Immer öfter Geldautomatensprenger in Bayern: "Extrem rücksichtslos"
Sie sind schnell, sie sind eingespielt, skrupellos, dreist - und sehr erfolgreich: Geldautomatensprenger machen nicht nur dem Landeskriminalamt (LKA) das Leben schwer.
Zwar verschwinden auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen immer mehr Bankfilialen und damit auch Geldautomaten auf dem Land, doch dort, wo noch welche stehen, sind sie alles andere als sicher: Immer öfter werden sie zum Ziel Krimineller, immer öfter gelingt es den Verbrechern, durch Sprengungen an Bares zu kommen. Und nahezu immer kommen die Täter davon, muss Fabian Puchelt, Kriminalhauptmeister beim LKA in München, im Gespräch mit der AZ zugeben.
Geldautomatensprenger: Immer mehr Fälle in Bayern
Das Jahr war noch keine zehn Tage alt, da flog ein Automat in Aschaffenburg in die Luft, davor einer in Odelzhausen. Auch in Bayern nehmen die Fälle stark zu. Laut Puchelt registrierte das Landeskriminalamt im Freistaat im vergangenen Jahr 37 Fälle. 2023 gab es bisher einen - aber er wird nicht der letzte gewesen sein. Puchelt gibt unumwunden zu, dass es fürs LKA alles andere als gut läuft, was die Aufklärung dieser Delikte angeht: "Leider Gottes hatten wir letztes Jahr keine einzige Festnahme."
Obwohl eng mit Kollegen aus anderen Bundesländern und auch aus den Niederlanden zusammengearbeitet werde. Dort vermutet das LKA den Ursprung der Tätergruppe, die hierzulande aktiv ist, dort habe es früher schon solche Attacken gegeben, doch im Nachbarland sind die Automaten mittlerweile besser gesichert, sagt der Polizist.
Die Banken dort haben neuralgische Automaten geschlossen und die verbleibenden mit Vernebelungsanlagen oder Klebepatronen bestückt, sodass die Täter ins Ausland abgewandert sind. Die Täter weichen daher nach Deutschland aus, denn hierzulande sind die Automaten zumindest noch nicht flächendeckend so ausgerüstet. "Das ist natürlich mit Kosten verbunden", sagt Puchelt. Mit Kosten zwischen 5000 und 25000 Euro pro Automat rechnet Eva Mang, Pressesprecherin des Sparkassenverbands Bayern, beispielsweise. Je nach bisheriger Ausstattung und Standort.
Automatensprenger kennen die Schwachstellen, haben Erfahrung
In den Fokus der Verbrecher geraten Geldautomaten in ganz Deutschland, weiß Puchelt, nicht nur in Bayern - auch in NRW und Hessen schlagen sie häufig zu. Besonders abgesehen haben die Täter es freilich auf solche Automaten, die auf dem Land, aber verkehrsgünstig liegen, um nach der Tat möglichst schnell wieder weg zu kommen.
"Der Automat am Stachus ist eher uninteressant, weil ein großes Risiko besteht, entdeckt zu werden": Die Täter verfügten laut Puchelt über Erfahrungswerte, kennen Schwachstellen und sprengen oft und gerne Automaten der Sparkasse, "was aber auch daran liegen kann, dass sie in ländlichen Regionen besonders stark vertreten ist", vermutet der Polizist.
61 Sparkassen gibt es von Aschaffenburg bis Garmisch im ganzen Freistaat - die 3406 Automaten betreiben. 2019 waren es noch 3599. Eva Mang sagt der AZ, jede Maßnahme sei von der jeweiligen Sparkasse und dem Standort des Automaten abhängig. Natürlich würden dort auch Vernebelungs- oder Färbesysteme eingebaut. Teilweise sind Automaten nachts aus Präventionsgründen nicht mehr zugänglich. Das sagt auch Burkhard Rüdiger, stellvertretender Pressesprecher des Genossenschaftsverbands (GVB) Bayern.
Abwehrmaßnahmen: Jede Bank entscheidet selbst
Es gibt viele Maßnahmen – die aber nicht flächendeckend eingesetzt werden, so Mang. Jede Sparkasse entscheide selbst, was sie unternimmt. Bald würden die Vorkehrungen aber verschärft, wenn Ergebnisse einer umfangreichen Risikoanalyse gemeinsam mit dem LKA vorliegen, so die Sprecherin. Freilich wollen die Banken auch nicht preisgeben, wie sie sich schützen, wie eine AZ-Anfrage bei der VR-Bank München-Land zeigt.
Die Täter gehen jedenfalls "extrem rücksichtslos" vor, wie Puchelt sagt. Sprengten sie früher noch mit einem Gasgemisch, das in die Innenräume eingeleitet wurde, setzen die Kriminellen mittlerweile auf Festsprengstoff - und damit sprengen sie, meist in den frühen Morgenstunden, "einfach die Tür weg", sagt Puchelt. So eine wiege 50, 60 Kilo "und wir haben sie schon 30 Meter weit weg auf der anderen Straßenseite gefunden", verdeutlicht der Polizist die enorme Wucht.
Wohnen Menschen im selben Gebäude, nehmen die Täter deren Verletzung oder gar deren Tod billigend in Kauf. So weit ist es bislang glücklicherweise aber nicht gekommen.
Warum ist es so schwer, die Geldräuber zu schnappen? Sie sind extrem schnell, fahren hochmotorisierte Autos und haben keinerlei Bezug zur Region, fasst Puchelt zusammen. Und die Überwachungskameras? "Die Täter tragen Kapuzen oder Sturmhauben, da erkennt man nichts mehr vom Gesicht. Sie sind recht dreist", sagt er.