Vierseithof in der Hallertau: Entrümpel-Hilfe oder Hausfriedensbruch?

Gegen eine Hausbesetzerin der Aktivistengruppe WDzwo ist Strafbefehl erlassen worden. Den will sie nicht akzeptieren.
Thomas Brandl |
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Der Vierseithof in Wolfersdorf 2 - daher der Name "WDzwo" - steht seit fast zehn Jahren leer.
Der Vierseithof in Wolfersdorf 2 - daher der Name "WDzwo" - steht seit fast zehn Jahren leer. © Thomas Brandl

Au - Es war keine alltägliche Geschichte, die sich in den Frühsommermonaten in der Hallertau abspielte. Die Aktivistengruppe WDzwo aus dem Münchner Raum hatte eine verlassene Hofstelle im Auer Gemeindegebiet (Landkreis Freising) besetzt, um sie vor dem Verfall zu bewahren. Schließlich wurde das Anwesen von der Polizei geräumt und die Hausbesetzung damit beendet. Nun folgt das juristische Nachspiel.

Strafbefehl gegen Hausbesetzerin

Wie die Aktivisten berichten, ist gegen eine Hausbesetzerin Strafbefehl erlassen worden. "Die Aktivistin wird vom Amtsgericht Freising des Hausfriedensbruchs beschuldigt, die auferlegte Geldstrafe beträgt 1500 Euro", heißt es in einer Pressemitteilung von WDzwo.

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Für die Aktivisten ist dies nicht nachvollziehbar, wie Sprecherin Mia Finke deutlich zum Ausdruck bringt: "Das ist absurd. Dass junge Menschen für ihr Engagement kriminalisiert werden, verurteilen wir stark."

Aktivisten: Leerstehender Hof bewohnbar gemacht

Die Aktivisten ordnen ihr Vorgehen anders ein: Sie hätten den leerstehenden Hof aufgeräumt, entrümpelt und begonnen, ihn wieder bewohnbar zu machen. Finke: "Eigentlich sollten sie eine saftige Rechnung für Reinigungs-, Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten an die Nachlassverwaltung und die Erbengemeinschaft stellen können und nicht Strafe dafür zahlen."

Am 10. November soll der Fall in Freising verhandelt werden

Die beschuldigte Aktivistin sieht dies genauso und hat Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, teilt Finke auf AZ-Nachfrage mit. Was die weiteren Entwicklungen betrifft, stehe die Beschuldigte in engem Austausch mit ihrer Anwältin. Schon am 10. November ist nach Angaben des Amtsgerichts Freising ein Verhandlungstermin angesetzt.

Insgesamt waren 15 bis 20 Frauen und Männer an der Hausbesetzung beteiligt, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Ziel sei gewesen, "nicht nur Wohnraum zu schaffen, sondern in den Nebengebäuden der vierseitigen Anlage ein Kultur- und Seminarzentrum entstehen zu lassen". Es sollte ein "offener Ort des kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Austauschs werden, von dem die gesamte Region profitieren sollte", insbesondere Jugendliche.

Während die Erben streiten, wurde der Hof durch Aktivisten hergerichtet 

Der alte Vierseithof in Wolfersdorf 2 steht seit fast zehn Jahren leer. "Der Grund dafür sind scheinbar Uneinigkeiten in der Erbengemeinschaft, die aus über 20 Personen besteht", wollen die Aktivisten herausgefunden haben. Anfang des Jahres hat die Gruppe dann zunächst im Verborgenen begonnen, den Hof herzurichten. Am 4. Juni wurde die Besetzung von den Aktivisten in einem "Coming-out" öffentlich gemacht. "Elf Tage später stellte eine einzelne Erbin plötzlich Strafanzeige und schickte die Polizei vorbei", schildern die Aktivisten in ihrer Mitteilung.

Gruppe macht aufmerksam auf Wohnungsnotstand

Das Haus befände sich aufgrund des jahrelangen Leerstands in einem schlechten Zustand, sagt Finke: "Der gesamte Innenbereich war total verwüstet, und von außen konnte man dem Haus quasi beim Zusammenfallen zusehen."

Gleichzeitig herrsche in vielen Teilen Bayerns Wohnungsnotstand - auch auf dem Land. "Es ist unverantwortlich, dass hier sehenden Auges wertvoller Wohn-, Arbeits- und Lagerraum verkommen gelassen wird. Das konnten wir nicht so hinnehmen."

Nachbarn hätten positiv auf Aktivisten reagiert

Positiv hätten die Nachbarn auf die Aktion reagiert. "Allen ging es sehr nahe, dass der Hof verfällt. Ein Nachbar sagte, dass es früher der schönste Hof der Hallertau gewesen sei. Viele kannten die Vorbesitzerin noch persönlich, es hat ihnen gefallen, dass wir aktiv wurden, und was wir mit dem Ort machten", erzählt Finke.

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Die WDzwo-Aktivisten waren auch nach der Räumung nicht untätig. "Wir haben uns stark darauf konzentriert, Öffentlichkeitsarbeit zu machen und Repressionskosten reinzuholen. Dafür haben wir Soli- und Infoabende in Dachau und München gemacht, die sehr gut ankamen", berichtet Mia Finke.

Es sei auch versucht worden, Erben ausfindig zu machen, aber bisher habe kein Kontakt hergestellt werden können. "Hauptsächlich haben wir uns in den letzten Monaten emotional gesammelt und versucht, die stressige Zeit davor zu verarbeiten. Das dauert seine Zeit."

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12 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • tutnixzursache am 31.10.2022 22:44 Uhr / Bewertung:

    wenn der Preis stimmt verkauft auch eine 20-köpfige Erbengemeinschaft. Und einen Kontakt finden? Grundbuchamt z.B.

  • Der wahre tscharlie am 31.10.2022 16:38 Uhr / Bewertung:

    Finke: "Eigentlich sollten sie eine saftige Rechnung für Reinigungs-, Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten an die Nachlassverwaltung und die Erbengemeinschaft stellen können und nicht Strafe dafür zahlen."

    So seh ich das auch. Denn auf dem Instagram-Account sind die Bilder drin, so wie der Hof vorher aussah, und so, als sie ihn herrichteten.
    Und der Witz ist ja noch, dass von den über 20 Leuten der Erbengemeinschaft genau EINE Person Anzeige erstattet hat. Unabhängig davon, dass auch die Anwohner es gut fanden, dass die "WDzwo" etwas aus dem Hof gemacht haben.

  • Bongo am 01.11.2022 18:52 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    Warum soll die Erbengemeinschaft bezahlen? Haben die etwa einen Auftrag für die Arbeiten erteilt? Das Recht Anzeige zu erstatten, steht jedem betroffenen Mitglied der Erbengemeinschaft zu und was die Anwohner meinen, hat rechtlich kein Gewicht, außer man hat eine so unsinnige Rechtsauffassung wie Du!

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