Landtagswahl 2018: Die Grünen werden zweitstärkste Kraft

Die Partei wird zweitstärkste Kraft im Landtag – zum ersten Mal mit einem zweistelligen Ergebnis. Klar ist aber auch: Nach dem Feiern könnte es allerdings noch kompliziert werden.
M. Siegert, B. Schultejans |
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Strauß in der Hand, andere Hand aufs Herz: die beiden bayerischen Grünen-Spitzenkandidaten Ludwig Hartmann und Katharina Schulze.
imago Strauß in der Hand, andere Hand aufs Herz: die beiden bayerischen Grünen-Spitzenkandidaten Ludwig Hartmann und Katharina Schulze.

München - Um drei Sekunden nach 18 Uhr knallt es laut im Landtag: Im Saal der Grünen-Fraktion spritzt grüner Glitzer aus Konfetti-Kanonen, Jubel brandet auf. Es erklingt laut Queens "Don’t Stop Me Now".

Die Grünen haben bei der Landtagswahl ein historisches Ergebnis eingefahren: Knapp 18 Prozent sind es laut Hochrechnungen kurz vor 22.30 Uhr – fast so viel, wie die aus Sicht der Partei optimistischsten Umfragen vorausgesagt haben und so viel wie die Grünen im Freistaat noch nie hatten. Die Partei ist zweitstärkste Kraft hinter der CSU und weit vor Freien Wählern, AfD und SPD.

"Mein Herz hat gehüpft", beschreibt Spitzenkandidatin Katharina Schulze den Moment, als sie die erste Hochrechnung sah. Dass es "sehr bumpert" sagt sie später, als sie gefragt wird, ob sie bei all der Euphorie auch etwas enttäuscht sei, dass Schwarz-Grün offenbar keine zwingende Koalition sei und die Grünen vielleicht doch nicht mitregieren. Sie moderiert die Frage sanft weg: Sie sei heute "erstmal nur dankbar".

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"Dass wir es so deutlich schaffen, hätte ich nicht erträumen können"

Von einem historischen Wahlsieg sprechen alle Grünen – von Schulze über Bundeschef Robert Habeck bis zu Cem Özdemir und Claudia Roth, die zur Wahl nach München gekommen sind. Endlich zweistellig zu werden in Bayern, das sei zwar das erklärte Ziel gewesen, sagt Roth. "Aber dass wir es so deutlich schaffen würden, hätte ich mir gar nicht erträumen können." Bei Wählerinnen unter 30 lag die Umweltpartei sogar vor den Christsozialen.

Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht den Erfolg auch als Bestätigung für den Kurs im Bund, sich bereit zu zeigen, Verantwortung zu übernehmen, und über die Öko-Kernklientel hinaus auf die Breite der Gesellschaft abzuzielen.

Ähnlich ordnet es die Konkurrenz ein: Landtagspolitiker Erwin Huber (CSU) bescheinigte im BR den Grünen, sie hätten einen "geschickten Wohlfühl-Wahlkampf" geführt – "nicht mehr mit so radikalen Sachen wie Veggie Day und so".

Irgendwann springen Habeck und Hartmann ins Publikum

Bisheriger Spitzenwert der Grünen bei einer Bayern-Wahl war 9,4 Prozent im Jahr 2008. 2013 hatten sie 8,6 Prozent erreicht, wurden nur viertstärkste Kraft. "Das Ergebnis zeigt: Wir haben genau den richtigen Wettbewerb gemacht", sagt Özdemir, "und zwar einen, der kein Überbieten mit Populismus ist, kein Wettbewerb darum, noch fanatischer zu sein als die anderen. Es zeigt auch, dass man mit einer klaren pro-europäischen Politik gewinnen kann. ,Bayern First’ ist heute nicht gewählt worden."

"Wir haben heute eine Zeitenwende für Bayern eingeleitet", sagt der zweite Spitzenkandidat Ludwig Hartmann. Endlich zweistellig! "Nächstes Mal dreistellig", ruft jemand aus der Menge. Diese Menge ist in diesem Jahr so groß wie noch nie – zum Glück für Hartmann und den Bundesvorsitzenden Robert Habeck, die noch ins Publikum springen und sich auf den Händen durch den Saal tragen lassen.

Doch in die Feierstimmung mischen sich schnell die Fragen, wie es nun weitergeht. Die CSU braucht einen Koalitionspartner. Die Grünen haben immer wieder Interesse an der Regierung bekundet. "Natürlich wollen wir Verantwortung für dieses schöne Land übernehmen", sagt Schulze gestern Abend. "Ich selber bin ja auch nicht in die Politik gegangen, um in Schönheit am Spielfeldrand zu sterben, sondern um Gesellschaft zu verändern."

Bei den Grünen in Berlin sind aber manche sichtlich erleichtert, dass die CSU offenbar nicht unbedingt die Grünen braucht. Schwarz-Grün fällt sowieso vielen schwer, und dann auch noch mit dem Lieblingsfeind CSU? Irgendwie reizvoll, irgendwie gruselig.

"Um die Uhrzeit kann man das überhaupt noch nicht sagen", sagt Roth. Erstmal wolle man feiern, morgen dann weitersehen. Ähnlich äußert sich Schulze: "Mit uns kann man immer über eine gerechte und ökologische Politik reden. Nicht aber über eine anti-europäische und autoritäre Politik." Den Spruch hat sie schon im Wahlkampf immer wieder aufgesagt.

Dann sagt sie noch etwas ohne das bekannte breite Lächeln: "Die nächsten fünf Jahre werden nicht einfach. Denn wir haben viel zu verteidigen und viel nach vorn zu bringen."

Hier sehen Sie wir Ihr Stimmkreis gewählt hat: Landtagswahl 2018: Ergebnisse und Wahlbeteiligung der Stimmkreise

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