Prozess um getöteten Arzt in Wasserburg: "Ich musste es tun"
Traunstein/Wasserburg - Ein Mann liegt am Boden, das Gesicht nach unten. Er ist mit Handschellen gefesselt. Sein hellblauer Pulli und seine Hose sind voller Blutflecken. Auch seine Hände und Arme sind bedeckt mit frischem Blut. Das Video, das am Dienstag im Landgericht Traunstein gezeigt wird, stammt aus einer Bodycam auf der Uniform eines Polizisten.
Es zeigt den damals 40-jährigen Beschuldigten kurz, nachdem er einen Arzt im Wasserburger Inn-Salzach-Klinikum mit einem Messer getötet hat (AZ berichtete). Immer wieder sagt der festgenommene Mann: "Ich musste es tun." Und wieder: "Ich musste das für uns machen." Im Hintergrund sieht man, wie ein Notarztwagen fährt, vermutlich zum Opfer.
Mord an Arzt in Wasserburg: Wie gefährlich ist dieser Mann?
Am zweiten Prozesstag will das Gericht herausfinden, ob Dominik S. den Arzt Rainer G. (64) getötet hat, weil er an einer psychischen Erkrankung leidet. Dass er die Tat begangen hat, steht außer Frage, nachdem er selbst die Polizei gerufen hatte. Aber ob er schuldfähig ist und entsprechend psychiatrisch untergebracht werden muss, weil er gefährlich ist, das soll das Gericht klären.
Von einer engen Freundin wurde er als lieber Mensch, der keine Aggressionen zeigte, beschrieben. Auch ein Bekannter hatte sich am ersten Prozesstag so geäußert. Wie kann es also sein, dass ein Mann, der zwar an Schizophrenie leidet und drogensüchtig ist, plötzlich zum Mörder wird?
Es scheint sich jedenfalls nicht um eine Impulstat gehandelt zu haben. Das wird in zahlreichen Zeugenaussagen deutlich. Denn schon einige Tage vor der Tat wurde S. auf dem Gelände der Psychiatrie von Patienten und Mitarbeitern gesehen.
War die Tat von langer Hand geplant?
Er ist von Schleswig-Holstein in den Chiemgau gereist, um seine Familie zu besuchen. Oder plante er da schon den Mord? S. hielt sich an mehreren Tagen am Inn-Salzach-Klinikum auf, ohne dort behandelt zu werden. Ein Arzt wurde auf ihn aufmerksam, wollte ihn eigentlich ansprechen.
Dann erhielt er einen Anruf ‒ und es kam nicht mehr dazu, weil S. plötzlich weg war. Wenige Stunden später war der Kollege des Arztes tot. "Aber natürlich denkt man: Hätte ich ihn angesprochen ‒ hätte es dann mich getroffen?" Oder wäre die Tat nicht passiert?
Vergiftetes Essen und eine Verschwörung
In dem Video sagt S. auf die Frage, warum er nach Gabersee, wie die Psychiatrie genannt wird, gekommen sei: "Um den zu töten." Der Arzt G. habe in einem Gutachten falsch ausgesagt. Und: "Die machen da was mit den Leuten da drin." Ähnlich hatte sich S., der nicht aussagt, schon in einer Erklärung zu Beginn des Verfahrens geäußert, über vergiftete Nahrung und eine große Verschwörung.
Furchtbare Erinnerungen
Grausige Bilder beschreibt ein Patient der Klinik, dem an diesem Aprilabend ein Mann auffiel, der sehr stark schwankte. "Erst dachte ich, der ist betrunken", sagt der Zeuge. Dann sieht er die Blutlache, der taumelnde Mann fällt einfach um. Es ist G., der an seinem Auto niedergestochen worden war, aber noch versuchte, Hilfe zu holen.
Der Zeuge rennt hin. G. sei noch ansprechbar gewesen, sagt der Mann. Bis heute verfolgten ihn die Bilder, das Blut habe förmlich gespritzt. Ein rhythmisches Geräusch, das sich eingebrannt hat. "Mir geht's scheiße, ich habe schlaflose Nächte und träum davon."
Er verdanke dem Opfer viel, habe es 20 Jahre lang gekannt. "Er hat seine schützende Hand über mich gehalten", sagt der Mann. Wie geschätzt der Arzt bei Patienten und bei Kollegen war, wird bei vielen Zeugen deutlich. Einem Krankenpfleger kommen die Tränen: "Ich hatte das Büro direkt neben ihm." Es sind noch zwei weitere Verhandlungstage angesetzt.