Riesiger Millionenbetrag fehlt wegen Deutschlandticket: So groß ist das Finanzloch allein im MVV

Wird das 49-Euro-Ticket teurer? Verkehrsminister Christian Bernreiter fordert von der Bundesregierung: "Wir müssen schnellstens Klarheit schaffen, wie es weitergeht." Bei den Verkehrsverbünden reißt das Ticket ein großes Finanzierungsloch ins Budget.
von  Ralf Müller
Kostet das Deutschland-Ticket bald 59 Euro – oder gar 69?
Kostet das Deutschland-Ticket bald 59 Euro – oder gar 69? © Boris Roessler / dpa

München – Die Zeichen stehen auf Preiserhöhung für das Deutschland-Ticket. Am kommenden Montag beraten die Verkehrsminister des Bundes und der Länder über die Zukunft der Fahrkarte. Aktuell kann man damit für 49 Euro pro Monat alle Nahverkehrsmittel in Deutschland nutzen.

Die Verkehrsträger machen den Ländern gewaltig Druck, weil das Deutschland-Ticket zu Riesendefiziten führt.

Bayerns Verkehrsminister Bernreiter will Klarheit

"Wir müssen hier schnellstens Klarheit schaffen, wie es weitergeht", sagte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) auf Nachfrage. Wenn das nicht vor der Sommerpause geschehe, müsse das Deutschland-Ticket noch in diesem Jahr um mindestens zehn Euro teurer werden.

Allein beim Münchner Verkehrsverbund (MVV) soll ein Finanzierungsloch von 300 Millionen Euro entstanden sein (AZ berichtete). Verwundern kann das nicht: Mit dem 49-Euro-Ticket fahren Pendler billiger als mit jedem angebotenen Monatsticket.

Je nach Entfernung sparen die Ballungsraum-Bewohner von München oder Nürnberg 2500 Euro und mehr pro Jahr.

Das Angebot spaltet Stadt- und Landbevölkerung

36 Prozent aller Bewohner im MVV-Versorgungsgebiet verfügen daher über das Deutschland-Ticket. Bewohner ländlicher Räume, die mangels ÖPNV-Angebot mit dem Auto fahren müssen, haben hingegen wenig von diesem Ticket.

Das Angebot spaltet aber nicht nur Ballungsraumbewohner und Landbevölkerung, es gibt auch Zweifel an seinem ökologischen Sinn.

Den Pkw-Verkehr hat das seit 1. Mai 2023 angebotene Sparangebot für Busse und Bahnen jedenfalls nicht nennenswert reduziert. Im vergangenen Jahr legten Pkw, die in Deutschland zugelassen wurden, 591,1 Milliarden Kilometer zurückgelegt – das waren 0,6 Prozent weniger als 2022.

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU)
Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) © Rolf Vennenbernd / dpa

Der überschaubare Rückgang an Kilometern wurde mit jeweils 1,5 Milliarden Euro aus den Kassen des Bundes und der Länder erkauft.

Gleichwohl ist die Zahl der Bahnbenutzer gestiegen und hat sich auf manchen Strecken sogar verdoppelt. Wie schon das befristete Neun-Euro-Ticket scheint auch das Deutschland-Ticket unterm Strich vor allem zu mehr Mobilität zu führen.

Die Länderverkehrsminister werden am Montag mindestens auf die Übertragung von nicht genutztem Geld aus dem vorigen Jahr drängen. Nach Angaben des bayerischen Ressortchefs Bernreiter geht es um 350 Millionen Euro, deren Übertragung vom Bund versprochen worden sei. Damit könne eine Finanzierungslücke von 700 Millionen Euro geschlossen werden, hieß es aus dem Thüringer Verkehrsministerium.

"Jetzt kommt offensichtlich Bewegung in die Sache"

Seit über einem halben Jahr dränge Bayern darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sein Wort halte und die nicht verbrauchten Bundesmittel aus 2023 auch für 2024 bereitstellt, kritisierte Bernreiter: "Bisher ist nichts passiert. Jetzt kommt offensichtlich Bewegung in die Sache."

Das "49-Euro-Ticket" könnte ab 1. Oktober zwischen 59 und 69 Euro kosten. Für eine Erhöhung hat sich bereits Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ausgesprochen, der statt hoher Ticketsubventionierung Investitionen in die Bahn für sinnvoller hält.

Ingo Wortmann, Präsident des Verbandes der Verkehrsunternehmen und Vorsitzender der Geschäftsführung der Münchner Verkehrsgesellschaft mbH (MVG), sieht nur in mehr Geld vom ohnehin klammen Bund eine Lösung. Die derzeitigen Mittel reichten noch nicht mal, um das aktuelle Angebot aufrechtzuerhalten und erst recht nicht dafür, den Nahverkehr auszubauen.

Züge und Busse sollen auch weiterhin fahren

"Wir wollen dringend vermeiden, dass wir ein tolles neues Ticket haben, aber gleichzeitig weniger Busse und Bahnen fahren." Genau das drohe aber aktuell, warnte Wortmann unlängst in der "Tagesschau".

MVG-Chef Ingo Wortmann.
MVG-Chef Ingo Wortmann. © picture alliance/dpa

Bayerns Verkehrsminister Bernreiter stimmte dem ausdrücklich zu. Was die Finanzierung des Tickets im kommenden Jahr angeht, so möchte er den Bundesfinanzminister beim Wort nehmen und ein "Gesamtpaket aus Infrastruktur, Angebot und Ticketpreisen schnüren". Alle Fahrkartentarife brächten nur etwas, "wenn die Infrastruktur funktioniert und Züge und Busse fahren".

Für die meisten Ballungsraum-Pendler, die einigermaßen zuverlässig auf Busse und Bahnen zurückgreifen können, wäre sogar ein um 20 Euro teureres Deutschland-Ticket noch höchst attraktiv. Andere im ländlichen Raum, die keine Haltestelle vor der Tür haben, dürften noch weniger vom Angebot Gebrauch machen als es bereits der Fall ist.

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