ. Auch hier steht eine Schließung im Raum.

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Die Betreiber der Alpenhütten versuchen, Wasser zu sparen

Denn der Wassermangel hat Folgen: "Es fehlt an Wasser fürs Kochen, Waschen, Abspülen. Hinzukommt, dass viele Alpenvereinshütten Kleinwasserkraftwerke zur Stromerzeugung betreiben", sagt Franz Güntner. Ein Vorteil, dachte man früher, weil fließendes Wasser beständiger vorhanden war als Sonnenschein für die Photovoltaik. "Aber wenn die Quellen trocken fallen, wird es auch für Kleinwasserkraftwerke kompliziert."

Die Betreiber reagieren, indem sie Duschen sperren, Wasserspar-Armaturen einbauen, von klassischen WCs auf Trocken-Trenn-Toiletten umrüsten – und manchmal beliebte Hütten-Gerichte von der Speisekarte streichen. "Dann gibt es zum Beispiel keine Kasspatzen mehr. Die brauchen beim Kochen zwar nur wenig Wasser. Aber die käseverkrusteten Pfannen wieder sauber zu bekommen, benötigt dafür umso mehr", sagt Franz Güntner.

Am Watzmann denkt man über neue Wasserleitungen nach – doch das wird teuer

Außerdem versuchen sie, die Gäste zu einem sparsamen Umgang mit dem kostbaren Gut zu animieren. Etwa, indem diese den Wasserhahn beim Zähneputzen nicht laufen lassen oder eine Katzenwäsche vollziehen, anstatt ausgiebig zu duschen (sollte das denn noch möglich sein). Nicht immer sind die Ratschläge von Erfolg gekrönt. "Wir hören, dass nicht jeder Gast dafür Verständnis hat", sagt der DAV-Sprecher. Vor allem, seitdem Wandern zum Trendsport geworden sei, verwechselten manche die Alpenhütten mit ihren begrenzten Ressourcen mit einem vollausgestatteten Hotel im Tal.

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Von dort das kühle Nass auf den Berg zu transportieren, ist nur in seltenen Fällen über Materialbahnen möglich. Leitungen von unten nach oben gibt es hingegen kaum. "Da müsste der Druck ja auch enorm sein", sagt Güntner. Dennoch wird am Watzmann nun genau darüber nachgedacht. Geschätzte Kosten: fast sechs Millionen Euro.

Klimawandel und Erderwärmung treffen die Alpen mit voller Wucht

Doch die Erderwärmung sorgt nicht nur für Wassermangel – sondern immer öfter auch für extreme Wassermengen: Starkregenereignisse und heftigste Gewitter führen dazu, dass Zufahrtswege von Geröll und Muren verschüttet oder Materialseilbahnen beschädigt werden. Ein weiteres Problem: Der Permafrost schmilzt an vielen Stellen der Alpen. Experten gehen davon aus, dass deshalb unter anderem Mitte Juni 100.000 Kubikmeter Gestein vom Südgipfel des Fluchthorn-Massivs bei Galtür in Tirol gestürzt waren, das Gipfelkreuz inklusive.

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Noch seien keine Hütten des DAV durch dieses Phänomen gefährdet, sagt Franz Güntner. "Aber der Klimawandel könnte sich auch in dieser Hinsicht auswirken: dass der schwindende Permafrost sich auf die Fundamente auswirkt und Hütten baufällig werden." Schon jetzt steht fest: Die Erderwärmung trifft die Alpen mit voller Wucht.

Die Null-Grad-Grenze im Winter ist seit 1961 um 300 bis 400 Meter nach oben gewandert. 50 Prozent der Gletscherflächen sind deshalb bereits verschwunden. Und die Prognosen sind alles andere als gut. Bis Ende des Jahrhunderts werden die Alpen eisfrei sein, sagen einige Experten. Wie viele Hütten dann noch betrieben werden können, steht in den Sternen.

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24 Kommentare
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  • Dr. Right am 01.11.2023 06:27 Uhr / Bewertung:

    Schade um unsere Bergwelt. Es ist einfach traurig, den Schnee weichen und die Gletscher abschmelzen zu sehen. Und die Wasserprobleme werden sich auf die dortigen Städte und Dörfer ausweiten. Ohne Schnee kein Wasser. Dann können die für viel Geld Leitungen legen, Wasser liefern lassen oder die Gemeinden müssen halt aussterben.

  • coolman am 31.10.2023 19:39 Uhr / Bewertung:

    Das wird sich auch auf Flüsse auswirken und die Staatsregierung setzt auf ein neues Wasserkraftwerk in der Salzach …

  • Kohlestrom Kolumbien am 31.10.2023 18:03 Uhr / Bewertung:

    Frei nach Robert Habeck, Philosoph, Märchenbuchautor und Heizungsverbotminister. Das Wasser ist nicht weg, es ist halt nur wo anders.

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