Fischerdorf: Das Ausmaß der Zerstörung
Meterhoch türmt sich vor den Häusern in Fischerdorf der Sperrmüll. Nach Tagen dürfen einige Bewohner endlich zurück in ihr Zuhause - doch sie sind entsetzt darüber, was sie sehen. Der gesamte Hausstand und die Heizungsanlagen sind zerstört.
Deggendorf - Martina Jankus macht sich große Sorgen - nicht um das Haus ihrer Eltern im Deggendorfer Stadtteil Fischerdorf, sondern um ihre Mutter. „Heute Morgen hat sie erstmals das ganze Ausmaß der Katastrophe gesehen und geweint“, sagt die älteste Tochter der Familie am Montag. Das gesamte Erdgeschoss stand tagelang unter Wasser, die Möbel in Wohn- und Schlafzimmer, Bad und Küche sind zerstört. Das 74 Jahre alte Ehepaar steht wohl vor dem Nichts – oder zumindest vor einem langen Neuanfang. „Anfangs war ich wie versteinert, konnte das Ganze gar nicht fassen“, sagt Betty Weinberger. Erst als die vier Kinder und die vielen freiwilligen Helfer die Ärmel hochkrempeln und anfangen, den Hausrat an die Straße zu stellen, löst sich bei der 74-Jährigen die seelische Blockade. „Das gehört uns, das können wir jetzt nicht aufgeben.“ Woher sie auf einmal die Kraft nimmt, stundenlang schwer körperlich zu arbeiten, weiß sie nicht – aber es geht voran und nur das zählt.
Hilfe bekommen die Weinbergers von zwei jungen Frauen. Alexandra Laschinger ist vor zwei Jahren aus Niederbayern nach Sydney ausgewandert und wollte eigentlich den Urlaub bei ihrer Familie verbringen. „Aber als ich von dem Hochwasser hörte, musste ich einfach helfen“, sagt die gelernte Friseurin. Mit Gummistiefeln watet sie durch das ölige Wasser und räumt aus. Drei große Container sind bereits gefüllt und noch immer türmt sich der Müll meterhoch im Vorgarten.
Im Wohnzimmer stemmt sie gemeinsam mit Lisa Zwickl das durchweichte Parkett auf und wirft es aus dem Fenster. Die 19 Jahre alte Auszubildende Lisa hat sich extra Urlaub genommen, um zu helfen. Nach wenigen Stunden gehören die beiden Frauen fast zur Familie. „Die gemeinsame Arbeit schweißt zusammen. Es ist, als ob ich sie schon lange kennen würde“, sagt Luitpold Weinberger, der Tränen der Dankbarkeit in den Augen hat.
Im Gegensatz zu den Weinbergers muss Helmut Klämpfl sein Haus wohl abreißen. „Der Schaden durch das Wasser und das Öl ist einfach zu groß. Die Substanz des Altbaus ist dahin“, glaubt er. Fast zwei Meter hoch hat sich das Wasser in seinem Erdgeschoss vorgearbeitet – an den Familienbildern im Wohnzimmer kann man sehen, wie hoch die braune Brühe reichte.
Klämpfl ist heiser durch den beißenden Ölgestank in seinem Haus - der komplette Tank ist ausgelaufen. Trotzdem schuften seit Stunden vier Studenten bei ihm und tragen die wuchtigen Eichenmöbel und die lederne Sitzgarnitur raus, die durch das Wasser noch schwerer sind. Klämpfl kann nur noch die Schäden fotografieren. „Ich habe zum Glück eine Hausrat- und Elementarversicherung.“ Diese Versicherung haben die Weinbergers nicht. Aber sie haben durch den Tatendrang der vielen Helfer wieder Mut geschöpft. „Der Neuanfang wird gemacht. Das ist sicher“, sagt Luitpold Weinberger. Auch Betty Weinbergers Zustand hat sich nach der stundenlangen Schufterei gebessert. „Ich bin so stolz auf meine Mutter. Sie werden es schaffen“, ist Tochter Martina Jankus überzeugt.
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