Meteorologe: "Es gibt jetzt mehr Starkregen"

Diplom-Meteorologe Dominik Jung erklärt die Ursachen für die Überflutungen und die Entwicklung des Klimas in Deutschland.
von  Interview: Tobias Wolf
Erinnert an die schrecklichen Bilder des Hochwassers 2013: eine Luftaufnahme aus Simbach am Inn im Landkreis Rottal-Inn. Die AZ hat mit dem Diplom-Meteorologen Dominik Jung gesprochen.
Erinnert an die schrecklichen Bilder des Hochwassers 2013: eine Luftaufnahme aus Simbach am Inn im Landkreis Rottal-Inn. Die AZ hat mit dem Diplom-Meteorologen Dominik Jung gesprochen. © Innenministerium/wetter.net/AZ

Simbach am Inn - Nach dem Hochwasser in Niederbayern laufen die Aufräumarbeiten auf Hochtouren, doch die Meteorologen sagen schon die nächsten Unwetter für das betroffene Gebiet voraus. Die AZ hat mit dem Diplom-Meteorologen Dominik Jung gesprochen, der davon ausgeht, dass sich die Starkregenfälle in Zukunft häufen werden. Aktuell bleibt die Lage in Simbach, Triftern und weiteren Gebieten äußerst kritisch.

AZ: Genau wie 2013 kommt das Hochwasser Anfang Juni. Ist das Zufall?

Dominik Jung: Es ist zu beobachten, dass in den letzten Jahren der Mai vom Wonnemonat immer weiter weggerückt ist. Er war oft zu nass, zu kühl. Und das hat sich dieses Jahr bestätigt. Das kann zwar Zufall sein, aber es gibt schon einen gewissen Trend, dass der Mai immer nasser wird.

Die Fluten am Mittwoch kamen sehr überraschend. Waren sie nicht vorherzusehen?

Es war jedenfalls vorherzusehen, dass wir starke Regenfälle bekommen, die kamen nicht überraschend. Aber die Intensität und welchen Ort sie genau treffen, das war nicht festlegbar. Und dass es natürlich so heftig geworden ist, gerade hier in der Region um Simbach, das war natürlich dann doch überraschend.

Es liegen nur drei Jahre zwischen den beiden verheerenden Hochwassern. Nehmen Überflutungen tatsächlich zu?

Gewitter und Unwetter sind an sich nicht mehr geworden, doch sie werden immer heftiger. Es gibt also mehr Starkregenfälle und damit häufiger Überflutungen.

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An was liegt das?

Das hängt damit zusammen, dass sich die durchschnittlichen Temperaturen erhöhen. Mehr Wärme kann mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre aufnehmen und damit nimmt die Heftigkeit und die Häufigkeit von Starkregen-Ereignissen zu.

Welche Wetterlage muss vorherrschen, damit solche starken Regenfälle zu Überflutungen führen?

Die Gewitterfront muss sich sehr langsam fortbewegen. Am Mittwoch war sie ja fast stationär gelegen. Es war keine große Windbewerbung da, die die Gewitterwolken hätte weiterschieben können. Und so konnten sie immer wieder an Ort und Stelle ihre riesige Regenfracht abladen. Und das war halt zu viel.

"Die Lage bleibt bis zum Wochenende angespannt"

Wie wird das Wetter in den kommenden Tagen, vor allem in den Katastrophengebieten?

Es bleibt eher kritisch, vor allem im Rottal. Es sind schon wieder Gewitter unterwegs und die Lage bleibt bis zum Wochenende angespannt. Ob da wieder ähnliche Starkregenfalle mit dabei sind, kann ich jetzt nicht sagen. Aber die Situation bleibt ernst.

Somit sind weitere Überflutungen möglich?

So sieht es leider aus. Und das nicht nur im Raum Simbach. Auch etwa im Raum Deggendorf oder Passau sind Hochwasser möglich.

Wie unterscheidet sich das aktuelle Hochwasser von dem vor drei Jahren?

Damals war es ein sehr großes Tief mit massiven Regenfällen, die zwei, drei Tage lang angedauert haben. Nun sind es punktuelle Gewitter, die mit ihren Starkregenfällen für Überflutungen sorgen.

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Welche Rolle spielt die Versieglung der Böden? Das Wasser kann ja oft gar nicht mehr ablaufen.

Klar, die spielt eine Rolle. Aber da hätte jetzt in Simbach oder Braunsbach auch das beste Versickern nichts gebracht. Das war einfach zu viel, das hätte der Boden gar nicht aufnehmen können.

Wird das Wetter in Deutschland generell extremer?

Ja schon, die Extremereignisse nehmen auf jeden Fall zu.

Welche Gründe hat das, spielt der Klimawandel eine Rolle?

Den Klimawandel gibt’s schon seit die Erde besteht. Das Klima wandelt sich immer. Es gab Warmzeiten, es gab Eiszeiten im Mittelalter. Jetzt momentan haben wir eine Phase, in der es wieder ein bisschen wärmer wird. Wir wissen nicht, wie es in 20 oder 30 Jahren aussehen wird. Geht’s nach unten? Geht’s noch weiter nach oben? Das kann heute keiner sagen, auch wenn manche glauben, sie könnten es.


Chronologie - Verheerende Hochwasser in Deutschland

Heftiger Regen, reißende Fluten – Klimaforscher warnen schon lange vor extremen Unwettern als Folge der Erderwärmung. Ein Rückblick auf frühere Hochwasserkatastrophen in Deutschland:

Juni 2013: Überflutungen in ganz Mitteleuropa: Das Hochwasser kostet in Deutschland und seinen Nachbarländern 25 Menschen das Leben. In Deutschland sind Passau und Deggendorf besonders betroffen.

August 2010: Extreme Regenfälle führen im Dreiländereck von Deutschland, Tschechien und Polen zu heftigem Hochwasser und Überschwemmungen. Am polnischen Witka-Stausee bricht ein Damm, zusätzliche Wassermassen gelangen in die Neiße. Mindestens zehn Menschen ertrinken.

März/April 2006: Wegen des Elbe-Hochwassers wird in Teilen Sachsens Katastrophenalarm ausgerufen. Auch in anderen ostdeutschen Ländern gilt die höchste Alarmstufe. In Norddeutschland erreichen die Elbe-Fluten an mehreren Orten neue Höchststände jenseits der Werte des Jahrhunderthochwassers von 2002.

August 2002: Nach sintflutartigen Regenfällen rollt eine verheerende Elbe-Flutwelle von Tschechien nach Norddeutschland. In Dresden erreicht das Hochwasser einen Rekordhöchststand. Allein in Sachsen sterben mindestens 20 Menschen. In Bayern sind besonders Regensburg und Passau von einer Flutwelle der Donau betroffen.

Juli 1997: Nach starken Regenfällen hält das Hochwasser der Oder die Menschen in Brandenburg, Tschechien und Polen in Atem und verursacht Schäden in Milliardenhöhe. Bei einem der größten zivilen Katastropheneinsätze bemühen sich bis Anfang August 45 000 Helfer, darunter 30 000 Bundeswehrsoldaten, die Deiche mit Millionen von Sandsäcken zu sichern.

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