Tipps für den Artenschutz: Balkon als Bienenparadies

Nicht nur Politik und Bauern sind beim Artenschutz gefragt, jeder Einzelne kann einen wichtigen Teil dazu beitragen. 
von  Julia Sextl
Verschiedene Küchenkräuter.
Verschiedene Küchenkräuter. © Heiko Wolfraum/dpa

München - Frühling ist’s, und die Pflanzzeit steht an. Dabei sind die Blumen auf Balkonen und in den Gärten nicht nur hübsch anzusehen: "Sie können für Insekten eine Art Tankstellen-Netzwerk bilden, wodurch sie sich ernähren können", sagt Hanno Schäfer, Professor für Biodiversität an der TU in Weihenstephan.

Der 43-Jährige beschäftigt sich intensiv mit den Gründen fürs Insektensterben: "Das Problem fängt ja schon einen Schritt früher an: Wir haben ein Pflanzensterben und dadurch einen Blütenmangel auf unseren Flächen. Dadurch ist sehr viel weniger Nahrung und Lebensraum beispielsweise für Wildbienen vorhanden."

Die Ursache liegt zum einen im Flächenverbrauch, zum anderen in der Intensivierung der Landwirtschaft. Denn durch die Tierhaltung sind Grundwasser und Luft viel stickstoffhaltiger als früher. Auch der Chemieeintrag ist höher. Selbst vor Naturschutzgebieten machen diese Stoffe nicht Halt – transportiert über Wind und Regen. "Das kommt überall runter – und führt dadurch zu einer Aufdüngung der Flächen", sagt Schäfer.

Insekten-Zuflucht in der Stadt

Schätzungen zufolge erhalte die gesamte Bundesrepublik eine komplette Volldüngung pro Jahr. "Das führt dazu, dass sich manche Pflanzen stark entwickeln und andere dann nicht mehr konkurrenzfähig sind." Die Folge: Der Artenreichtum nimmt ab – und damit auch die Lebensgrundlage vieler Insekten. Insbesondere die der rund 600 Wildbienenarten: Diese können nur 50 bis 350 Meter weit fliegen. Sind die Abstände zwischen den Blühflächen zu groß, verhungern sie oder sterben an Schwäche.

Und hier kommen die Städte ins Spiel: Würden alle Bewohner ihre Gärten und Balkone naturverträglich bewirtschaften, könnten gefährdete Wildbienen in den Siedlungen Zuflucht finden und von Balkon zu Balkon fliegen. Ein Teil der negativen Folgen der intensiven Landwirtschaft könnte damit abgepuffert werden. "Städte haben da ein riesen Potenzial", sagt Schäfer. "Aber es müssen halt viele mitmachen. Und das ist schon ein Stückchen schwieriger als nur aufs Rathaus zu gehen und irgendwas zu unterschreiben." Gemeint ist das Volksbegehren zum Artenschutz, für das sich 1.741.017 Menschen in Bayern einsetzten

Welche Pflanzen für Stadtbalkone und Insekten besonders geeignet sind

Küchenkräuter
Weil für Stadtbewohner meist jeder Zentimeter Balkon kostbare Fläche ist, ist der Anbau von Küchenkräutern ideal: Nicht nur zum Kochen sind sie gut, die hübschen Blüten sind für Hummeln eine richtige Leibspeise. Denn bei den sogenannten Lippenblütlern sitzt der Nektar tief in der Blüte. Genau darauf sind Hummeln, die zu den Wildbienen zählen und sehr selten geworden sind, spezialisiert: "Hummeln haben eine ziemlich lange Zunge, bis zu einem Zentimeter lang. Damit saugen sie den Nektar heraus", sagt Schäfer.

Verschiedene Küchenkräuter.
Verschiedene Küchenkräuter. © Heiko Wolfraum/dpa

Für Sonnenbalkone sind beispielsweise Lavendel, Rosmarin, Thymian, Basilikum oder der Echte Salbei gut geeignet. "Die sind alle mehrjährig, man muss sie also nur einmal kaufen", so Schäfer. Damit die Kräuter es durch den Winter schaffen, sollte der Pflanztopf tief genug sein – etwa 50 Zentimeter. "Und man muss natürlich generell darauf achten, dass man die Pflanzen auch wirklich blühen lässt." Für schattigere Balkone eignen sich Minze und Zitronenmelisse.

Lauchgewächse
Schnittlauch – aus der Familie der Lauchgewächse – hingegen wird von Hummeln verschmäht. Denn Nektar und Pollen liegen in den Schnittlauch-Blüten weitgehend frei. "Das mögen dafür Wildbienenarten mit einer kurzen Zunge", sagt Schäfer. Damit sich Blüten entwickeln können, dürfen die Halme nicht komplett zurückgeschnitten werden. Beliebt bei Insekten ist auch Zierlauch, der im Gartencenter erhältlich ist und gelb oder dunkelviolett blüht. Er eignet sich gut für sonnige Orte. Die – preisgünstige und für Schattenbalkone geeignete – Alternative ist Porree aus dem Supermarkt: Pflanzt man diesen im Frühjahr auf dem Balkon, entwickelt sich ein ähnlicher Blütenstand wie beim Zierlauch, nur in Weiß.

Dickblattgewächse
Für gieß-faule Menschen mit Sonnenbalkon sind ganz besonders Pflanzen aus der Familie der Dickblattgewächse geeignet, wie Mauerpfeffer, Hauswurz oder Fetthenne. "Diese Arten haben Blätter, die Wasser speichern können", so Schäfer. Die Blüten wiederum werden sehr gerne von Wollbienen besucht, einer recht selten gewordenen Wildbienengruppe. Wichtig: Dickblattgewächse dürfen nicht in nährstoffreiche, feuchte Standard-Gartenerde eingesetzt werden, sondern brauchen sandig-lehmiges Substrat. Ebenfalls kaum Wasser braucht übrigens der sogenannte Natternkopf.

Beliebt: die Fetthenne.
Beliebt: die Fetthenne. © Andrea Warnecke/dpa/tmn

Glockenblumen
Wild- und Honigbienen lieben Glockenblumen aller Art. Manche Wildbienenarten ernähren sich ausschließlich davon, ohne würden sie aussterben. Die Pflanzen sind in der Regel winterhart und mögen es sonnig bis halbschattig. "Auch hier muss man schauen, dass der Topf tief genug ist, etwa 30 bis 50 Zentimeter, und dass sich das Wasser nicht darin staut." Allgemein gilt: je größer der Pflanztopf, desto besser. "Das ist ähnlich wie bei einem Aquarium: je kleiner das Gefäß, desto schwieriger ist es, ein Gleichgewicht hineinzubringen", so Schäfer.

Korbblütler
Ebenfalls beliebt bei Bienen mit kurzer Zunge sind Korbblütler wie Sonnenblumen (brauchen viel Wasser, auf Südbalkonen vertrocknen sie daher leicht) sowie Kornblumen oder Färberkamillen (mögen es jeweils sonnig und brauchen wenig Platz).

Obststräucher
"Obstbäumchen und -sträucher auf dem Balkon sind aus Bienensicht auch toll", sagt Schäfer. Denn die sogenannten Rosengewächse, darunter Apfel, Kirsche, Himbeere (mögen es nicht zu sonnig), bieten alle recht viel Nektar und Pollen. Johannisbeersträucher oder Stachelbeerbäumchen sind die Nahrungsquelle speziell für Sandbienen. "Die gehen nur darauf", sagt Schäfer. Und mit ein bisschen Glück lässt sich sogar Obst auf dem eigenen Balkon ernten.

Eine Biene auf einer Apfelblüte.
Eine Biene auf einer Apfelblüte. © Roland Weihrauch/dpa

Schmetterlingsblütler
Die Blüten dieser Pflanzenfamilie erinnern an Schmetterlinge – und sind wichtig für bestimmte Bienenarten wie die Blattschneider- oder Holzbienen und Hummeln. Wie beispielsweise die leuchtend rot blühende Feuerbohne, Duftwicken oder Gartenerbsen, die sich ebenfalls gut im Balkonkasten ziehen lassen (mögen es alle schattig bis halbschattig).

Kreuzblütler
Während die unterschiedlichen Insekten alle ähnliche Vorlieben haben wie die Wildbienen, werden Kreuzblütler besonders von Schmetterlingen angeflogen: Gut für Sonnenbalkone eignen sich Blaukissen und Steinkraut. Goldlack mag es schattig.

Diese Pflanzen sind für Insekten nicht geeignet

Bestimmte Pflanzen sind für Insekten wertlos, wie beispielsweise Fackellilien, Geranien oder Petunien. "Bei denen sitzt der Nektar so tief drin, dass die Insekten nicht rankommen", sagt Schäfer. Auch Fuchsien oder Zuchtrosen werden von Bienen nicht angeflogen. Schäfer: "Alle Blüten, die der Gärtner als ,gefüllte Blüten’ bezeichnet, sind für Insekten ungeeignet."

Runder Tisch am Montag

Der Runde Tisch zum Thema Artenvielfalt, den Ministerpräsident Markus Söder (CSU) unter dem Eindruck des Rekord-Volksbegehrens "Rettet die Bienen" einberufen hat, wird heute Nachmittag zum zweiten Mal in großer Runde zusammenkommen. Mit dabei sind nach Mitteilung der Staatskanzlei wieder Vertreter der Staatsregierung, die Initiatoren des Volksbegehrens und betroffene Verbände.

Ziel des Runden Tisches, der vom ehemaligen Landtagspräsidenten Alois Glück (CSU) geleitet wird, ist es, einen Kompromiss zwischen allen Beteiligten zu finden – auf der einen Seite vor allem die Initiatoren des Volksbegehrens, auf der anderen Seite vor allem der Bauernverband. Das Volksbegehren "Rettet die Bienen" hatten im Februar 18,3 Prozent der Wahlberechtigten im Freistaat unterschrieben und es damit zum erfolgreichsten in der Geschichte des Freistaats gemacht.

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