Ticketkauf: Die dubiosen Methoden von Viagogo

Die Ticketplattform Viagogo setzt Käufer künstlich unter Kaufdruck: Die Verbraucherzentrale warnt nun vor Käufen ohne Preisvergleich.
Katrin Kastenmeier |
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Helmut Renger in seinem Laden.
kk Helmut Renger in seinem Laden.

Landshut - Wer kennt es nicht: Angesagte Sportevents und Konzerte sind in Windeseile ausverkauft. Um seine Lieblinge live zu sehen, bleibt Fans häufig nur noch der Weg über den Zweitmarkt, um noch an Karten zu kommen. Das kann schnell zum Ärgernis werden.

Viagogo setzt Käufer unter Druck

Emanuel S. (40) aus Landshut will Karten als Geschenk für einen Freund bestellen. Seine Lieblingsband "Graveyard" hat im Münchner Technikum einen seltenen Auftritt. S. googelt und wird sofort auf die Homepage von Viagogo weitergeleitet. Dort heißt es: Nur noch zwei Prozent an Resttickets sind verfügbar. Die Bestellung müsse sehr schnell über die Bühne gehen. Unter Zeitdruck gibt S. seine Daten ein.

Doch plötzlich heißt es: Friss oder stirb. Erst kurz vor der Bestellaufgabe sieht S. die zusätzlichen horrenden Gebühren, die für Service, Mehrwertsteuer und Versand aufgeschlagen werden. Dafür muss S. circa 50 Euro mehr hinlegen, als der offizielle Ticketpreis vorschreibt. Eine ziemliche Abzocke – auf die er allerdings nicht als einziger hereingefallen ist.

Was hinter der Masche steckt

Andrea Geißler von der Verbraucherzentrale Landshut erklärt das System hinter Viagogo: Zunächst sieht die Onlineplattform tatsächlich aus wie eine Vorverkaufsstelle für Musikkonzerte und Fußballspiele im Internet. Ist sie aber nicht. "Es ist sehr schwer erkennbar, ob es sich um die Original-Seite des Veranstalters oder um die Homepage von Viagogo handelt. Erkennen kann man das nur, wenn man sich die Adresszeile im Browser genau ansieht", so Geißler.

Viagogo ist ein virtueller Treffpunkt, an dem Käufer und Kartenverkäufer einen Deal abschließen können. Laut Geißler also ein Zweitmarkt oder besser gesagt: ein "Schwarzmarkt". Der Knackpunkt: Was wie eine Serviceplattform für Verbraucher aussieht, unterstützt vielmehr Tickethändler, die teils, auch über computerunterstützte Bot-Programme, große Margen von Konzertkarten einkaufen, um sie später gewinnbringend im Internet zu veräußern.

Viagogo-Tickets sind oft ungültig

Nach dem Kauf sind nämlich die Verbraucher die Geschädigten. Denn auf Viagogo erstandene Tickets sind laut Geißler nicht nur überteuert, sondern oft auch teilweise noch ungültig.

Mit Druck versucht die größte Zweitmarktplattform Europas, Verbraucher zu einem schnellen Kauf zu verleiten. Laut der Verbraucherzentrale gaukelt das Portal mit verschiedenen Grafiken eine Knappheit an Tickets vor. Viagogo erwecke somit den Eindruck, zahlreiche weitere Interessenten bemühten sich just in diesem Moment um eine Eintrittskarte. Die Plattform ist somit keineswegs, wie behauptet, für Privatleute gedacht. Gewerbliche Anbieter könnten stattdessen mit völlig überteuerten Karten ein Riesengeschäft machen.

Etwa 30 bis 40 Prozent der Karten werden bereits online verkauft

Laut Geißler wirbt Viagogo außerdem mit einer 100-prozentigen Garantie, die gewünschten Tickets zu bekommen. In den Geschäftsbedingungen der Firma wird diese Aussage aber wieder stark eingeschränkt. So könne es durchaus vorkommen, dass letztendlich eine andere Preiskategorie, ein anderer Sitzplatz oder gar ein anderes Datum auf der Eintrittskarte stehe.

Spätestens in solchen Fällen schreitet dann die Verbraucherzentrale ein. "Wir haben Viagogo bereits abgemahnt", sagt Geißler. Auf eine Abmahnung muss vonseiten Viagogos eine Unterlassungserklärung folgen. Diese ist aber bisher nicht eingegangen. "Deswegen klagen wir jetzt gegen die Ticketplattform."

Auch beim Rockshop Landshut, einem Landshuter Tickethändler, hat sich in den letzten Jahren einiges verändert. Wie Besitzer Helmut Renger sagt, hat der Online-Kauf in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. "Sogar in unserem Shop werden jetzt gut 30 bis 40 Prozent aller Karten über das Online-System bestellt. Das war früher nicht so."

Es gibt auch seriöse Zweitverkäufer

Der Rockshop Landshut ist eine offizielle Vorverkaufsstelle der Ticketpartner: München-Ticket, Reservix, Inn-Salzach-Ticket sowie der Therme Erding. Renger erklärt, dass alle seriösen Verkaufsstellen auf der Homepage von München-Ticket aufgelistet sind. "Kunden können ganz einfach prüfen, wer ein Partner ist – und wer Zweitverkäufer." Seriöse Zweitverkaufsplattformen gibt es nämlich auch.

Helmut Renger in seinem Laden.
Helmut Renger in seinem Laden. © kk

Laut Renger liege ein Problem bei Veranstaltungen mittlerweile auch darin, dass sich Kunden ganz automatisch dazu verleiten lassen, "schwindelige Last minute Preise" zu zahlen, um ihre Stars einmal live zu sehen. "Viele sind bereit, den letzten Cent für ihren Lieblingskünstler auszugeben." Und genau das nutzten die Ticketdealer aus.

Wenn "ausverkauft" draufsteht, gibt es dennoch meist Tickets

Aber: Sogar bei Veranstaltungen, die fast ausverkauft zu sein scheinen, gebe es bei offiziellen Vorverkaufsstellen oft die Möglichkeit, am letzten Tag noch Eintrittskarten zu ergattern. "Manchmal kommen kurz vor knapp noch 100 Tickets online, weil viele Restkarten für Pressevertreter im Voraus reserviert wurden", erklärt Renger.

In offiziellen Vorverkaufsstellen, wie dem Rockshop, bekommt man jedes Ticket zum Originalpreis, der vom Veranstalter festgelegt ist. Die Händler haben feste Verträge mit den Künstlern und Konzertbüros. "Wir dürften gar keine zusätzlichen Kosten draufschlagen oder den Preis verändern", so Renger. "Wenn man sich im Internet allgemein nicht so gut auskennt, ist es oft besser, persönlich in einen Ticketshop zu gehen", sagt Renger. Dort könne man sich bei einigen Veranstaltungen auch gleich den Sitzplatz dazu aussuchen oder die verschiedenen Preiskategorien erklären lassen. "Wir weisen unsere Kunden auch immer darauf hin, dass mittlerweile viele Karten personalisiert sind." Das bedeute, dass einem nur mit dem richtigen Namen auf dem Ausweis und dem Ticket Einlass gewährt wird.

Eine rechtliche Verfolgung ist oft teuer

Genau deswegen müssen mittlerweile viele Fans draußen bleiben. Auf dem Ticket steht in Großbuchstaben der Name des Käufers. Wenn Karten dann über Portale wie Viagogo weiterverkauft werden, ist die Karte ungültig. Ob der Einlass gewährt wird: ungewiss. "Die Zweithändler wissen das ganz genau, aber auf ihrer Homepage findet man darüber kein Wort ", sagt Geißler.

Wem das passiert, der wendet sich an die Verbraucherzentrale oder direkt an die Polizei. Wer rechtliche Schritte einleiten will, sollte rechtsschutzversichert sein. Wie Geißler sagt, ist eine rechtliche Verfolgung immer auch eine Abwägungssache. "Erst wenn eine Straftat vorliegt, kann etwas gegen Viagogo erreicht werden und man bekommt sein Geld zurück."

Denn nach der Abzocke im Internet kann schon die nächste Hürde auf den Verbraucher warten. Geißler: "Diese Firmen sind aber rechtlich gut geschützt."

Lesen Sie hier: Dreiste Preise auf Viagogo - Internet-Betrug mit Zirkus-Tickets

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