Vier-Tage-Woche für alle? Das sagen bayerische Unternehmen

Ist eine Vier-Tage-Woche für jeden Job geeignet? Die AZ hat Experten und bayerische Unternehmen gefragt, die sie schon getestet haben. Die Ergebnisse.
Niclas Vaccalluzzo
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Am Donnerstag schon das letzte Feierabendbier öffnen und ins Wochenende starten? Einige Firmen haben es ausprobiert.
Am Donnerstag schon das letzte Feierabendbier öffnen und ins Wochenende starten? Einige Firmen haben es ausprobiert. © imago

München - Es ist noch nicht lange her, da hat die IG-Metall die Einführung der Vier-Tage-Woche gefordert - bei vollem Lohnausgleich. Die Gewerkschaft will damit in die kommende Tarifrunde der Stahlindustrie starten. Und auch Erfahrungen etwa aus Großbritannien sind vielversprechend, wie Pilotprojekte nahelegen (AZ berichtete).

Ist in ganz Deutschland die Vier-Tage-Woche bald realistisch?

Und Deutschland? Wie realistisch ist eine Zukunft, in der die Arbeitswoche dauerhaft um einen Tag verkürzt wird? Die AZ hat nachgefragt. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, die bisherige Arbeitszeit auf vier Tage aufzuteilen oder die allgemeine, wöchentliche Arbeitszeit als Teilzeit (bei entsprechend weniger Bezahlung) zu verkürzen.

Das Münchner IT-Unternehmen Computer Integrated Business (CIB) setzt auf ein Stufenmodell: Ab zwei Jahren Beschäftigung reduziert sich die wöchentliche Arbeitszeit auf 36 Stunden, ab zehn Jahren auf 34 Stunden und ab 15 Jahren auf 32 bei vier Tagen - bei gleichem Gehalt. Die insgesamt rund 150 Mitarbeiter haben seit September 2021 die Möglichkeit, die Vier-Tage-Woche zu nutzen. Dabei können sie sich die Stunden flexibel einteilen.

Vier-Tage-Woche als Reaktion auf Digitalisierung

Ulrich Brandner, Gründer der CIB sei die soziale Frage wichtig gewesen, sagt er der AZ. Er wisse, wie wichtig es ist, mehr Zeit für Privates zu haben. Mit der Vier-Tage-Lösung wolle er seinen Mitarbeitern mehr dieser Zeit gönnen. Außerdem wolle man auf die Veränderungen durch die Digitalisierung frühzeitig reagieren.

Wolfgang Geng
Wolfgang Geng © Bitwings

Antje Bauer, Geschäftsführerin der CIB in München, spricht zudem von der Möglichkeit, auf die immer länger werdende Lebensarbeitszeit einzugehen. Wie bei einem Marathon könne man durch die Reduzierung der momentanen Arbeitskraft diese auf längere Sicht besser verteilen. Um eine optimale Umsetzung dauerhaft zu ermöglichen, setzt man bei CIB auch auf eine wissenschaftliche Begleitung des Projekts durch die Hochschule München.

Gestärktes Wir-Gefühl und optimierte Arbeitsvorgänge

Die Resonanz der Mitarbeiter ist laut Brandner und Bauer "absolut positiv". Bauer sagt, das Projekt stärke das "Wir-Gefühl" im Unternehmen. Zudem sei seit der Einführung eine Dynamik entstanden, in der jeder einzelne Mitarbeiter seine Prozesse hinterfragt und optimiert. Brandner berichtet durch die Reduzierung der Arbeitszeit zwar von einem Effekt auf den Umsatz, dauerhaft erhoffe man sich aber, dass die sozialen Aspekte dies wieder ausgleichen. Ein weiterer Vorteil: Seit der Einführung sei die Bewerberlage im Unternehmen sehr gut.

Antje Bauer
Antje Bauer © CIB

Auch Bernd Fitzenberger, Leiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, sagt auf AZ-Anfrage: "Die Vier-Tage-Woche ist attraktiv für Beschäftigte" - aber auch für Unternehmen. "Betriebe können eine Vier-Tage-Woche als Rekrutierungsinstrument nutzen, um dringend benötigte Beschäftigte zu gewinnen."

In manchen Firmen scheitert das Modell

Allerdings funktioniert das Modell nicht für alle Firmen: Auch die Bitwings GmbH & Co. KG hat die Vier-Tage-Woche im Rahmen eines Pilotprojekts eingeführt. Zunächst für sechs Monate durften die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit auf 38 Stunden in vier Tagen verkürzen. Das Projekt wurde anschließend auf ein Jahr verlängert. Aber: Die IT-Firma aus Neumarkt in der Oberpfalz ist wieder zur Fünf-Tage-Woche zurückgekehrt - zumindest teilweise. Laut Geschäftsführer Wolfgang Geng sprach vor allem das starre System gegen die Weiterführung.

Das Unternehmen hatte sich durch das Pilotprojekt mehr Entlastung für die Mitarbeiter erhofft. Durch die Verteilung der Arbeit auf vier Tage musste ein rollierendes System geschaffen werden, bei dem jeder einen freien Tag pro Woche zusätzlich bekommen hat.

Nicht alle Arbeitsprozesse lassen sich mit Vier-Tage-Woche vereinbaren

Im beruflichen Alltag führte dies dann dazu, dass auf das aktuelle Geschehen im Unternehmen nur sehr unflexibel eingegangen werden konnte. "Wir haben dann eine Befragung der Mitarbeiter durchgeführt", so Geng. "Hier war die Meinung zur Vier-Tage-Woche gespalten." Man habe sich schlussendlich dafür entschieden, nur einige Elemente des Projekts beizubehalten. Jetzt habe man flexible Arbeitszeiten geschaffen, bei denen die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit selbst einteilen und Ausgleichstage erarbeiten können. Die Vier-Tage-Woche bewertet Geng aber grundsätzlich positiv: "Es muss einfach an die Gegebenheiten angepasst werden." Er bestätigt auch, dass sich der Krankenstand im Unternehmen verringert und die Motivation verbessert hat.

Das Thema Flexibilität scheint ein Problem zu sein - das weiß auch Fitzenberger. Er glaube nicht daran, dass sich eine Vier-Tage-Woche als Standard durchsetzen wird, sagt er.

Der Trend geht hin zu flexiblen Arbeitszeiten

Als Bestandteil der künftigen Arbeitswelt sieht Fitzenberger das Modell aber durchaus. "Generell werden wir einen Trend hin zu einer flexibleren Gestaltung der Arbeitszeiten beobachten", sagt er. "Die Vier-Tage-Woche wird ein Teil davon sein."

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Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), wendet sich jedoch strikt gegen eine tarifliche oder gesetzliche Verankerung jeglicher Arbeitszeitmodelle - wie es der IG Metall vorschwebt. "Es muss bei der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit bleiben, welches Arbeitszeitmodell zum Einsatz kommt", sagt Brossardt.

Allgemein halte der vbw eine Vier-Tage-Woche aber für möglich. Es sei allerdings wichtig, auf die Ausgestaltung zu achten: Kürze man die Wochenarbeitszeit selbst um ein Fünftel, führe dies zu einer Verschärfung des Fachkräftemangels. Zudem sei ein gleichbleibender Lohn nicht akzeptabel.

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  • Gelegenheitsleserin am 17.04.2023 14:14 Uhr / Bewertung:

    Der Artikel betrachtet das Thema erstaunlich differenziert.
    Natürlich sind Vier-Tage-Wochen oder flexible Arbeitszeiten nicht allen Bereichen und Berufen möglich und sinnvoll, aber es ist doch eine gute Sache, wenn mehr Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit haben, ihr Arbeitsleben so zu gestalten, dass es besser mit familiären und persönlichen Bedürfnissen kompatibel ist. Das reduziert den Stress und erhöht die Leistungsfähigkeit. Da profitiert auch der Arbeitgeber. Eine echte Win-win-Situation!

  • Sarah-Muc am 16.04.2023 19:42 Uhr / Bewertung:

    Ich kanns nicht mehr lesen - ständig wird unterstelle, dass Andere lieber das Bürgergeld kassieren statt zu arbeiten. Ich kenne niemanden der so ist. Ich steh total auf meine Arbeit und möchte nix geschenkt haben. Allein das Erfolgserlebnis das man doch hie und da hat ist unbeschreiblich .

  • Knoedel am 16.04.2023 22:20 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Sarah-Muc

    Da bin ich ausnahmsweise mal bei dir. Ich finde es mittlerweile auch beschämend das sehr oft auf die sozial Schwächeren draufgehaut wird. Ich weiß auch nicht, warum einige darin ihre Befriedigung suchen. Ist aber mittlerweile usus, das der stärkere den schwächeren demütigen muss. Bei dem momentan anderen Artikel, mit den Polizisten Angriffe eines 13jährigen, geht es auch wieder ins Bürgergeld.

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