Tegernseer Tal: Das Altersheim für Wohlhabende

Eine Studie zeigt, wie der Zuzug das Tegernseer Tal verändert. Was Experten befürchten und was Zuagroaste an ihrer neuen Heimat schätzen, ist amüsant und alarmierend zugleich.
Ruth Schormann |
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Ausflügler sitzen an der Uferpromenade des Tegernsees. Perfekte bayerische Voralpen-Idylle.
Lukas Barth/dpa Ausflügler sitzen an der Uferpromenade des Tegernsees. Perfekte bayerische Voralpen-Idylle.

Vor der Tür das tiefblaue glitzernde Wasser, dahinter die Berge mit weißen Gipfeln, die in den wolkenlosen Himmel ragen. Hier ein Segelboot, in der Ferne ein spitzer Kirchturm, die Wälder, die Wiesen und so viel Sonne: Der Tegernsee wirkt, als hätte Gott ihn selbst gemalt.

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Diese Idylle lockt vor allem die, die hier nicht hingeboren wurden: die Zuagroastn. "Wir brauchen sie, aber wir wollen sie nicht immer", beschreibt ein Ansässiger das Verhältnis zwischen original Tegernseern und Preißn in einer Studie von Cindy Rabe. Darin bewerten Einheimische und Zugezogene ihre Situation – inklusive der negativen Konsequenzen. Und sie finden deutliche Worte:

Lebensqualität:
"Wenn ich auf meinem Balkon stehe und mit einem Weißbier über den See schaue, dann ist das schöner als an der tschechischen Grenze auf einen Wohnblock zu schauen."

Sie wollen ihre Lebensqualität verbessern, das steht für viele an erster Stelle. Das Leben in der Region gilt als sicher und beschaulich, Erholungsmöglichkeiten gibt es direkt vor der Haustür.

Rückzug:
Mit zu vielen Fremden muss man sich im Tegernseer Tal auch nicht arrangieren: "Das Tegernseer Tal ist auch ein Refugium, um sich von der Globalisierung zurückzuziehen. Trachtenjacke, Lederhose, Waldfeste, Tallage, auch die Begrenztheit ist sehr wichtig für die Leute." Und sie ist prestigeträchtig: "Es [ist] einfach schick, auch dabei zu sein. Man fühlt sich reicher, weil auch die anderen Reichen da sind."

Demografie:
"Die Geburtenzahlen sind sehr niedrig, Tegernsee zehn Kinder, Rottach 15 Kinder – insgesamt im Jahr. Das ist völlig desaströs. Gleichzeitig hat man einen Altersschnitt von über 50 Jahren. Wer hier zuwandert, ist klar, das sind die Alten."

Wirtschaft:
"Die Älteren haben keinen Einfluss, außer dass sie Pflegepersonal brauchen. Die sorgen eher für Arbeit: Gartenpflege, Handwerker, Frisöre, Physiotherapeuten, Fußpflege und Pflegedienste, die ins Haus kommen. Die Zuwanderer schaffen Stellen und die Zuwanderer im Tourismusbereich füllen Stellen aus, die kein an- derer ausfüllt." Damit meint der Experte meist jüngere Zuwanderer aus dem Ausland, die saisonal bedingte Jobs etwa in Gastronomie übernehmen.

Immobilien:
"Warum soll man eine Wohnung billig an das Kind vom Nachbarn vermieten, wenn man es auch teuer an einen Zugewanderten vermieten kann?" Es werden vor allem Luxuswohnungen gebaut, die sich die Einheimischen nicht leisten können – aber sie spekulieren damit: "Sie können davon ausgehen, dass eine Immobilie am Tegernsee im Jahr 15 bis 20 Prozent mehr wert wird, je nach Lage. Wenn Sie vom Dachfenster aus den See sehen können, können Sie schon mal satte 10 Prozent draufschlagen. [...] Sie können hier eine Hundehütte vergolden, wenn Sie wollen."

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Dass es in Rottach und Tegernsee viele Zweitwohnungen gibt, die nur wochenweise belegt sind, sehen die Alteingesessenen zwiespältig. "Wir haben keinen Neubürgerbegrüßungstag, aber dafür bekommt man eine Ehrung, wenn man zum 20. Mal hier zu Gast ist."

Die Zukunft der Gemeinden hängt davon ab, ob sie den Zuzug junger Familien fördern, um attraktiv und dynamisch zu bleiben. Wenn nicht "wird die Region ein Altersheim für Wohlhabende", so schreibt Rabe.     


Die Studie "Zuwanderung in das Tegernseer Tal" erschien am Institut für interdisziplinäre Gebirgsforschung Innsbruck.

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