Tag der Entscheidung naht: Wird Schloss Neuschwanstein zum Weltkulturerbe?
Schwangau - Es ist das bayerische Wahrzeichen schlechthin: das Schloss Neuschwanstein. Doch anders als weniger bekannte Sehenswürdigkeiten im Freistaat wie die Wallfahrtskirche auf der Wies in Steingaden oder das Bayreuther Opernhaus wird das Juwel im Ostallgäu ebenso wie die anderen Königsschlösser im Freistaat bislang nicht von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannt.
Geht es nach der Staatsregierung, soll sich dies möglichst bald ändern. Im Jahr 2015 wurde der bayerische Schlösser-Antrag offiziell bei der Unesco in Paris auf den Weg gebracht. Neuschwanstein ist das Aushängeschild des Welterbe-Vorschlags "Gebaute Träume". Doch auch die Schlösser Linderhof und Herrenchiemsee sowie das Königshaus am Schachen sind in dem Paket für die Jury enthalten. Der Antragstext und der Managementplan sind fertig. Sie sollen am 30. September zur Vorprüfung eingereicht werden.
Kulturerbe Neuschwanstein? Anwohner fürchten noch mehr Tourismus
Der finale Antrag ist für den 1. Februar nächsten Jahres geplant, mit der Entscheidung des Welterbekomitees wird im Sommer 2025 gerechnet. Doch ein kleiner Ort könnte den hochtrabenden Plänen des Freistaats, dass die Märchenschlösser sich bald zwischen den Pyramiden von Gizeh und dem Kölner Dom einreihen können, noch verhindern: In Schwangau unweit des Schlosses Neuschwanstein fürchten manche Einheimische einen Unesco-Titel wie der Teufel das Weihwasser.
Die Gegner der Jahrhundert-Bewerbung wollen nicht noch mehr Touristen in ihrer Region. Einheimische würden den Kritikern zufolge schon jetzt kaum mehr einen Platz in der Gastwirtschaft bekommen. Zudem seien die Baupreise explodiert und die Landschaft werde zunehmend verschandelt. Wegen vielfältiger Bedenken sah sich der Gemeinderat außerstande, einen Beschluss zu fassen.
Wird Neuschwanstein UNESCO-Weltkulturerbe? Bürgerentscheid soll Klarheit bringen
Stattdessen setzten die Räte einen Bürgerentscheid für diesen Sonntag, 18. Juni, an. "Der Entscheid ist gelebte direkte Demokratie", sagt der Schwangauer Bürgermeister Stefan Rinke der AZ. Der CSU-Mann betont: "Ich bin davon überzeugt, dass sich eine klare Mehrheit zu unserem Schloss und seinem Schutz bekennt."
Eifrig rührten vor allem die Befürworter bis zuletzt die Werbetrommel. Für Maria Rita Zinnecker, Landrätin des Ostallgäus, ist klar: "Neuschwanstein ist ein Aushängeschild für unser Ostallgäu und hätte diese Welterbe-Auszeichnung natürlich völlig verdient."
Gefährdet der Mord nahe Neuschwanstein die Welterbe-Bewerbung?
Ob der mutmaßliche Mord an der Marienbrücke nahe Neuschwanstein Einfluss auf den Ausgang des Referendums hat, ist unklar. Im Ort fürchten dies manche.
Allerdings ist es nicht gerade so, dass das Ostallgäu, falls mehr Touristen kämen, zur Bronx werden würde. Ohnehin betonen Befürworter der Bewerbung um den Weltkulturerbe-Titel ein ums andere Mal, dass der Unesco-Titel ja eben gerade nicht mehr Besucher im Ostallgäu bedeute.
Auch Zinnecker hofft, dass mit der Auszeichnung wie vom Freistaat erwartet, "eine Möglichkeit zur qualitativen Aufwertung und Besucherlenkung einhergeht. Die CSU-Politikerin sagt der AZ: "Dies wäre aus meiner Sicht gerade für die touristische Hotspot-Region ein Nutzen und würde sich mit unserem Bestreben zur Entschleunigung decken." Klar sei: "Die Belange der Menschen vor Ort müssen jederzeit berücksichtigt werden."
Weltkulturerbe-Titel verpflichtet dazu, das Schloss Neuschwanstein zu bewahren
Auch der Würzburger Unesco-Lehrstuhlinhaber Kurt Luger versicherte den Schwangauern bei einer Infoveranstaltung, dass der Welterbetitel dazu verpflichte, das Schloss zu bewahren. In Würzburg etwa wurde auch deshalb keine Shopping-Center vor die Residenz gesetzt, weil diese Weltkulturerbe ist.
Die Staatsregierung blickt zuversichtlich auf Sonntag. Kunstminister Markus Blume (CSU) ist überzeugt: "Die Ernennung zum Unesco-Welterbe wäre eine verdiente Anerkennung für diese einmaligen Sehnsuchtsorte und Denkmäler von Weltrang." Bayern habe "die großartige Chance, das kulturelle Erbe von Ludwig II. in den Rang eines Welterbes zu erheben".
Grüne sind skeptisch: "Unsere Schlösser sind auch ohne Titel weltberühmt"
Nicht ganz so euphorisch sind dagegen die Grünen über das Jahrhundertprojekt. Der Vorsitzende der Landtagsfraktion, Ludwig Hartmann, sagt der AZ: "Unsere bayerischen Königsschlösser sind zurecht schon jetzt weltberühmt – unabhängig davon, ob sie Weltkulturerbe sind oder nicht." Er kritisiert, dass die Staatsregierung ihr Versprechen, "Besucher an touristischen Hotspots besser und verträglicher für Menschen und Natur vor Ort zu lenken, bisher sträflich vernachlässigt hat".
Für Hartmann ist klar: "Dieses Versagen speist die Skepsis der Menschen vor Ort. Das verstehe ich gut." Am Sonntag werde sich zeigen, "welchen Weg sich die Bürgerinnen und Bürger Schwangaus für ihre Königsschlösser wünschen". Auf Nachfrage sagt aber auch Hartmann, dass er sich über ein weiteres Unesco-Kulturerbe in Bayern freuen würde.
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