Streibl: Je höher es raufgeht, umso einfacher wird es

München - Florian Streibl ist seit vergangenem Jahr Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Landtag. Im Interview mit der AZ spricht der 56-Jährige über das erste Jahr der Freien Wähler in der Regierung, Überraschungselemente und seinen Vater.
AZ: Herr Streibl, das erste Parlamentsjahr der Freien Wähler als Regierungsfraktion ist zu Ende. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
FLORIAN STREIBL: Durchweg positiv. Das war ein Jahr, in dem wir sehr viel lernen, umstellen und umstrukturieren mussten. Wir mussten aus dem Oppositionsmodus in den Regierungsmodus. Das ist nicht immer so einfach, wie man sich’s vorstellt. Aber im Großen und Ganzen sind unsere drei Minister und zwei Staatssekretäre in der Regierungsarbeit gut angekommen und die Zusammenarbeit mit der CSU-Fraktion klappt sehr gut.
Welche eigenen Akzente konnten Sie bisher setzen?
Wenn man den Koalitionsvertrag anschaut, zum Beispiel die Härtefallregelung bei den Straßenausbaubeiträgen, die Entlastung bei den Kitagebühren oder den Schutz des Riedberger Horns. Hubert Aiwanger hat das Problem mit den Stromtrassen sehr gut gelöst. Er hat da innerhalb von ein paar Monaten eine Lösung mit Berlin verhandelt, wo die CSU seit Jahren nicht vorangekommen ist.
Streibl: "Man hat bei den Verhandlungen bemerkt, dass die Chemie stimmt"
Ihre Koalitionsverhandlungen wirkten nach außen so harmonisch, dass man teilweise den Eindruck hatte, hier fusionieren zwei Parteien. Das muss man aber nicht befürchten, oder?
Das muss man nicht befürchten. Man hat bei den Verhandlungen bemerkt, dass die Chemie stimmt. Aber eine Fusion kann ich mir nicht vorstellen. Da müsste ja die ganze CSU geschlossen zu den Freien Wählern übertreten.
Sie haben die CSU kritisiert, weil das Innenministerium immer wieder gut integrierte, sozialversicherungspflichtig beschäftigte Flüchtlinge abschiebt, besonders nach Afghanistan. Hat das gewirkt?
Wir hatten viele Gespräche mit dem Innenminister und auch mit dem Ministerpräsidenten. Daraufhin kam ein Schreiben des Innenministeriums, das eine neue Praxis bringt. Das Problem ist, dass das in den Landratsämtern immer noch unterschiedlich gehandhabt wird. Wir drängen darauf, dass das einheitlich wird. Die Rechtsanwendung darf nicht davon abhängen, in welchem Landkreis ein Migrant lebt. Wir haben in diesem Punkt große Unterstützung von der bayerischen Wirtschaft. Wir brauchen die Leute, die hier in Ausbildung und in Arbeit sind. Da konnten wir in kleinen Schritten ein Umdenken bei der CSU erreichen.
Streibl: "Anfangs gab es Holprigkeiten in der Kommunikation"
Schon kurz nach dem Start in die Regierung haben Sie sich öffentlich darüber beschwert, dass sich Parteichef Hubert Aiwanger zu wenig mit der Fraktion abstimmt. Hat sich das gebessert?
Ja. Das waren Holprigkeiten in der Kommunikation, die da am Anfang aufgetreten sind. Ich habe mir gedacht, das kritisiere ich lieber etwas zu früh als zu spät, um da schon am Anfang die Dinge ins Lot zu bringen. Ich weiß noch von meinem Vater her, dass Ministerien ein Universum für sich sein können. Dieses Universum muss an der Fraktion verankert sein. Das funktioniert jetzt.
Sie werden also nicht mehr regelmäßig von Vorstößen des Wirtschaftsministers überrascht, die nicht abgesprochen sind?
Selten.
Ein gewisses Überraschungselement hat es ja bei Aiwanger immer schon gegeben ...
Ja, und das ist vielleicht auch ganz gut so. Ich treffe mich auch so oft wie möglich mit ihm, und dann erfährt man schon, was so kommt. Da ist jetzt vielleicht dann die Sommerpause gefährlich, wenn es diese Treffen nicht mehr so regelmäßig gibt.
Wie fühlen Sie sich in Ihrer neuen Rolle als Vorsitzender einer Regierungsfraktion?
Sauwohl. Aber ich musste erst selber mal hineinfinden und lernen. Durch den späten Wahltermin haben sich etliche Dinge erst im Januar oder Februar eingespielt. Aber seitdem läuft es.
Streibl: "Kommunalpolitik ist die emotionalste"
Sie haben Ihren Vater angesprochen, den früheren Ministerpräsidenten Max Streibl (CSU). Haben Sie das Staatstragende in den Genen?
Ich habe schon als Kind viel mitgekriegt und erfahren und kann dadurch auf eine lange Geschichte Bayerns und auch der CSU zurückblicken. In vielen Dingen kann ich unseren Koalitionspartner verstehen. Das ist vielleicht ein Vorteil. Und ich nehme nicht alle Dinge, die da kommen, so aufgeregt. Aber das sind vielleicht eher meine zwölf Jahre Gemeinderat in Oberammergau. Da schockt einen dann weniger.
Geht’s so schlimm zu in Oberammergau?
Nein, aber auch mein Vater hat immer gesagt: Das Härteste, was er in der Politik erlebt hat, war der Gemeinderat in Oberammergau. Jede Kommunalpolitik ist die emotionalste. Und je höher es raufgeht, umso einfacher wird es. Den Spruch kann ich bestätigen.
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