So habe ich den Angriff des Beil-Mörders überlebt

Maximilian S. (26) tötet erst seinen Mitbewohner mit einem Messer, dann geht er ins Kemptener Einkaufszentrum, um sich weitere Opfer zu suchen. Umut D. (22) wird schwer verletzt.
von  Nina Job
Umut D. liegt in Kempten im Krankenhaus. Er musste nach der Attacke notoperiert werden.
Umut D. liegt in Kempten im Krankenhaus. Er musste nach der Attacke notoperiert werden. © Benjamin Liß

Maximilian S. (26) tötet erst seinen Mitbewohner mit einem Messer, dann geht er ins Kemptener Einkaufszentrum, um sich weitere Opfer zu suchen. Umut D. (22) wird schwer verletzt.+

München / Kempten - Es hätte nicht viel gefehlt und sein Geburtstag wäre zu seinem Todestag geworden: Umut D. ist am vergangenen Montag 22 Jahre alt geworden. Der Türke, der in Österreich wohnt, war an diesem Tag mit zwei Freunden nach Kempten gefahren, um im Einkaufszentrum „Forum Allgäu“ einzukaufen. Dort wurde er zum Opfer eines – nach derzeitigen Erkenntnissen – psychisch kranken Mannes, der offenbar nur eines im Sinn hatte: viele Menschen zu töten.

Maximilian S. (26) ging mit einem Messer auf Umut D. und seine beiden Kumpels los. Während die anderen beiden mit leichten Blessuren davonkamen, verletzte der Messerstecher Umut D. schwer. Der junge Türke wurde am Hals und an der Brust getroffen. Wie er den Angriff erlebte, berichtete er jetzt aus der Klinik:

„Ich war mit meinen beiden Freunden gerade aus dem ,Zara’ gekommen, wo ich mir ein Hemd gekauft hatte. Während wir zur Rolltreppe gingen, habe ich mit einem Bekannten telefoniert, meine Freunde liefen hinter mir. Ich war völlig in das Telefongespräch vertieft, als es passierte.“, berichtet Umut D. „Plötzlich hörte ich Geschrei. Ich habe mich umgedreht und da sah ich, wie sich mein Freund Akin am Kopf hielt – seine Hand blutete. Er war total verzweifelt.“ Dann sah Umut D. seinen anderen Freund, der mit einem großen, dunkel gekleideten Mann kämpfte. Der Fremde schlug immer wieder auf Kenan ein. „Kenan hat den Mann mit großen Augen angeschaut. Er rief: ,Was wollen Sie von mir? Gehen Sie weg!’

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„Alles war voller Blut. Aber das Messer hatte ich gar nicht gesehen“

 

Ich dachte, die hätten sich angerempelt, ich habe das Messer gar nicht gesehen. Der Fremde versuchte immer wieder ihn zu erwischen. In dem Moment bin ich dazwischen gegangen. Ich wollte die beiden auseinanderbringen. Das Messer habe ich immer noch nicht gesehen.“

Umut D. hat früher mal Kampfsport trainiert. Das kam ihm jetzt zu Gute, denn nun ging der bullige Mann auf ihn los. Drei oder vier Mal versuchte er auf Umut D. einzustechen: „Ich habe gerade noch meinen Ellenbogen hochbekommen, um mich zu verteidigen. Zuerst habe ich gemeint, der hat mich nicht erwischt, aber er hatte mich doch getroffen – am Nacken. Ich hab’s erst gar nicht gemerkt. Er hat mir auch an der rechten Brustseite oben einen Cut verpasst. Ich stand da, hab’ meinen Kollegen angeschaut und wollte reagieren. Aber ich konnte mich nicht mehr bewegen. Ich war richtig unter Schock.“

Erst, als seine Freunde auf ihn einredeten, er Schreie hörte und immer mehr Leute stehenblieben, ahnte er, dass etwas Schlimmes passiert war. „Einer hat mich am Hals gehalten und gesagt: ,Leg dich hin! Leg dich hin!’ Ich hab mir an den Hals gefasst und da war alles voller Blut. Bei Akin musste man auch die Blutung an der Hand stoppen.“ Dann fiel Umut D. zu Boden.

Viele Menschen waren inzwischen zusammengelaufen. „Eine ganz nette Dame hat mir ihren Schal geschenkt, damit ich die Blutung stoppen konnte. Mehrere Passanten sind auf den Messerstecher losgegangen und haben ihn festgehalten. Das Messer habe ich aber immer noch nicht gesehen.“

Wenig später trafen Polizisten und Sanitäter am Tatort ein. Die Opfer wurden medizinisch erstversorgt. „Sie haben mir mein Hemd zerrissen, dabei haben sie noch die andere Verletzung an der Brustseite entdeckt.“ Umut D. wurde ins Krankenhaus gebracht und sofort operiert. Die Nacht verbrachte er auf der Überwachungsstation. Seine Mutter fiel in Ohnmacht, als sie von der gefährlichen Messer-Attacke erfuhr.

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Über Silvester wird der Verletzte noch in der Klinik bleiben müssen

 

„Ich bin den Ärzten und allen Helfern aus dem ,Forum’ total dankbar. Das werde ich nie vergessen, wie sie mir geholfen haben“, sagt der Verletzte.

Über Silvester wird er noch in der Klinik bleiben müssen. Anschließend hofft der 22-Jährige, bald wieder genau so leben zu können wie zuvor. „Sobald ich wieder fit bin, gehe ich wieder ins ,Forum Allgäu’. Ich will mir von einem kranken Menschen, einem Psychopathen, nicht mein Leben ändern lassen.“

Was Umut D. allerdings sehr beschäftigt, ist, warum es der Messerstecher offenbar auf Ausländer abgesehen hatte. Umut D. und seine Freunde sind alle Türken. Und auch der Mann, den der Messerstecher wenige Stunde zuvor mit einem Beil ermordet hatte, stammte nicht aus Deutschland – sondern aus Italien.

Ciro M. († 50) wohnte schon seit Längerem in der Sozialwohnung in der Altstadt von Kempten. Maximilian S. soll erst vor Kurzem in die Wohngemeinschaft gezogen sein.
Das Mordopfer gehört zu einer bekannten Familie in Kempten. Sein Onkel eröffnete vor rund 40 Jahren die erste Pizzeria in der Stadt. Das Restaurant wird bis heute als Familienbetrieb geführt und gehört zu den beliebtesten der Stadt.
Ciro M., der Koch gelernt hatte und Vater einer Tochter ist, lebte aber sehr zurückgezogen und für sich. „Er war ein durch und durch gutmütiger Mensch, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte“, beschreibt ihn seine Nichte.
An Heiligabend wollten ihn seine Brüder besuchen. Doch sie trafen Ciro M. nicht an. Sie werden ihn nie wiedersehen.

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