Riedberger Horn: Umweltschützer kritisiert CSU für Alpenpläne

Umweltschützer und Alpen-Liebhaber Matthias Schickhofer spricht über falsche Entscheidungen und Berge als Spaßkulissen.
von  Interview: Rosemarie Vielreicher
Verbaute Alpenlandschaft: Shopping-Welt bei Liezen im Ennstal.
Verbaute Alpenlandschaft: Shopping-Welt bei Liezen im Ennstal. © Matthias Schickhofer/Ingo Pertramer

München - Der Österreicher Matthias Schickhofer ist Umweltschützer, Autor und Fotograf ("Schwarzbuch Alpen")

AZ: Herr Schickhofer, schon seit Sie ein Kind waren, sind Sie von den Alpen verzaubert. Was ist für Sie so magisch?
M. Schickhofer: Die Berge habe ich erstmals in den Schladminger Tauern erblickt. Da war ich fünf oder sechs Jahre alt. Für mich als Kind des Waldviertels war das damals eine ungewohnte, fremde und wilde Welt. Eine geradezu arktische Landschaft, mitten in Europa. Das Gebirge wurde zu meiner Seelenlandschaft. Ich war immer traurig, wenn wir am Ende des Urlaubs wieder heimfuhren. Und die Sehnsucht nach den Bergen will nicht aufhören.

Seit Ihrer Kindheit hat sich aber viel verändert, oder?
Die Natur- und Kulturlandschaften der Alpen sind in Bedrängnis. Die großen Täler wachsen immer mehr zu – mit großen Straßen, Siedlungen, Gewerbegebieten und Shopping-Schachteln. Und oben in der Höhe breiten sich die Anlagen der Freizeit-Industrie aus.

Sie schreiben: Die Alpen seien für viele eine "Spaßkulisse".
Die Freizeit-Industrie degradiert die Alpen dazu, indem sie immer mehr Bezahl-Vergnügungsparks in alpine Gebiete stellt. Die Berge sind da oft nur mehr Beiwerk. Die Aussicht von einem Gipfel ist offenbar ohne Skywalk keine echte Aussicht.

Zum reinen Vergnügen in die Alpen fahren – ist das okay?
Spaß zu haben, ist ja nicht verboten, im Gegenteil. Die Frage ist aber, ob Spaß immer mit Konsumieren und der Nutzung von Maschinen verbunden sein muss. Ich denke: Nein. Im Grunde geht es uns in der Freizeit und im Urlaub doch vorrangig um intensive Erlebnisse, um magische Momente. Wenn wir die Berge weiterhin immer mehr mit Spaßmaschinen verbauen, nehmen wir uns und unseren Kindern die Chance, diese Landschaften in Zukunft anders und nachhaltiger, also zerstörungsfreier, zu nutzen.

Der Tourismus und die damit einhergende Verbauung ist das eine. Das andere große Problem ist der Klimawandel. Wie werden die Alpen in 30 Jahren aussehen?
Der Klimawandel ist sicher die größte Herausforderung. Wenn es nach Aussagen von Klimaforschern geht, dann werden um die Mitte des Jahrhunderts viele Talgletscher verschwunden sein. Die großen Alpenflüsse führen dann im Sommer weniger Wasser. Das einst weiße Hochgebirge wird im Sommer sozusagen "ergrauen”. Die Schneebedeckung ist kürzer, in Tallagen regnet es im Winter viel öfter. Die meisten tiefer gelegenen Skigebiete werden vermutlich nicht mehr in Betrieb sein. Größere Bereiche der Alpenwälder werden von Stürmen, Borkenkäferausbreitung und großen Waldbränden gezeichnet sein. Lawinen und Bergstürze werden in 30 Jahren ein viel größeres Problem sein als heute.

Düstere Aussichten. Wie können wir die Alpen noch retten?
Es gibt kein Patentrezept und keine einfachen Lösungen. Aber es gibt bewährte Ansätze wie das Vorsorgeprinzip, also die Vermeidung von möglichen negativen Auswirkungen, in ökologischer und in wirtschaftlicher Hinsicht. Noch größere Skigebiete zum Beispiel sind nicht nur schwere Eingriffe in die empfindliche Hochgebirgsökologie, sondern auch wirtschaftliches Hasardspiel, weil sie mit massiven Kosten verbunden sind.

Was also fordern Sie?
Es braucht klare Grenzsetzungen, wo die Gesellschaft klar entscheidet: Hier müssen wir besonders aufpassen oder diese Gebiete wollen oder müssen wir naturnah erhalten. Ein Masterplan muss her. Der bayerische Alpenplan ist ein großartiges Modell, wie so etwas aussehen könnte. Daher ist es umso empörender, dass diese Errungenschaft wegen kurzfristigster Interessen wie im Fall Riedberger Horn nun demontiert wird.

Apropos Riedberger Horn: Was sagen Sie dazu?
Bayern schafft hier einen Präzedenzfall und macht damit mehr kaputt als nur die Natur am Riedberger Horn. In Österreich haben sich sofort Skitourismus-Macher gemeldet und gefordert: Wenn Bayern das Verbot der Aufweichung von Schutzzonen durch die Alpenkonvention ignoriert, können wir das auch. Minister Söder und Kumpanen richten hier potenziell enormen Schaden im ganzen Alpenraum an. Außerdem ist das Riedberger Horn kein sehr hoher Berg. Hier sind wirtschaftliche Probleme für den Skibetrieb klimabedingt mehr als absehbar. Und für ein paar Jahre Liftbetrieb die Alpenkonvention aushebeln und eine alpine Naturlandschaft verbauen?! 

AZ-Kommentar - Riedberger Horn: Was nicht passt...

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