Nach der Flut: Deggendorf räumt auf

Zu Hunderten strömen die freiwilligen Helfer zur Sammelstelle in Fischerdorf. Viele haben sich extra freigenommen für die harte Arbeit.
von  dpa

Zu Hunderten strömen die freiwilligen Helfer zur Sammelstelle in Fischerdorf. Schüler, Lehrlinge oder Studenten – es scheint, als wäre halb Bayern auf den Beinen, um den Opfern des Jahrtausendhochwassers zu helfen. Viele haben sich extra freigenommen für die harte Arbeit.

Deggendorf - Eigentlich müsste Susanna Barthman im Hörsaal der Uni Passau sitzen und für ihr Jurastudium büffeln. Die 20-Jährige stemmt am Dienstag aber im überschwemmten Deggendorfer Ortsteil Fischerdorf große Holzstämme, schaufelt Schlamm und schrubbt den Boden eines landwirtschaftlichen Hofes. Um sie herum schwirren Bienen, die aus ihrem zerstörten Stock flüchten. „Harte und auch schmutzige Arbeit macht mir nichts aus. Und den Uni-Stoff werde ich schon nachholen“, sagt Susanna. Sie ist eine von mehreren hunderten freiwilligen Helfern, die in diesen Tagen in Deggendorf anpacken, wo es nötig ist.

Markus Schweizer ist Koch in seinem Gasthaus im wenige Kilometer entfernten Neuhausen. Dienstag ist Ruhetag. „Da haben wir unsere Mitarbeiter gefragt, ob sie mit uns nach Fischerdorf fahren, um dort zu helfen“, sagt der 43-Jährige. Müll schleppen und putzen statt Schweinsbraten oder Schnitzel. Fast alle Angestellten haben zugesagt. Markus tauscht die Küchenschürze gegen eine feste Jeans und ein olivgrünes T-Shirt, zieht sich Gummistiefel an. Im Schlepptau hat er den zweiten Koch, Peter Floeren.

Helmuth Endl erwartet die beiden schon sehnsüchtig. Der 71-Jährige braucht starke Hände, weil zwei Böden herausgerissen werden müssen. Die beiden Köche schlagen mit Axt und Vorschlaghammer auf den Boden ein und brechen mit einem Stemmeisen die Dielen auf. Dann schaufeln sie mit drei Studenten, die ebenfalls helfen, das darunterliegende durchweichte Dämmmaterial mit einer Schaufel aus dem Fenster. Nach wenigen Minuten läuft der Schweiß bei den Köchen, die Arme werden schwer, aber sie denken nicht ans Aufhören. „Wir wären auch froh über jede Hilfe, wenn es uns so gehen würde“, sagt Markus. Hausherr Endl hat Tränen in den Augen, als er über Welle der Solidarität spricht. „Niemals habe ich es für möglich gehalten, dass so viele junge Menschen hier helfen.“ Er hofft, dass es später mal ein großes Fest für alle Helfer gibt, um richtig Danke sagen zu können.

Wer in Deggendorf helfen möchte, lässt sich an der Sammelstelle „Deggendorf räumt auf“ von der Hochschule Deggendorf registrieren und einteilen. Ein Blick auf den riesigen Lageplan – und Lorena Mundigl weiß, wo Hilfe am Nötigsten ist. Dann schickt sie den nächsten Trupp dorthin. „Wir haben 3500 Helfer und Betroffene registriert“, erläutert die Studentin für Wirtschaftsingenieurswesen. Mit ihren 21 Jahren wirkt sie wie eine Krisenmanagerin, ständig quäkt ihr Funkgerät oder das Handy klingelt. Aber sie hat alles im Griff.

Die meisten schickt sie mit Schaufel und Besen zu Fuß in die betroffenen Häuser. Andere werden auf der Ladefläche eines städtischen Fahrzeugs zu den kaum zugänglichen Gebieten gebracht. Die Helfer leisten in Fischerdorf ganze Arbeit. An den Straßenrändern türmt sich der zerstörte Hausrat meterhoch. Nasse Füße sind selbstverständlich für die Freiwilligen.

Ines Ellmann muss immer wieder durch knietiefes Wasser waten, um ein Haus auszuräumen. Die Gummistiefel sind von der braunen Brühe vollgelaufen. Die 42-Jährige aus dem Landkreis Deggendorf sieht es mit Humor. „Das Wasser weicht die Hornhaut an den Füßen auf. Am Abend kann man sie leicht entfernen.“ Vor dem Abend graut es den drei Lehrlingen Matthias, Manuel und Martin ein wenig. „Wir werden wohl jeden Muskel spüren.“ Am Dienstagmorgen waren sie noch wie gewohnt zu ihrem Arbeitgeber Südzucker nach Plattling gefahren. „Dann fragte unser Werksleiter, ob wir nicht in Fischerdorf helfen wollten. Wir haben sofort Ja gesagt“, erklären die drei. Mit einem Dienstwagen fuhren sie die wenigen Kilometer nach Deggendorf, und nun helfen sie auf einem Bauernhof. „Die Menschen Freude sich, dass wir hier sind. Das ist der beste Dank“, sagt Martin Ratzenböck.

Bei einem schlichten Dankeschön will es die Hofbesitzerin Elfriede Auer aber nicht belassen. Die 50-Jährige ist fast sprachlos über die vielen tatkräftigen Hände. „Man darf nicht mehr über die jungen Leute schimpfen. Ich werde sie heute Abend alle umarmen.“

 

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