Protest gegen Gasbohrung nahe Ammersee: Wie Hubert Aiwanger in den Eklat verwickelt ist

Gemeinden und Aktivisten kritisieren geplante Erdgas-Bohrungen rund um den Ammersee. Wirtschaftsminister Aiwanger sagt, er habe keine andere Wahl als sie zu genehmigen. Nun wurden in Reichling Bäume der Aktivisten geköpft.
von  Heidi Geyer
Kein Unfall, da ist sich Greenpeace sicher: Zwei von zehn neugepflanzten Bäumen wurden geköpft.
Kein Unfall, da ist sich Greenpeace sicher: Zwei von zehn neugepflanzten Bäumen wurden geköpft. © Greenpeace Bayern

Reichling/München – Bald soll es losgehen im Landkreis Landsberg am Lech. In der Ortschaft Reichling will die Firma Genexco nach Gas bohren. Ein Teil der Anwohner der Gemeinde ist alles andere als begeistert, auch der Gemeinderat hatte sich gegen das Projekt ausgesprochen. Denn das Areal liegt sehr nah an einem Schutzgebiet und unweit einer Trinkwasserquelle.

Zwei von zehn Bäumen gefällt

Greenpeace unterstützt den Protest gegen die Gasbohrung. Aktivisten hatten am Ort der geplanten Förderung in der vergangenen Woche zehn Bäume gepflanzt. Doch zwei der Bäume wurden nun von Unbekannten gefällt.

Laut der Umweltorganisation ermittelt die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck deshalb wegen Sachbeschädigung. Nach Ansicht von Greenpeace Bayern handelt es sich zudem um einen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz, nach dem die Fällung von Bäumen vom 1. März bis zum 30. September verboten ist.

Lohnt sich das überhaupt, in Reichling nach Gas zu bohren, fragen sich viele. Bis zu 500 Millionen Kubikmeter Erdgas werden tief unter dem Ort vermutet. Das entspricht laut Greenpeace rund vier Prozent des jährlichen Erdgasverbrauchs von Bayern.

Es könnte aber noch mehr drin sein: Der kanadische Mutterkonzern MCF, zu dem Genexco gehört, möchte künftig an bis zu zehn Stellen in der Ammerseeregion bohren.

Konzern will in Deutschland und Österreich bohren

Und damit noch nicht genug. Medienberichten zufolge will MCF auch in Brandenburg und Österreich nach Gas bohren. Die Folgen des Ukraine-Kriegs sind für den Konzern eine ökonomische Chance.

Genexco war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Per SMS wurde die AZ auf die Homepage verwiesen, die derzeit jedoch "under construction" und nicht zugänglich ist. Auch auf einen Hinweis der AZ dazu blieb die Anfrage unbeantwortet.

Welche Rolle spielt Aiwanger?

Aus Sicht der Gas-Gegner ist es gerade Wirtschaftsminister Huber Aiwanger (FW), der in der Kritik steht. Er hat die Bohrung genehmigt und gilt als großer Verfechter von Holz als Energielieferant. "Minister Aiwanger muss endlich verstehen, dass wir keine Erdgasquellen mehr anzapfen dürfen – weder hier noch sonst wo", sagt Saskia Reinbeck, Energie-Expertin von Greenpeace Bayern.

"Ich kann auch keine Windparks verbieten"

Aiwanger hatte auf eine frühere Stellungnahme auf AZ-Anfrage verzichtet. Nach der Berichterstattung wies seine Pressestelle darauf hin, dass er rechtlich keine Möglichkeiten habe, die Genehmigung zu verweigern, "sofern alle bundesgesetzlichen Vorgaben erfüllt sind".

Der Minister vergleicht CO2-schädliche Energie dabei mit klimaneutraler: "Es ist wie beim Wind-an-Land-Gesetz, ich kann auch keine Windparks verbieten, wenn die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind."

Aiwanger schimpft über Grüne

Aiwanger räumt zwar ein, dass er die Skepsis von Anwohnern verstehe. Trotzdem könne er sich nicht über Bundesgesetze hinwegsetzen.

Er spricht von einem "peinlichen Eigentor" der Grünen, zumal Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Frackinggas aus den USA importiere und er auch die Erdgasförderung stoppen könnte. "Das ist dreist", sagt Aiwanger.

Die Vorbehalte der Grünen in Bayern sind, dass die Energiewende nicht gelingen werde, wenn nach wie vor in klimaschädliche Technologien investiert wird. Sie plädieren für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Dazu meint jedoch Aiwanger, dass Erdgas als Brückentechnologie nötig sei.

Funktioniert Geothermie nach dem Erdgas?

Der grüne Energieexperte Martin Stümpfig hält Geothermie zudem für eine weitere Technologie, die ausbaufähig ist und fordert hier mehr Investitionen.

In der "Bayerischen Staatszeitung" sagte ein Vertreter von Genexco, die Bohrlöcher könnten nach der Gasförderung für Wärmeprojekte genutzt werden. Unter der Erde herrschten bis zu 120 Grad Celsius, die die Gemeinden gut für Nahwärmenetze gebrauchen könnten. Noch sind dazu keine Pläne bekannt.

Doch nach wie vor ist der Widerstand vor Ort immens. Mitglieder der "Bürgerinitiative Reichling Ludenhausen – gegen die Ausbeutung unserer Heimat" überlegen laut Greenpeace, ob sie gegen den Bescheid des Bergamts klagen, das die Bohrung genehmigt hatte. "Bäume stehen für den Widerstand gegen die Ausbeutung von fossilem Gas. Aber diese Fällung wird den Protest nicht aufhalten - ganz im Gegenteil", sagt Saskia Reinbeck von Greenpeace.

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