Stirbt das Wirtshaus in Bayern aus?
Bayern - Das Wirtshaus nennt Kabarettist Gerhard Polt "eine Wunderwelt". Die Blütezeit begann vor über 100 Jahren: Damals war es Kulturstätte, Wärmestube und Ort der Geselligkeit zugleich. Dort trafen sich der Bauernverein zum Frühschoppen, die Gesangsgruppe zum Musizieren, der Stammtisch zum Karteln.
Wirtshäuser früher und heute
Freilich lockten auch Schweinsbraten und Bier die Leute zum Wirt. Die Lokale waren Mittelpunkt der Dorfgemeinschaft und sind Sinnbild für bayerische Gemütlichkeit. Und heute? "Seit über 50 Jahren siechen unsere Wirtshäuser dahin", sagt Michael Bauer in seinem Dokumentarfilm "Wirtshaussterben? Wirtshausleben!", der gestern im Bayerischen Hof präsentiert wurde.
Ausstellung mit prominenten Aspekten
Er ist Teil der gleichnamigen Ausstellung, die im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg eröffnet wurde - und zudem prominent besetzt: Schauspielerin Michaela May begleitet den Film stimmlich, und "Wirtshaus-Fachmann" Polt teilt seine Erinnerungen.
"Hälfte der Wirtshäuser weggebrochen"
Seit den 60er Jahren schließen immer mehr dieser Begegnungsstätten. "Allein in den letzten 20 Jahren ist die Hälfte der Wirtshäuser weggebrochen", sagt Richard Loibl, Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte. Dort, wo früher das Leben stattfand, findet man heute verwaiste Häuser. Fast-Food-Ketten, strengere Gesetze, Personalmangel und zuletzt die Corona-Pandemie machen den Gastronomen zu schaffen.
Im Donisl gibt es bereits eine Roboter-Kellnerin
Werden die Wirtsstuben bald nur noch im Museum zu sehen sein? Wie steht es um ihre Zukunft? In der Traditionsgaststätte "Donisl" am Marienplatz bedient seit einiger Zeit Roboter-Kellnerin "Bella" die Gäste. Auf bairisch-elektrisch wünscht sie ihnen etwa "An Guadn". Sie soll ihre menschlichen Kollegen unterstützen. Eine sinnvolle Entwicklung?
Eine Frage des Gesamtkonzeptes
"Die Jetzt-Zeit is aa schee", sagt Angela Inselkammer. Die Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) erklärt: "Ein gut geführtes Wirtshaus geht immer!" Es sei eine Frage des Gesamtkonzeptes. Heute bräuchten Wirtshäuser ein Alleinstellungsmerkmal, um nicht unterzugehen, so Michaela May in dem Dokumentarfilm.

Gemeinschaft steht wieder im Vordergrund
Für Inselkammer bedeute Wirtshaus heute "Gemeinschaft, Geselligkeit - Heimat auf Zeit", sagt sie der AZ. Gemeinschaft stehe wieder mehr im Vordergrund, so Loibl. Retro- und Vintage-Trends ließen zudem den Heimatstil aufleben. "Die Gemütlichkeit wird rekonstruiert", heißt es im Film.
Die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden
Inselkammer ist sich sicher: "Das Bedürfnis der Menschen, ein Wirtshaus zu haben, wird weiter bestehen", sagt sie der AZ. Man müsse jedoch die Rahmenbedingungen verbessern. "Wir leiden unter den Vorschriften." Hygieneregeln und Baurecht etwa müssten überprüft und reduziert werden, fordert sie von der Politik. Damit die traditionelle Wunderwelt nicht verloren geht.
Ausstellung und Film sind im Haus der Bayerischen Geschichte bis zum 11. Dezember zu sehen.
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