Tattoo statt Organspendeausweis: Dieses Motiv hilft Leben zu retten
München – Es gibt angenehmere Situationen, bestimmt auch für Thomas Zöller: Umringt von Reportern und mit Mikrofonen verkabelt, sitzt der Patientenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung auf einer Liege im Hola Papaya Tattoo Atelier und lässt sich von Inhaberin Peshy zwei halbe plus einen ganzen Kreis in den rechten Oberarm stechen. Ob es weh tut? "Nein", sagt der Freie-Wähler-Politiker, "aber man merkt es schon."
Zöller ist nicht der einzige Landtagsabgeordnete, der sich an diesem Mittwoch "nadeln" lässt. Vor ihm war bereits die Grüne Stefanie Schuhknecht an der Reihe, Andrea Behr von der CSU hat den nächsten Termin. Sechs weitere Freie Wähler machen ebenfalls mit. Wobei eigentlich?
Bei "der großen Tattoo-Aktion der demokratischen Parteien im Landtag", wie Zöller sagt. Einer Aktion, mit der auf das Thema Organspende aufmerksam gemacht werden soll.

Opt.Ink: Das Zeichen und seine Bedeutung
Das Zeichen, das sich die Parlamentarier – wie im Mai bereits einige Bundestagsabgeordnete – stechen lassen, heißt Opt.Ink und soll ihre Bereitschaft zur Organspende verdeutlichen. Die Idee dafür stammt von dem Verein Junge Helden, der sich seit 20 Jahren um Aufklärung besonders bei jungen Menschen bemüht.
"In der Einverständniserklärung, die man vor dem Stechen eines Tattoos im Studio ohnehin unterschreiben muss, ist ein Passus integriert, dass das Tattoo bedeutet, dass man Organe spenden möchte", sagt Anna Barbara Sum von Junge Helden. Ein Exemplar verbleibe mit Datum und Unterschrift beim Tätowierer, "ein zweites liegt dann zu Hause und gilt wie der Organspendeausweis selbst".
Zöller: "Wir brauchen einfach mehr Organ-Spender"
Deutschlandweit unterstützen demnach rund 700 Studios diese Aktion, indem sie das Symbol kostenlos tätowieren. Die bayerischen Landtagsabgeordneten geben laut Zöller jedoch jeder 100 Euro.
Was auffällt: Politiker von SPD und AfD trifft man an diesem Morgen in der Buttermelcherstraße nicht. Das sei keine politische Aussage, heißt es aus der Fraktion der Sozialdemokraten. Schuld seien schlicht Terminprobleme.
Die Rechtspopulisten wiederum hat Zöller gar nicht eingeladen. Mit keinem der Abgeordneten habe er je ein sinnvolles Gespräch hinbekommen und da die Aktion außerhalb des Landtages stattfinde, könne er einladen, wen er wolle, findet er.
Doch zurück zum eigentlichen Thema. "Wir brauchen einfach mehr Spender-Organe", sagt Zöller. Allein in Bayern warteten rund 1200 Menschen auf eine neue Niere, ein Herz oder eine Leber. Doch zwischen Januar und September 2024 habe es nur 118 postmortale Spenderinnen und Spender gegeben, 370 Organe wurden transplantiert.

Bundesweit sieht es nicht besser aus: Mehr als 8000 schwer kranke Menschen stehen auf der Warteliste, 714 postmortale Spender gab es in den ersten neun Monaten des Jahres, 2314 Organe wurden transplantiert.
Zöller, der selbst seit 1997 einen Organspende-Ausweis bei sich trägt, hofft auf eine Trendwende durch die Widerspruchslösung – zumindest fürs Erste. Das heißt, dass zunächst alle als Spender gelten sollen – es sei denn, man widerspricht. Derzeit sind Organentnahmen nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt.
Was an diesem Novembermorgen unsichtbar bleibt
Auf lange Sicht wünscht sich der bayerische Patientenbeauftragte jedoch, dass die Menschen regelmäßig über das Thema informiert werden und, zum Beispiel gemeinsam mit dem Hausarzt, eine Entscheidung treffen.
Aufklären möchte Zöller gerne auch selbst. Deshalb hat er für das Tattoo eine Stelle ausgesucht, an der es gut sichtbar ist (die teilnehmenden Damen wählten übrigens überwiegend den Knöchel), und hofft nun, möglichst oft darauf angesprochen zu werden. Er kenne viele ergreifende Geschichten von Menschen, die dank Spender-Organ weiterleben können. "Diese Geschichten möchte ich erzählen."
Was an diesem kühlen Novembertag unsichtbar bleibt: Das Opt.Ink ist bereits Thomas Zöllers zweites Tattoo. Auf der Wade trägt er eine fliegende Taube und die Jahreszahl 2012 – eine Erinnerung an einen doppelten Erfolg bei der Europameisterschaft der Rasse-Taubenzüchter.