Politiker aus Bayern boykottieren X aus Protest gegen Elon Musk
München - Elon Musk, reichster Mann der Welt und Besitzer der Plattform X, beleidigt Bundeskanzler und Bundespräsident, ruft zur Wahl der AfD auf und nennt die deutschen Medien korrupt. Politisch extrem unkorrekt geht es auch auf X zu. Und doch halten große Teile der bayerischen Politik und Staatsregierung an ihrer Präsenz auf X fest – mit interessanten Begründungen und quer durch alle Parteien.
Mehring: "Gehe davon aus, dass viele Demokraten folgen werden"
Bayerns Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) ging vor zwei Wochen voraus und verkündete, sein Ministerium und er selbst würden sich von der X – vormals Twitter – zurückziehen. Wenn der Eigentümer eines Plattformgiganten persönlich Fake-News verbreite und die Werbetrommel für Extremisten rühre, "will ich mich damit nicht länger als Nutzer gemein machen", ließ Mehring wissen. Er gehe davon aus, dass seinem Beispiel "viele Demokraten folgen werden".

Doch damit irrte der Freie-Wähler-Politiker – jedenfalls bis jetzt. Eine Umfrage unter bayerischen politischen Akteuren ergab, dass die meisten der Plattform des "Schwurblers und politischen Geschäftemachers" (Mehring) die Treue halten wollen, wenn auch mit Bedenken. Die Landtagsfraktionen der Freien Wähler und der SPD folgten zwar dem Beispiel des Digitalministers, aber gewichtige Akteure bleiben X treu, allen voran verständlicherweise die AfD. Den Rechtspopulisten hatte Musk bescheinigt, nur sie könnten "Deutschland retten".
Grüne wollen auf X weiter für die Demokratie kämpfen - und gegen Rechts
Mit einer ganz anderen Begründung kommen die Grünen im Bayerischen Landtag zu demselben Ergebnis. Hasskommentare, Verschwörungstheorien und rechte Umtriebe nähmen auf der Plattform des "politischen Agitators" Musk zwar immer mehr zu, man wolle aber X "nicht sich selbst überlassen und dem etwas entgegensetzen", sagte eine Fraktionssprecherin: "Es ist als Grüne in unserer DNA gegen Rechts und für die Demokratie zu kämpfen" und das tue man "auch auf X".
Die Bayern-FDP plant ebenfalls nicht, X zu verlassen. Die Liberalen wählten die Kanäle, auf denen sie kommunizierten, nach Relevanz aus – "nicht danach, ob uns die politischen Ansichten des Mehrheitsgesellschafters sympathisch sind", so ein Parteisprecher.
Für die "digitale Volkspartei" CSU ist X eine "wichtige Säule der Kommunikation"
Weder die CSU noch deren Landtagsfraktion plant nach eigenen Angaben, X den Rücken zukehren. Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, das auch auf der Plattform gelte, hieß es von der Fraktion. Man teile viele Ansichten Musks und seines Managements nicht, allerdings scheine es dem X-Inhaber auch wenig zu interessieren, wer die Plattform verlasse, teilte eine Fraktionssprecherin mit. "X ist für uns als digitale Volkspartei eine wichtige Säule der Kommunikation mit Bürgern und Medien", betonte die CSU-Landesleitung. Die CSU werde dort auch weiterhin vertreten sein.

CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder ist selbst ein intensiver Nutzer von X und sorgt dort passend zur Saison mit Ostereiern, Weihnachtspullis und Gesangseinlagen für Aufsehen. Als Foodblogger (#Soederisst) bevorzugt der CSU-Chef allerdings Instagram.
Im Kabinett gehen die Meinungen auseinander
Keine einheitliche Haltung gibt es innerhalb des bayerischen Regierungsapparats zu X. Dem Parteikollegen Mehring will jedenfalls Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) folgen. "Das Ministerium wird seine Aktivitäten auf X einstellen", teilte ihr Haus auf Anfrage unumwunden mit. Das Ministerium des bayerischen Wirtschaftsministers und Freie-Wähler-Vorsitzenden Hubert Aiwanger hingegen ließ wissen, dass X für die politische Kommunikation "von großer Bedeutung" sei. Es sei wichtig, "dass auf den Plattformen viele seriöse Nutzer unterwegs sind".

Die Bundesvereinigung der Freien Wähler, deren Chef Aiwanger ebenfalls ist, betrachtet ihr Engagement auf X "noch als zielführend". Sollte sich die Situation weiter zum Negativen ändern, schließe man ein Verlassen der Plattform jedoch nicht aus.

Magengrummeln im Innenministerium
Ein Sprecher des CSU geführten Innenministeriums machte deutlich, dass Bayerns oberste Sicherheitsbehörde nicht unerhebliche Bauchschmerzen mit ihrer Präsenz auf X hat. "Derzeit", so der Ministeriumssprecher, "erachten wir die Nutzung von X weiterhin als sinnvoll, um den direkten Kontakt zu den Bürgern aufrechtzuerhalten". "Gegebenenfalls" werde man aber "entsprechende Maßnahmen ergreifen".
Die Darstellung des Finanz- und Heimatministeriums auf X stelle auch einen "Gegenpol für leider immer weiter wachsende Fake-News in den sozialen Netzwerken dar", begründete das Haus von Finanzminister Albert Füracker (CSU) sein Verbleiben auf der Musk-Plattform. Aber auch das Finanzministerium behalte sich "eine Anpassung der Kommunikationsstrategien" vor.
Aus den Antworten lässt sich heraus lesen: Musk hat mit X eine Plattform in der Hand, auf deren enorme Reichweite viele politische Akteure nicht verzichten wollen, auch wenn sich dort neben dem übergriffigen Chef eine Vielzahl von Schwurblern, Verschwörungstheoretikern und Extremisten tummelt.
Dass der Name Musk immer noch (oder gerade jetzt) für wirtschaftlichen Erfolg bürgt, erfährt dieser Tage die "Welt". Der höchst umstrittene AfD-Fanbeitrag des X- und Tesla-Chefs in dem Blatt sorgte laut "Medieninsider" für 400 Abo-Abschlüsse am vergangenen Samstag. Damit sei Musks Rundumschlag einer der abo-stärksten Artikel des Jahres.