Neue Hotels am Chiemsee: Wird das die neue Luxusdestination?
Der Vergleich war deftig: Mit dem Verwaltungsgebäude einer Klopapierfabrik, die genau so gut in Wanne-Eickel stehen könnte, wurde der Entwurf des geplanten Hotels "Der Malerwinkel" in der Gemeinde Seeon-Seebruck auf der dortigen Bürgerversammlung von einem Bürger kritisiert. Dabei sollte die Architektur des neuen Gebäudes doch ausgerechnet an die regionstypischen Bundwerkstadel erinnern.
Malerwinkel: Frischer Wind am Chiemsee
Der Chiemgau ist zwar touristisch gut erschlossen. Doch anders als am Tegernsee trifft man dort eher selten auf zwielichtige Oligarchen oder die Münchner Schickeria. Bislang gibt es im Chiemgau kein Fünf-Sterne-Hotel und auch nur eine Handvoll Vier-Sterne-Häuser. "Tatsächlich ist der Chiemgau die größte ländliche Tourismusregion in Bayern", berichtet Stefan Semmelmayr, Geschäftsführer des Chiemgau Tourismus im Landkreis Traunstein. Die Struktur sei bislang von einer großen Zahl privater Gastgeber geprägt. "Mit allen Vor- und Nachteilen", sagt der Tourismus-Chef.
Doch nun weht frischer Wind über den Chiemsee. Am Malerwinkel in Seebruck soll ein neues Hotel mit 74 Zimmern und Suiten entstehen. Und zwar hochwertig: Zwar will sich der Investor, die "meine Volksbank Raiffeisenbank" aus Rosenheim, noch nicht festlegen, ob er sich überhaupt zertifizieren lässt. Klar ist aber auch, dass das Hotel mit direktem Seezugang und großem Wellnessbereich keine Frühstückspension wird.
Schon bisher wurde am Malerwinkel ein gleichnamiges Hotel mit Restaurant betrieben. Allerdings war dies so in die Jahre gekommen, dass eine Renovierung wirtschaftlich nicht infrage gekommen wäre.
Emotional liegt vielen Chiemgauern auch der Malerwinkel in Seebruck am Herzen. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass er zu den schönsten Platzerln am Chiemsee zählt. Direkt am Nordwestufer mit einem traumhaften Blick auf Hochfelln und Hochgern.
Neues Hotel am Chiemsee: Investor agiert offensiv
Der Investor ging von Anfang an in die Offensive: Nachhaltigkeit soll eine große Rolle spielen, so soll beispielsweise weniger Fläche als beim bisherigen Projekt versiegelt werden. Und an die Einheimischen ist auch gedacht: Sie sollen ebenfalls einkehren können, wenn sie mit dem Radl um den See fahren. Der Radweg, der derzeit zwischen Ufer und Hotel liegt, soll auch dort bleiben.
Und doch ging ein Aufschrei durch den Chiemgau ob des Hotelprojekts. Nicht nur die Architektur des Entwurfs gefiel vielen Menschen nicht. Der Umweltschutzverband Alztal und Umgebung (UVA) sieht so ein Hotel kritisch: "Die Planungsfläche wird mehr als verdoppelt, die Bettenkapazität wird auf fast das Vierfache ausgedehnt."
Zudem habe das Hauptgebäude eine dreimal so große Grundfläche wie der Bestand, heißt es in einem Brief des UVA an den Bürgermeister von Seebruck. Mehr noch: Das Projekt grenze an mehrere geschützte Gebiete und es seien Schäden zu befürchten. Das Naturschutz-Gutachten des Investors "betrachtet der UVA als parteiisch und unglaubhaft". Zudem würde das Projekt zu stark in den Seespiegel und das Grundwasser eingreifen.
Motel-One-Inhaber baut in Feldwies den Chiemgauhof neu auf
Etwas südlicher, im Überseer Ortsteil Feldwies baut der Motel-One-Inhaber Dieter Müller ein neues Hotel anstelle des Traditionsbetriebs "Chiemgauhof". Der Südtiroler Star-Architekt Matteo Thun hat den Neubau, der direkt am See liegt, entworfen. 28 Zimmer und Suiten auf Vier-Sterne-Superior-Niveau sind geplant.

Das Projekt sorgte anfangs für ordentlichen Wirbel. Denn die zunehmende Kommerzialisierung des Seeufers ist vielen Einheimischen schon länger ein Dorn im Auge. Hinzu kommt, wenn man so will, ein Chiemgauer Sakrileg. "Viele Menschen aus der Region sind eng mit dem früheren Chiemgauhof verbunden, haben dort Familienfeiern abgehalten oder sogar dort geheiratet", sagt Daniela Lindl, Sprecherin des Hotelprojekts.
Inzwischen habe sich die Aufregung weitgehend gelegt. Denn: "Die Pläne wurden unter Vorgaben des Landratsamtes Traunstein mit viel Liebe zum Detail und Rücksichtnahme auf die exponierte Lage am See in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde Übersee entwickelt."
Tatsächlich lief der Abriss des alten "Chiemgauhofs" ohne Proteste. Das liege auch daran, dass das Personal komplett übernommen werde und der See und die Terrasse weiter auch für Tagesgäste zugänglich bleibe, meint Lindl. Selbst die großen Kastanien, die über den Biergarten ragen, dürfen bleiben. "Der Verkäufer hat sich genau überlegt und gewusst, wem er das Hotel verkauft", sagt Lindl. Beide Familien seien seit Jahrzehnten befreundet.
Neue Hotels: Wichtig, sich auf die Region einzulassen
Ganz im Sinne von Touristiker Semmelmayr: "Moderne Hoteliers haben verstanden, dass es für die Akzeptanz des Tourismus und auch für das Angebot für die Gäste wichtig ist, sich auf die Region einzulassen und Teil der Tourismusstruktur zu werden."
Auf der anderen Seeseite in Bernau im Landkreis Rosenheim regte sich trotz eines lokalen Investors Widerstand gegen ein Hotelprojekt am Hitzelsberg. Im Gemeinderat hatte das Projekt bereits eine Mehrheit hinter sich, die Gemeinde selbst hatte das Grundstück sogar an den Investor verkauft. Die Grünen in Bernau liefen dennoch Sturm und gründeten eine Bürgerinitiative, mit dem Ziel, einen Bürgerentscheid zu forcieren.
"Wir verstehen die Menschen, die sich intensiv Gedanken gemacht haben, ob ein großes, sicher sehr schönes Hotel mit rund 100 Zimmern und einer neuen Zufahrtsstraße wirklich gut für Bernau und uns alle hier ist", schreibt die Sprecherin des Investors Herecon auf Anfrage der AZ. Die ursprüngliche Planung sei inzwischen verworfen werden. "Unser neuer Vorschlag ist deutlich kleiner, verlangt keine neue Straße und bringt dennoch sehr viele Vorteile nach Bernau. " Nun gehe es statt um 100 Zimmer um ein Chalet-Dorf mit 23 Häusern und zehn Apartments. Man sei in einem guten Dialog mit der Bürgerinitiative.
Touristiker wollen die Region weiterentwickeln
Die Touristiker rund um den Chiemsee begrüßen die neuen Projekte. "Gerade hochwertige, moderne Häuser ziehen eine ganze Region in puncto Professionalität mit nach vorne", sagt Semmelmayr. Es gehe um eine Weiterentwicklung. Seine Kollegin Christina Pfaffinger aus dem Landkreis Rosenheim sieht das ähnlich: "Die Heterogenität unserer Region benötigt auch im Übernachtungssektor eine Vielzahl an Betriebsarten."
Wie es am Malerwinkel weitergeht, scheint noch offen zu sein. "Gedanken und Planungen entwickeln sich dynamisch weiter. Augenblicklich wäre es noch verfrüht darüber zu sprechen, sobald sich diese Entwicklung verfestigt hat, werden wir darüber berichten", schreibt ein Sprecher der "meine Volksbank Raiffeisenbank".
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