"Sorgenheim" Landshut: Coronavirus wütet in Pflegeheimen
Landshut - Bereits vergangenes Wochenende war die Situation in den Alten- und Pflegeeinrichtungen in der Stadt besorgniserregend. 48 Bewohner waren zu dieser Zeit positiv auf das Coronavirus getestet worden. Nach wie vor sei laut Stadt die Lage ernst. Inzwischen ist die Zahl auf 70 angestiegen.
Besonders beunruhigend: In einem Altenheim in der Stadt ist eine Pflegerin angestellt, die zwischenzeitlich der Querdenker-Szene angehörte und sich geweigert hatte, eine FFP2-Schutzmaske beim Kontakt mit den Bewohnern zu tragen. Das teilte die Stadt auf AZ-Anfrage mit.
Die Pflegerin ist nach AZ-Information von der Heimleitung suspendiert worden. Ob die Frau selbst infiziert war oder ist und Bewohner oder Kollegen angesteckt hat, ist unklar. "Wir wissen nicht, ob sie positiv ist, da sie Corona-Tests verweigert hat", sagte Oberbürgermeister Alexander Putz gestern: "Das ist untragbar." Mittlerweile wurde die Frau, die auch in dem Heim in einer Wohnung lebte, aufgrund eines anderen Strafverfahrens von der Polizei festgenommen und sitzt derzeit in München in Haft.
Auf das Heim, das unter privater Trägerschaft steht, sind knapp die Hälfte aller seit Jahresbeginn in der Stadt gemeldeten Neuinfektionen in Pflegeeinrichtungen zurückzuführen. Aktuell sind dort mehr als die Hälfte der 120 Bewohner mit dem Virus infiziert.
Auch nach Wochen keine Eindämmung der Infektionen
Weil auch nach mehreren Wochen das Infektionsgeschehen von der verantwortlichen Heimleitung beziehungsweise vom Träger bisher nicht nachhaltig eingedämmt werden konnte, hat dort am Donnerstag eine zweite Begehung durch Vertreter des Gesundheitsamts, der Regierung von Niederbayern und des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) stattgefunden. Putz: "Die Regierung und das LGL sind eingeschaltet. Wir hoffen, dass sich die Situation bessert."
Zwar sei auch in anderen Senioren- und Pflegeeinrichtungen - laut Stadt überwiegend von privaten Trägern betrieben - das Virus seit Beginn der "zweiten Coronawelle" ausgebrochen; derzeit sind von insgesamt mehr als 1000 Bewohnern etwa 70 aktiv infiziert. Trotzdem konnte in den meisten betroffenen Einrichtungen aber die Lage durch strikte Einhaltung der Hygieneregeln schnell wieder unter Kontrolle gebracht werden, teilt die Stadt mit.
Bei der Begehung des besagten "Sorgenheims" am Donnerstag wurde festgestellt, dass die bei der ersten Begehung zu Beginn des Ausbruchs durch die Fachbehörden angemahnten Gegenmaßnahmen in der Einrichtung nicht ausreichend umgesetzt wurden.
Das betreffe laut Stadt insbesondere Hygieneregeln im Umgang der Pflegekräfte mit den Bewohnern, aber auch die mangelhafte Besetzung mit Fachpersonal und die adäquate Verwendung von Schutzausrüstung. "Unsere Einflussmöglichkeiten sind auch begrenzt. Denn auch die strengsten Regeln helfen nichts, wenn sie nicht beachtet werden", sagt Putz zu dem "Sonderfall", wie er das Heim bezeichnet. Denn mit dieser Einrichtung hätte es immer wieder schon Probleme gegeben.
Putz: "Früherer Impfstoff hätte Ausbruch verhindert"
Nach Einschätzung der Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen - Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA) sind für das Heim jetzt per Anordnungen nochmals eine konsequente Durchführung der Infektionsschutzmaßnahmen anzumahnen.
Denkbar sei laut Stadt ein weitreichender Maßnahmenkatalog, der folgende Elemente umfassen kann: die sofortige Einrichtung einer "Pandemie-Zone", in der aktiv infizierte Bewohner isoliert werden können, ein engmaschiges medizinisches Monitoring aller Bewohner, die strikte Einhaltung strenger Hygieneregeln für das Pflegepersonal sowie tägliche Coronatestungen des Personals per Antigen-Schnelltest (POC) beziehungsweise mindestens einmal pro Woche per PCR-Test. "Sollte der Maßnahmenkatalog erneut nicht oder nur teilweise umgesetzt werden, behalten sich die Fachbehörden weitere Schritte vor", teilte die Stadt mit.
"Wie wichtig es ist, dass in den Heimen alle geimpft werden, sieht man auch an den aktuellen Ausbrüchen", sagt Putz. Denn ob geimpft wird oder nicht, entscheide dort oft über Leben oder Tod, so der Oberbürgermeister weiter.
Zwar wurde kürzlich die "erste Runde" Impfen der Heimbewohner in der Stadt abgeschlossen, nur scheinbar etwas zu spät. Die bisher vorliegenden Erkenntnisse der Stadt sagen nämlich, dass sich die Infizierten angesteckt haben, ehe die Impfung ihre Wirkung entfalten konnte. "Hätten wir zwei Wochen früher einen Impfstoff gehabt, hätten die Ausbrüche verhindert werden können", sagt Putz.
Dass sich das Virus in den letzten Wochen so rasant in den Heimen ausbreiten konnte, bereitet dem OB Sorgen. "Das ist etwas, was wir nicht nachvollziehen können", sagt er: "Wir haben die schärfsten Regeln seit Dezember. Wir sind bisschen ratlos, was man noch tun kann."
Die Stadt Landshut hat per Allgemeinverfügung in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt und der Regierung von Niederbayern bereits Ende Dezember die Schutzmaßnahmen für Senioren- und Pflegeheime im Stadtgebiet erheblich und deutlich über die landesrechtlichen Bestimmungen hinaus verschärft.
Es wurde unter anderem eine - inzwischen bayernweit gültige - Testpflicht für Besucher und Personal, eine strikte Beschränkung der Besuchsmöglichkeiten und eine FFP2-Maskenpflicht für Besucher angeordnet.
Rückmeldung aus Klinikum: "Virus scheint infektiöser"
Eine Erklärung für den aktuellen Ausbruch in den Heimen, den es laut Putz so auch im letzten Jahr mit weniger Maßnahmen nicht gegeben habe, wäre ein mutierter Virus, wie der, der zuletzt in England die Zahlen der Coronainfizierten in die Höhe schnellen ließ.
Bereits im Oktober hatte der Oberbürgermeister Rückmeldungen aus dem Gesundheitswesen bekommen. Die Leitung des Klinikums hatte ihm beispielsweise gesagt, dass irgendwas anders sei in Hinblick auf das Virus. Das Virus scheine infektiöser. "Das lässt einen nicht kalt", sagt der OB: "Der Verdacht liegt nahe, dass es bei uns eine infektiöserer Variante des Coronavirus gibt." Deshalb hat die Stadt beim Gesundheitsamt eine Sequenzierung angeregt, bei der PCR-Tests untersucht werden.
Außerdem hat sich Putz selbst in einem Brief mit der dringenden Bitte an Gesundheitsminister Klaus Holetschek gewandt, zu untersuchen, inwieweit nicht schon längst infektiösere Mutationen des Virus in der Region grassieren.
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