Swetlana Tichanowskaja: Löwin im Landtag

Besonderer Besuch: Die belarussische Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja berichtet von der Lage in ihrer Heimat und ruft Europa dazu auf, den Druck auf das Lukaschenko-Regime weiter zu erhöhen.
Natalie Kettinger
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Nach dem Hintergrundgespräch verfolgt Swetlana Tichanowskaja von der Ehrentribüne aus die Debatte im Plenarsaal.
Nach dem Hintergrundgespräch verfolgt Swetlana Tichanowskaja von der Ehrentribüne aus die Debatte im Plenarsaal. © Rolf Poss/Bayr. Landtag

München - Ihr Mann sitzt aufgrund fragwürdiger Vorwürfe im Gefängnis, ihr selbst wurde der Sieg bei der Präsidentschaftswahl im August 2020 gestohlen. Sie musste mit ihren beiden Kindern ins Exil nach Litauen fliehen - und gibt dennoch nicht auf: "Es ist schwer, aber wir werden diese Situation bewältigen", sagt Swetlana Tichanowskaja, das Gesicht der belarussischen Oppositionsbewegung.

Swetlana Tichanowskaja: "Die Leute leben in Angst"

Auf Initiative der SPD-Fraktion war die 39-Jährige am Dienstag zu Gast im Bayerischen Landtag, wurde dort auch von Parlamentspräsidentin Ilse Aigner und Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU) empfangen.

Im Hintergrundgespräch mit den Sozialdemokraten Florian von Brunn und Markus Rinderspacher erzählt sie von der Lage in ihrem Heimatland: Seit der Präsidentschaftswahl - zu deren Sieger sich einmal mehr der autokratische Langzeitherrscher Alexander Lukaschenko erklärt hatte - seien mehr als 50.000 Menschen festgenommen worden.

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Aktuell gebe es 907 anerkannte politische Gefangene, mehr als 3.000 Menschen säßen aus politischen Gründen in den Haftanstalten. "Die Leute leben in Angst", sagt Tichanowskaja. "Alles kann Anlass für eine Verhaftung sein - egal, ob jemand demonstriert hat oder Socken der falschen Farbe trägt."

Trotz der Repressionen, der Schließung von Medienhäusern und mehr als 200 Nichtregierungsorganisationen hätten die Belarussen aber nicht aufgehört aufzubegehren. Derzeit liefen Vorbereitungen für einen Nationalstreik. Etwa 300 Exilanten unterstützten die Bewegung aus dem Ausland.

Swetlana Tichanowskaja: Das wünscht sie sich von Europa

Der Druck auf das Regime wachse: "Innen wird er nicht weniger und außen haben sich die demokratischen Länder gegen ihn zusammengeschlossen."

Laut Umfragen unterstützten 65 Prozent der Belarussen die von der EU und den USA verhängten Sanktionen gegen ihr Land, weil sie gegen die Eliten und die korrupten Strukturen gerichtet seien: "Die Leute leiden unter Gewalt und Gesetzlosigkeit. Deshalb sind sie bereit, gewisse Entbehrungen in Kauf zu nehmen." Entlastend komme hinzu, dass die Löhne in den staatlichen Betrieben erhöht worden seien - "aus Angst vor Streiks".

Was sie sich von Europa wünsche, will Markus Rinderspacher wissen. Den Druck auf Lukaschenko durch Sanktionen weiter zu erhöhen, die wirtschaftlichen Beziehungen kritisch zu betrachten, die Zivilgesellschaft zu fördern, die demokratischen Vertreter des Landes in Entscheidungen mit einzubeziehen und im Hinblick auf das Lukaschenko-Regime vor allem: "keine direkte Kommunikation, keine Anerkennung", antwortet Tichanowskaja.

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Dass die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angesichts von Tausenden an der belarussisch-polnischen Grenze gestrandeter Migranten zwei Mal mit Lukaschenko telefonierte, habe die Menschen in ihrem Heimatland "ein bisschen irritiert", sagt Tichanowskaja.

"Auch ich habe mit Frau Merkel gesprochen. Heute wissen wir, dass der einzige Beweggrund für diese Telefonate war, die humanitäre Lage an der Grenze zu verbessern. Aber in Zukunft muss man vorsichtiger sein."

Rinderspacher: "Sie tragen die Leuchtfackel der Freiheit der gesamten demokratischen Welt"

Was sie sich für die Zukunft ihrer Heimat wünscht? "Global betrachtet wollen wir langfristig ein neutrales Land sein mit guten Beziehungen zu Ost und West", sagt die Oppositionsführerin, die auf eine "konstruktive Rolle" Moskaus hofft.

"Wir haben sehr großen Respekt vor dem, was Sie tun. Es erfordert Mut und eine klare Haltung", erklärt sich SPD-Fraktionschef von Brunn mit Tichanowskaja solidarisch. "Sie tragen die Leuchtfackel der Freiheit der gesamten demokratischen Welt", schwärmt Landtags-Vizepräsident Rinderspacher.

Zum Abschied schenken die Genossen der Besucherin einen Löwen aus Nymphenburger Porzellan. "Wobei", sagt von Brunn zu Tichanowskaja, "in Ihrem Fall ist es wohl eher eine Löwin."

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