Streit im Berchtesgadener Land: Wem gehören die Almen?

Der ehemalige Bürgermeister von Bischofswiesen, Toni Alkofer, erhebt schwere Vorwürfe gegen den Freistaat Bayern. Dieser habe Almbesitzer um ihre Grundstücke gebracht – mit fatalen Folgen für die Bergwelt.
Kilian Pfeiffer |
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Eine Almhütte im Berchtesgadener Land. Um viele dieser Grundstücke gibt es Streit.
Eine Almhütte im Berchtesgadener Land. Um viele dieser Grundstücke gibt es Streit. © IMAGO / imagebroker

Berchtesgaden - Dass so manchem Unrecht getan wird, davon ist Toni Altkofer überzeugt. Die Frage, die für den Alt-Bürgermeister von Bischofswiesen im Raum steht: Wem gehören die Berchtesgadener Almen? Dem Freistaat Bayern wirft er in mehreren Fällen "staatliche Unterschlagung von Almeigentum" vor.

Altkofer, der viele Jahre für eine Freie Wählergemeinschaft im Chefsessel des Rathauses saß, fordert nun Aufklärung. "Sollten im Einzelfall berechtigte Eigentumsansprüche festgestellt werden, werden diese respektiert", antwortet ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums auf Nachfrage.

Almwirtschaft im Berchtesgadener Land geht dramatisch zurück

Im Mittelpunkt steht der Vorwurf, der Freistaat Bayern würde bäuerliches, nachgewiesenes Berchtesgadener Almeigentum aus historischer Zeit nicht anerkennen. Mehrere Berchtesgadener hatten der Staatsregierung Dokumente vorgelegt, die das Eigentum identifizieren sollen, und die Anerkennung desselben verlangt. Die Anträge wurden zurückgewiesen – mit dem Hinweis auf das Grundbuch, in welchem der Freistaat als Eigentümer aufgeführt ist. Eine definitive staatliche Aufarbeitung sei notwendig, fordert Altkofer.

Klar ist: Der Rückgang der Almwirtschaft in und um Berchtesgaden gilt als drastisch. In den vergangenen 150 Jahren sind 1000 Hektar Almflächen und über 250 Almen und Kaser verschwunden. Die Gründe sind vielschichtig. Für Altkofer ist aber klar: "Der Hauptgrund für den Rückgang liegt in der Politik und bei den Behörden."

Eine alte Aufnahme des Reissenkasers am Untersberg. Dessen Eigentumsverhältnisse gelten als ungeklärt.
Eine alte Aufnahme des Reissenkasers am Untersberg. Dessen Eigentumsverhältnisse gelten als ungeklärt. © Kilian Pfeiffer

Ehemaliger Bürgermeister von Bischofswiesen richtet Petition an Landtag in Bayern

Die wesentlichen Ursachen für den Niedergang von Berchtesgadener Almen seien "in der bayerischen Aberkennung des Almeigentums, in den Zwangsablösungen der Kehlstein- und Röthalmen im Dritten Reich sowie in der Negativwirkung des Bayerischen Forstrechtegesetzes zu finden".

Auf Nachfrage zu Altkofers Anschuldigung antwortet das Landwirtschaftsministerium, Altkofer habe im Zusammenhang mit Forstrechten und Almeigentum im Bereich der ehemaligen Fürstpropstei Berchtesgaden bereits eine Petition an den Landtag gerichtet. Die Eingabe wurde im vergangenen Mai im Landwirtschaftsausschuss "behandelt und abgelehnt".

Die Einheimischen versuchen, ihren Anspruch am Almeigentum mit Dokumenten zu belegen

Altkofer interessiert das nur wenig: "Wo sind die Urkunden und Dokumente, die belegen, dass das Land Bayern das besagte Almeigentum ordentlich erworben hätte", fragt er in einem Schreiben an Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU). Im Hintergrund bemühen sich mehrere Einheimische darum, ihren Anspruch an verlorengegangenem Eigentum mit Unterlagen und Dokumenten zu belegen.

Toni Altkofer.
Toni Altkofer. © Kilian Pfeiffer

Sie haben in Archiven geforscht, rechtlichen Beistand eingeholt und wollen ihren Fall aufgearbeitet wissen. Dabei geht es insbesondere um Almen in der Region, die sich – Stand heute – nicht mehr im Bürgereigentum befinden. Hinweise des Freistaates auf das Grundbuch und das Forstrechtskataster seien hinfällig, "weil sie aus späterer Zeit stammen", sagt Toni Altkofer.

Ignoriert werde, dass früher nachgewiesene Eigentumsrechte im Grundbuch nachzutragen seien. Beim Ministerium heißt es: "Das Forstrechtegesetz von 1958 wurde nach jahrelangen Fachdiskussionen unter Beteiligung der Forstberechtigten und unter Berücksichtigung ihrer Interessen beschlossen." Die Forstrechte würden dabei verbindlich als Grunddienstbarkeiten anerkannt.

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Alt-Bürgermeister Toni Alkofer: In Österreich erlischt das Almeigentum nicht

Das Forstrechtegesetz regelt die Sachbehandlung bei "Fragen der Ausübung, Abgewährung und Ablösung von Forstrechten", heißt es. Der Rechtsrahmen für den Umgang mit Rechten, die bereits bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bestanden, ist bundesrechtlich in Bestimmungen des BGB, im Einführungsgesetz zum BGB und landesrechtlich im Ausführungsgesetz zum BGB sowie im Forstrechtegesetz geregelt, teilt ein Sprecher des Ministeriums mit.

Die österreichischen Behörden hätten Almeigentum respektiert, sagt Altkofer. Die Konsequenz: eine enge und unabhängige Verbindung der Almbauern zu ihren Almen. Dass Almeigentum dort erlischt, sei nicht möglich.

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3 Kommentare
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  • Bluto am 20.09.2023 21:21 Uhr / Bewertung:

    Am Ende geht es doch nur darum, dass ein paar Großkopferte mit einer Horde Anwälten durch juristische Winkelzüge noch reicher werden wollen.
    Wenn wir dabei sind: Wer überprüft die Gründe, die vor 200 Jahren zu dem jeweiligen Almbesitz geführt haben?
    Meiner persönlichen Meinung nach wäre die einzig richtige Vorgehensweise, Grund und Boden grundsätzlich nicht in Privatbesitz zu lassen sondern ausschließlich per Erbpacht zu vergeben. Das Land gehört den Bürgern.

  • Sarah-Muc am 20.09.2023 22:36 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Bluto

    Das ist wirklich ein hervorragender Vorschlag! Manche Auswüchse würden so verhindert.

  • Attenkofer media am 20.09.2023 21:09 Uhr / Bewertung:

    Tja, dafür hat man jetzt 70 Jahre lang die CSU gewählt, gell? Aber die Frau Kaniber ist doch so eine Sympathische und der Doktor Söder, der hat doch sogar einen Doktortitel....

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