Die fiese Masche der Automatensprenger

Der „Überfall der Moderne“ ist lukrativ – daher jagen Banden immer öfter Automaten in die Luft. Nun konnte die Polizei mehre Täter festnehmen.
von  Ruth Schormann
Ein gesprengter Geldautomat ist in einem Bankgebäude zu sehen. (Archivbild)
Ein gesprengter Geldautomat ist in einem Bankgebäude zu sehen. (Archivbild) © René Priebe/dpa/Symbolbild

Bankfiliale, platzieren sekundenschnell Sprengstoff an einem der grauen Kästen, ziehen sich zurück und mit einem riesigen Knall sind der Automat und meist auch der gesamte Raum Geschichte.
Nach drei, vier Minuten, der Rauch ist noch nicht mal ganz verzogen, ist der Anschlag vorbei und die Täter mit ihrer fetten Beute über alle Berge. So laufen Geldautomatensprengungen ab, von denen es in Deutschland und Bayern immer mehr gibt.

Über 50 Geldautomatensprengungen ordnen die Landeskriminalämter (LKA) Bayern und Baden-Württemberg einer niederländischen Tätergruppe zu, von der nun neun Männer im Alter zwischen 25 und 41 Jahren in den Niederlanden festgenommen werden konnten. Darüber informierten Staatsanwaltschaft Bamberg, Landeskriminalämter, Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) gestern.

Gruppe erbeutete durch Sprengungen 5,2 Millionen Euro

Kriminaloberrat Jürgen Harle gab Einblicke in die Ermittlungen: Seit November 2021 ermittelte das Bayerische LKA gegen eine Gruppe, die nicht nur für einen Sachschaden von 6,5 Millionen Euro durch Sprengungen vorwiegend in Bayern und Baden-Württemberg verantwortlich seien, sondern bei über 50 solcher Anschläge auch 5,2 Millionen Euro Beute eingestrichen haben soll. Nachdem 13 beteiligte Personen identifiziert werden konnten, seien nun zwölf Haftbefehle erwirkt worden. Neun davon konnten am Montag vollzogen werden, nach drei Männern werde international gefahndet.

Bis auf einen Täter, der in Belgien lebt, haben alle ihren Wohnsitz in den Niederlanden und teils mehrere Staatsbürgerschaften. Am Montag hatten die Beamten in Zusammenarbeit mit der dortigen Polizei 16 Gebäude durchsucht. Dabei wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, darunter zwei hochmotorisierte Fluchtfahrzeuge, diverse Tatwerkzeuge und Bargeld in sechsstelliger Höhe sowie neun Sprengstoffpakete.

Großangelegte Razzia sollte abschrecken

„Wir gehen davon aus, dass die Täter bereits weitere derartige Taten geplant haben“, so Harle. Doch mit den Festnahmen ist dem Verbrechen rund um Bankomaten längst kein Ende bereitet. „Aus Ermittlersicht stellt die Festnahme und Durchsuchung einen enorm wichtigen Zwischenschritt dar, aber bei weitem nicht das Ende der Ermittlungen“, sagt Harle.

Täter und Zeugen müssten jetzt vernommen werden. „Natürlich hoffen wir, dass die Aktion abschreckend auf potenzielle Täter wirkt“, so Harle über die großangelegte Razzia, an der über 200 Polizisten beteiligt waren.

Auch Innenminister Joachim Herrmann hob hervor, dass Erfahrungen zeigen, „dass Lücken in den Reihen der Täter rasch aufgefüllt werden“. Er ging daher, ebenso wie Bayerns LKA-Präsident Harald Pickert, auch auf die immense Bedeutung der Prävention ein. Die Banken müssten hier mehr tun, machten die Vertreter von Polizei und Justiz gestern deutlich.

„Es sind dringend stärkere Vorkehrungen nötig“

Pickert sagte: „Wir haben regelmäßige Gesprächsrunden mit den Banken und Verbänden und arbeiten sehr eng zusammen, weil der beste Weg, so etwas zu verhindern, natürlich eine bessere Sicherung der Geldautomaten ist.“ Bereits kommende Woche werde man erneut versuchen, darauf hinzuwirken, „dass die Banken und Institute noch mehr tun, um die Automaten zu sichern“.

Der AZ sagte Eva Mang vom Sparkassenverband Bayern vor Kurzem, wie ein Geldautomat gesichert werde, sei abhängig von der jeweiligen Sparkasse vor Ort und dem Standort des Automaten.
Laut Herrmann hätten Einfärbe- und Klebesysteme großes Potenzial, Täter abzuhalten, ebenso könnte darüber nachgedacht werden, Bargeldbestände in den Automaten zu reduzieren. „Stärkere Vorkehrungen sind zwingend notwendig in Deutschland. Auch Bankenwirtschaft und Automatenhersteller sind in der Verantwortung, es den Tätern so schwer wie möglich zu machen“, so Herrmann.

Dass die Tätergruppe in den Niederlanden sitzt, kommt nicht von ungefähr: Dort ging es einst los mit den Sprengungen, doch das Nachbarland hat aufgerüstet und es den Tätern schwer gemacht – deswegen weichen sie mittlerweile nach Deutschland aus.

Automatensprenger gefährden auch Unbeteiligte

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich sagte, das Sprengen von Geldautomaten sei „der Banküberfall der Moderne“. Seit 1995 gebe es um 70 Prozent weniger Bankniederlassungen, aber ein Vielfaches mehr an Automaten. Und somit immer weniger Banküberfälle, aber immer mehr Sprengungen. 37 waren es im vergangenen Jahr allein in Bayern – ein Rekord.

Die bayerische Justiz verfolge die Automatensprenger konsequent, die zum Teil Unbeteiligte gefährden. So mussten beispielsweise nach einer Sprengung im November 2022 in Essenbach bei Landshut in einem nicht rein gewerblich genutzten, sondern auch bewohnten Haus zwei Frauen ärztlich behandelt werden. Teils werde daher auch wegen versuchten Mordes oder gefährlicher Körperverletzung ermittelt, führte der Leitende Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb aus Bamberg aus.

Im Jahr 2022 ging es Schlag auf Schlag 

Er zählte einige der Taten auf, die den nun Festgenommenen, die in spätestens drei Monaten nach Deutschland ausgeliefert worden sein sollen, zugerechnet werden: Im November 2021 ging es los mit Sprengungen im Landkreis Memmingen. 287.000 Euro Bargeld konnten die Täter, die stets Festsprengstoffe verwenden, erbeuten. Lieb nannte auch Dasing, Memmingen, Augsburg und den Landkreis Bamberg als Tatorte.

Das ganze Jahr 2022 über ging es „Schlag auf Schlag weiter“, sagte Lieb. „Die letzte Sprengung fand heute vor zwei Wochen im Unterallgäu bei der Sparkasse Erkheim statt. Die Täter waren mit einem Audi RS6 mit 600 PS unterwegs, den sie als Tat- und Fluchtfahrzeug nutzten.“ Auch dieser wurde sichergestellt. Die Auswertung, auch von Videomaterial von den Taten, führte dann zu den niederländischen Tätern, „die zweifelsohne der organisierten Kriminalität zuzuordnen sind“.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.