Rollstuhltraining in Landshut: Damit Hindernisse kleiner werden
Landshut - Sturzprophylaxe, ÖPNV, Rolltreppen, Kopfsteinpflaster: Es gibt viele Hindernisse und verzwickte Situationen im Alltag, auf die Rollstuhlfahrer stoßen können.
Sei es das Regal im Supermarkt, das zu hoch ist, genauso wie so mancher Bordstein an der Straße. Und wer mit einem Rollstuhl in den Bus einsteigen oder wieder aus dem Bus aussteigen will, braucht Übung - und sollte sich nicht schämen zu fragen, wenn er doch mal Hilfe benötigt, genauso im Supermarkt.
Rollstuhltraining: Angehörige erleben mit
Um diese und andere Hindernisse zu meistern - oder um ihnen zumindest sicher und selbstbewusst zu begegnen -, konnten Rollstuhlfahrer am Samstag in der Turnhalle Nikola mit einem Rollstuhltrainerteam üben.
Das Angebot richtete sich zudem an Menschen, die bereits teilweise auf einen Rollstuhl angewiesen sind oder durch eine fortschreitende Krankheit in Zukunft auf einen Rollstuhl angewiesen sein werden sowie an alle Angehörigen. "Es ist ein großer Unterschied, ob man jemanden nur schiebt oder es selbst mal erlebt hat", sagte Rollstuhltrainer Christoph Högl.
Högl, der mit seinem Team aus Regensburg angereist war, teilte die Teilnehmer in mehrere Gruppen nach ähnlichen Lebensherausforderungen ein: in E-Rollstuhlfahrer, in Menschen mit Muskelerkrankungen, die noch nicht auf einen E-Rollstuhl angewiesen sind, in aktive Rollstuhlfahrer und in die "Fußgänger".
In der Landshuter Altstadt wird der "Ernstfall" geprobt
Trainiert wurde an verschiedenen Parcours. Sogar zwei Busse wurden organisiert, die die Unternehmen Weingartner und Amberger zur Verfügung stellten. Der "Ernstfall" wurde nachmittags in der Altstadt geübt. Dass man sich für die Übung vorher nicht beim Drogeriemarkt in der Altstadt anmeldete, erklärt Sebastian Freyer vom Organisatorenteam der EUTB so: "Die Rolltreppenübung sollte so realitätsnah wie möglich sein. Für alle." Gemeint waren damit die Unternehmensmitarbeiter.
Hinter dem Rollstuhltraining "Entfesselt in Landshut" steht die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung Landshut-Altdorf (EUTB). Finanziert wurde das Projekt von einer privaten Sponsorengruppe um ihren Vorsitzenden Michael Pfanneberg, dessen Sohn seit Kurzem auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Pfanneberg: "Wir haben die Unterstützung für das Rollstuhltraining relativ schnell zugesagt, da es sich um ein sinnvolles und neues Projekt in Landshut handelt, das es so noch nicht gab. Ich freue mich, dass es auch so gut angenommen wird."
Kleinigkeiten haben für Betroffene große Wirkung
Über die positive Resonanz am Samstag freuten sich auch die weiteren EUTB-Mitarbeiter Tanja Rohde und Hans-Peter Brunnhuber, die gleichwohl die Idee äußerten, dass es nicht bei der Einmaligkeit dieses Rollstuhltrainings bleiben sollte. Rohde: "Gerne würden wir dieses Training ein bis zweimal pro Jahr in Landshut, eventuell in anderen Städten, stattfinden lassen." Soll heißen: Interessenten dürfen sich bei der EUTB melden.
In Landshut erregte das Projekt bereits Aufmerksamkeit: Zu Gast waren neben Linda Pilz, Behindertenbeauftragte des Landkreises Landshut, und Markus Scheuermann, Behindertenbeauftragter des Bezirks Niederbayern, auch SPD-Stadträtin Anja König die sich gut vorstellen kann, dass sich die Stadt künftig an dem Training beteiligt. "Das Thema Inklusion ist immer wichtig. Es gibt Menschen, die sind von heute auf morgen betroffen. Da ist es wichtig, dass man eine Schulung bekommt, die gleichwohl auch Menschen angeboten wird, die es nicht betrifft. So kann man erst sehen, welche Kleinigkeiten für Betroffene eine große Wirkung haben."
So war es auch: Damit die Angehörigen ebenfalls ein Gefühl für kritische Situationen bekommen, standen am Samstag auch Rollstühle für sie bereit. So konnte die Gruppe der Fußgänger am Workshop teilnehmen.
Der positive Effekt durch das Training könnte sich in Landshut sogar bald in Zahlen bemerkbar machen: Wie Rollstuhltrainer Högl sagt, sei nach regelmäßigem Training die Zahl der versicherungspflichtigen Unfälle mit Rollstuhlbeteiligung im öffentlichen Nahverkehr von 20 auf zwei pro Jahr gesunken. Auch weil die Busfahrer mittrainiert haben.
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