Luxus-Sause auf Saurüsselalm bei München und Zoff um Tegernseer Bergidyll: "Almen nur noch für Reiche"
Bad Wiessee bei München - Es war dem Vernehmen nach eine rauschende Feier – auf knapp 930 Meter Höhe, mitten im Tegernseer Bergidyll, konnten es sich betuchte Feinschmecker am letzten Juli-Sonntag gut gehen lassen. "Hochgenuss auf der Saurüsselalm", hatten die Betreiber der gleichnamigen Gasthütte versprochen.
Für den stolzen Preis von 249 Euro bekamen Gäste des Luxus-Events deliziöse Gerichte – zubereitet auch von Martin Frühauf, dem ehemaligen Leibkoch von Helmut Kohl. Zu den "genussvollen Kreationen" servierten laut der im besten Werbedeutsch verfassten Einladung "renommierte Winzer passende Weine".
Saurüsselalm-Betreiber Martin Frühauf: "Feier ein voller Erfolg"
Dazu gab es dann auch noch Champagner, Tegernseer Bier und einen idyllischen Blick auf die Alm. Schließlich lockt die Berg-Silhouette Tag für Tag viele Wanderer auf die Alm.
Für eine griabige Atmosphäre sorgte Livemusik – etwa von den "Vier Hinterberger Musikanten". "Alle in Tracht – einfach wunderschön", sagt Saurüsselalm-Betreiber Frühauf der AZ und fügt hinzu: "Unseren Gästen hat die Feier jedenfalls sehr gut gefallen. Ein voller Erfolg".

Angela Brogsitter-Finck hat dagegen kein gutes Wort für die Luxus-Sause. "Wenn das Schule macht, sind unsere Almen bald nur noch für die Reichen da", fürchtet die Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal. Welcher normale Wanderer könne sich denn bitte 249 Euro für einen Hüttenbesuch leisten?, fragt sie im AZ-Gespräch.
Schickeria feiert auf der Saurüsselalm nahe München
Der Vertrag zwischen der Gemeinde und dem Besitzer des Areals sieht vor, dass die fußläufig von Bad Wiessee gelegene Saurüsselalm an sieben Tagen pro Woche almtypische Verpflegung für Bergwanderer anbieten soll und das zu moderaten Preisen. Brogsitter-Finck sieht die, vor dem Kauf durch einen Großgrundbesitzer rein der Landwirtschaft dienende, Alm im Wiesseer Hinterland mittlerweile zweckentfremdet.
Ob Schampus gut eine Autostunde von der Münchner Schickeria entfernt almtypische Verpflegung ist – darüber lässt sich trefflich streiten. Doch Brogsitter-Finck und ihre Mitstreiter stört auch die Häufigkeit der geschlossenen Veranstaltungen. "Andauernd war samstags die Hütte zuletzt wegen Events für geldigeres Publikum für normale Wandrer dicht", kritisiert sie.

Statt normalem Betrieb: Sonderveranstaltungen mit geschlossener Gesellschaft auf der Luxus-Alm
Unstrittig ist: Allein im Juli gab es an drei von fünf Samstagen und an einem Sonntag auf der Saurüsselalm keinen normalen Betrieb in der Hütte, sondern Sonderveranstaltungen mit geschlossener Gesellschaft. Für Wanderer ohne Ticket blieb die Bergwirtschaft deshalb dicht. "Dass wir gleich dreimal hintereinander samstags wegen geschlossener Gesellschaft zu hatten, ist dumm gelaufen und wirklich nicht der Normalfall", entschuldigt sich Starkoch Frühauf.
Prinzipiell sei diese Nutzung jedoch zulässig, sagt Frühauf. Tatsächlich hat das Landratsamt Miesbach 15 Sonderveranstaltungen pro Jahr für geschlossene Gesellschaften erlaubt. Er habe zuletzt auch deshalb mehr Extra-Events hintereinander gemacht, "weil die Menschen im Sommer feiern möchten", so Frühauf.

Kritik an Events auf der Saurüsselalm: "Das bedeutet Stress für die Wildtiere"
Die Kritiker besänftigt diese Argumentation allerdings nicht. Brogsitter-Finck bemängelt, dass es ja "auch bereits in der Vergangenheit eine Vielzahl pompöser Luxus-Events" gegeben habe. Ihr sind auch die Abendveranstaltungen ein Dorn im Auge. "Die Leute müssen später ja auch weder zurück. Das bedeutet Stress für die Wildtiere."
In einem Fall sei bis spät in die Nacht gefeiert worden, sagt Brogsitter-Finck und auch ein Zeuge bestätigt dies. Frühauf betont, die Abendveranstaltungen seien genehmigt. Auch schöpfe er die erlaubte Anzahl noch nicht einmal aus – dazu, ob auch einmal bis in die Nacht gefeiert wurde, äußerte er sich nicht.
Autos missachten die Natur
Streitpunkt ist auch der Transport der Gäste. Frühauf sagt, ein Großteil komme zu Fuß, viele würden auch mit einer Pferde-Kutsche nach oben gebracht. Für die Rückfahrt am späten Abend werden allerdings auch schwarze Vans eingesetzt – damit die Tiere nicht gestört werden.
Brogsitter-Finck nennt es "unsäglich", dass mindestens ein Traktor mit Kutschenwagen sowie ein schwarzes Auto bei einer Feier eine Furt über einen Naturbach durchquert hätten. Entsprechende Fotos, die dies belegen sollen, wurden der AZ zugespielt. Zu diesem Punkt äußerte sich Frühauf nicht.

Er betont, dass man in der Hütte an den regulär sechs Öffnungstagen – Mittwoch ist Ruhetag – stets viele auf der Alm übliche Gerichte wie etwa Käsespätzle, Kaspressknödel und mehrere Sorten von Wurstsalat "zu in der Region üblichen Preisen anbietet". Ohnehin kann er die Aufregung nicht verstehen. "Die Hütte wird doch gut angenommen."
Brogsitter-Finck sagt dagegen: "So wird unsere schöne Heimat zerstört." Auch Lorenz Sanktjohanser, zweiter Vorsitzender des Vereins zum Schutz der Bergwelt, kritisiert in der AZ: "Das hat mit almtypischer Nutzung in einem Landschaftsschutzgebiet überhaupt nichts mehr zu tun." Und: "Das war ein wunderschöner naturbelassener Ort, der nun in einer nicht naturgerechten Art und Weise genutzt wird."
Kritiker beklagen die Zerstörung der bayerischen Heimat nahe München
Die Genehmigung werde genutzt, um eigentlich etwas ganz anderes zu machen, als was auf Almen üblich ist. Für die Natur habe es "sehr negative Folgen, wenn so viele Menschen bis spät in die Nacht dort oben feiern und anschließend ins Tal gefahren werden". Sanktjohanser stört sich auch daran, dass die Almhütte unter dem jetzigen Besitzer, einem Unternehmer aus dem Münchner Umland, kräftig aufgemotzt wurde.
Der Verein zum Schutz der Bergwelt hat gegen die Genehmigung zum Umbau und Umnutzung der Alm geklagt. Von Schwarzbauen war die Rede. 2022 gab das Münchner Verwaltungsgericht in puncto Nutzungsänderung dem Almbesitzer, dessen Firma eine Anfrage unbeantwortet ließ, weitgehend recht – die 15 Sonderveranstaltungen wurden dagegen gestrichen. Doch der Streit ging in die nächste Instanz, weshalb das Urteil noch nicht in Kraft getreten ist.
Landratsamt teilt die Auffassung von Naturschutzvereinen
Sanktjohanser fürchtet einen "Nachahmereffekt". Und weiter: "Das würde zu einer völlig anderen Nutzung der Bergwelt führen. Schon jetzt werden manche Almen zunehmend kommerzialisiert." Das Landratsamt müsse "dem Einhalt gebieten". Tatsächlich gibt es Berichte, dass manche Almbesitzer gerade kräftig die Pacht erhöhen wollen, was den Druck auf deren Betreiber, mehr Geld aus den Hütten zu holen, erhöhen könnte.
Das Landratsamt teilt auf AZ-Anfrage mit: "Wir teilen die Auffassung der Naturschutz-Vereine, dass Events wie die besagte Kochveranstaltung kritisch zu sehen sind." Gerade tagsüber seien diese nicht mit einer klassischen genehmigten Almwirtschaft in Einklang zu bringen. "Daher prüfen wir baurechtliche und gaststättenrechtliche Schritte", sagt eine Sprecherin. Die Behörde sehe es "sehr kritisch, wie der rechtliche Rahmen vom Betreiber strapaziert wird". Eine außergerichtliche Einigung war derweil im Juli gescheitert.
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