Rechte Morde in Bayern auf dem Prüfstand

Rechte Gewalt werde seit Jahren verharmost, kritisieren Linke. Jetzt sollen in Bayern 40 Morde auf einen rechtsradikalen Hintergrund untersucht werden.
von  Ralph Hub
Die Aufnahme der Polizei zeigt die Tatwaffen des Amokschützen von Bad Reichenhall. Von oben: Ein Revolver Colt Phython, ein Unterhebelrepetier-Gewehr, ein Selbstlader-Gewehr und unten eine Doppelflinte.
Die Aufnahme der Polizei zeigt die Tatwaffen des Amokschützen von Bad Reichenhall. Von oben: Ein Revolver Colt Phython, ein Unterhebelrepetier-Gewehr, ein Selbstlader-Gewehr und unten eine Doppelflinte. © dpa

Rechte Gewalt werde seit Jahren verharmost, kritisieren Linke. Jetzt sollen in Bayern 40 Morde auf einen rechtsradikalen Hintergrund untersucht werden

Bad Reichenhall - Mehr als 40 Morde in ganz Bayern werden neu aufgerollt und auf mögliche rechtsradikale Hintergründe untersucht. Darunter auch der Amoklauf von Bad Reichenhall, bei dem ein 16-jähriger Schüler im November 1999 vier Menschen erschoss und den TV-Star Günther Lamprecht verletzte.

Spezialisten des BKA haben zusammen mit dem Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus begonnen, hunderte Mordfälle in Deutschland aus den Jahren 1990 bis 2011 neu zu untersuchen.

In Bayern sind es 12 vollendete und 28 versuchte Tötungsdelikte, wie aus einer aktuellen Anfrage der Fraktion „Die Linke“ im Bundestag hervorgeht. Bislang verzeichnet die Polizeistatistik für Bayern neben den fünf NSU-Morden in Nürnberg und München nur einen einzigen Toten durch rechte Gewalt.

Tatsächlich könnten deutlich mehr Menschen von Rassisten und Neonazis ermordet worden sein, als offiziell bisher zugegeben wird. Bei allen Fällen liegt der Verdacht nahe, dass sie von Rechtsextremisten verübt wurden, etwa weil die Opfer Migranten, Linke, Moslems, Juden, Behinderte oder Homosexuelle waren.

In Bayern werden fünf Mordfälle neu aufgerollt, bei denen insgesamt acht Menschen ums Leben gekommen sind:

Bad Reichenhall: Der 16-jährige Schüler Martin P. erschießt am 1. November 1999 Daniela P (18), Karl-Heinz L (54), Horst Z. (60) und seine Frau Ruth (59). Sechs weitere Opfer werden schwer verletzt, darunter auch der Schauspieler Günther Lamprecht. Der Amokschütze, ein Hitler-Fan, begeht Suizid. Die Tatwaffen stammten aus dem Besitz des Vaters, eines Sportschützen. Die Polizei entdeckt bei der Durchsuchung des Zimmers von Martin P. aufgemalte Hakenkreuze, Gewaltvideos, rechtsextreme CDs und ausländerfeindliche Parolen in einem Notizheft. Trotzdem heißt es bei der Staatsanwaltschaft Traunstein nach Abschluss der Untersuchung: Von Rechtsextremismus könne keine Rede sein. Martin P. habe als „verschlossen und unauffällig“ gegolten. Das Motiv des Jugendlichen sei unklar, es liege in der Persönlichkeit des Täters.

Kolbermoor: Roman G. (31), ein stadtbekannter Rassist, greift am 15. August 1999 vor der „Cubana Bar“ drei Afrikaner an. Sie fliehen. Wenig später kommt Carlos Fernando aus der Bar. Roman G. prügelt sein Opfer, weil der ein „Neger“ sei, gibt der Schläger zu Protokoll. Fernando stirbt. Strafe: zehn Jahre.

Amberg: Klaus-Peter B. (48) ist schwul. Er wird von zwei Rechten in der Nacht zum 7. September 1995 in die Vils geworfen. Er ertrinkt. Die Täter, Richard L. und Dieter M., wollten dem Mann „einen Denkzettel verpassen“. Beide sind Skinheads. Das Landgericht Amberg verurteilt sie wegen Totschlags zu zwölf und acht Jahren Haft.

Memmingen: Mit einem Bajonett ersticht Alexander B. (21), ein polizeibekannter Rechtsextremist, in der Nacht zum 26. April 2008 seinen Nachbarn Peter S. (40). Das Opfer hat sich über lauten Rechtsrock aus der Wohnung beschwert und seinen Nachbarn bei dem Streit im Hausflur einen Neonazi genannt. Das Landgericht Memmingen verurteilt den Täter zu acht Jahren und drei Monaten Haft. Die Richter sehen kein rechtes Motiv bei der Tat.

Plattling: In der Nacht zum 6. Mai 2006 wird der 41-jährige Deutsch-Pole Andreas P. in Plattling durch einen jungen Neonazi getötet. Nachdem die beiden zunächst gemeinsam tranken, schlägt der 19-jährige mit einem Knüppel auf sein Opfer ein und tritt mit Springerstiefeln auf den Kopf des wehrlosen Mannes. Dann übergießt der Skinhead den Mann mit Spiritus und zündet ihn an. Urteil: neun Jahre Jugendhaft.

„Das Ausmaß neofaschistischer Gewalt in Deutschland wird von den Behörden seit Jahren kleingeredet“, kritisiert Ulla Jelpke, die Innenpolitische Sprecherin der Linken.

Bis zum Sommer soll die BKA-Untersuchung abgeschlossen sein.

 

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