"Krankenhaus-Essen mittlere Katastrophe": In dieser Klinik-Küche in Bayern kocht ein Promi-Koch
Landshut - Seine Markenzeichen, das Bandana und die langen Haare, sind unter dem türkisen Haarschutz versteckt. Klar, hier im Krankenhaus wird Hygiene doppelt groß geschrieben. Zu erkennen ist Stefan Marquard (60) dennoch sofort: markante schwarze Brille, langer Kinnbart, auf seiner Kleidung steht vorne und hinten: "Rock Chef".

Der Promi-Koch marschiert durch die Großküche im Klinikum Landshut, ruft den Mitarbeitenden, die gerade individuell die Mittags-Tabletts für die Patienten bestücken, zu: "Guten Morgen, die Damen!"
Bis zu 800 Mittagessen werden hier jeden Tag zubereitet, unter anderem auch für das BKH und die Mitarbeiter. Hier steht ein Tablett-Wagen voller Lasagne, dort werden gerade Serviettenknödel gerollt.
Eine solche Aufgabe hatte er noch nie
Seit diesem Jahr hat Marquard eine Aufgabe, die er in dieser Form noch nie hatte: Er wird die Klinik-Küche fünf Jahre lang als Berater unterstützen. Unregelmäßig ist er vor Ort, wie an diesem Montag, als ihn die AZ trifft. Vieles lässt sich ansonsten auch via Online-Besprechungen regeln, wie er sagt. Er lebt mittlerweile an der Côte d'Azur.
An mehreren Tagen pro Woche soll es laut Mitteilung des Klinikums künftig neue oder weiterentwickelte Gerichte geben. Zum Beispiel: Weideschafragout mit frischem Gemüse und getrockneten Aprikosen, Rindergulasch mit nussigem Kartoffelschnee oder gegrillte Aubergine mit Mini-Kartoffeln. Marquard findet: "Wenn man krank ist, gehört gutes, gesundes Essen dazu, um schneller gesund zu werden."
"Ich will den Jungs nicht zeigen, wie man kocht"
Dass die Speisen in Kliniken vielerorts nicht das beste Image haben, bestätigt er: "Meine Erfahrungen mit Krankenhaus-Essen waren immer eine mittlere Katastrophe." Nun mischt er also selbst mit. Wobei er klar die bisherige Qualität von Küchenchef Carsten Fleuren (51) und dessen Team hervorhebt: "Ich will den Jungs nicht zeigen, wie man kocht. Das können die." Er habe lediglich die Methoden umgestellt.

Zusammengefasst soll das Folgendes bewirken: "Mehr Effizienz, weniger Energie, weniger Wasser, weniger Gewichtsverlust, weniger Handgriffe – das ist mein Job hier", sagt Marquard der AZ. Und: dazu mehr Nährstoffe im Essen, das den Patienten und Mitarbeitern noch besser schmecken soll.
"An jedes salzige Essen eine Prise Zucker"
Wie er das schafft? Sein Zauberwort heißt "aktivieren". Darunter versteht er, Gemüse oder auch Fleisch im rohen Zustand im Verhältnis fünf zu eins mit Salz und Zucker zu würzen. "Aktivieren ist nichts anderes als das, was uns unsere Großmütter immer gepredigt haben: 'Kind, an jedes salzige Essen eine Prise Zucker.'" Damit seien rund 75 Prozent des Garprozesses bei Gemüse schon abgeschlossen. Er führt die AZ in einen Bereich der Küche, in dem er unter anderem Karotten auf diese Weise vorbereitet hat – wie das erfahrene TV-Kochs eben so machen. Und siehe da: Sie schmecken überraschend intensiv und frisch. Er biegt ein Stück geschnibbelter Karotte, um zu demonstrieren, wie das Gemüse wie von Zauberhand weich geworden ist.
Damit falle das Blanchieren weg, "was jede Menge Wasser, Energie und Zeit verschwendet". Zudem bleiben die Vitamine, Mineralstoffe, Nährstoffe und Spurenelemente erhalten.
Speisen werden erst portioniert und dann erwärmt
Ein weiteres Plus, das die Qualität der Speisen heben soll: Das Essen muss nicht mehr stundenlang warmgehalten werden. Das geht, weil die Großküche auf die Methode "Cook & Chill" umgestellt hat. Die Mahlzeiten werden direkt nach der Zubereitung auf drei Grad Celsius heruntergekühlt. So sind sie 72 Stunden lagerfähig.
Die Speisen werden also kalt auf die Teller portioniert und erst kurz vor der Essensausgabe auf der Station in speziellen Speisewagen erwärmt.
Das aktivierte Gemüse werde roh angerichtet und erst auf der Station erhitzt. "Dann ist es perfekt auf dem Punkt", so Marquard. Die Tabletts wurden extra dafür angeschafft, sie haben eine Art Ofenplatte integriert. Über den Kontakt im Speisewagen werden nur die darauf platzierten Gerichte erwärmt, nicht aber der Joghurt oder der Salat, die man dazubekommt.
Dem Vorstand schmeckt das Böfflamott am besten
Klinikum-Vorstand André Naumann nennt das Böfflamott als persönlichen Favoriten – zumindest Stand jetzt, denn die Karte soll stetig erweitert werden. Er erzählt der AZ, wie es zu der Kooperation kam: "Wir wollten wirtschaftlicher, leckerer, preiswerter und einfacher kochen." Bei der Recherche dazu sei man auf Profi Marquard gestoßen.
Der bringt aus Naumanns Sicht eine Coolness mit – und auch die Zusammenarbeit mit dem Küchen-Team sei ein Match. Marquard wirkt unkompliziert, ist keiner fürs Siezen, wie er nebenbei sagt und zum Du wechselt.
Das Essen wird besser und gleichzeitig günstiger
Aber Moment. Das Essen wird besser und gleichzeitig günstiger – wie soll das gehen? "Das ist kein Widerspruch", sagt Naumann und erklärt es an einem Beispiel: "Wir haben anfangs viel zugekauft, etwa Soßen. Wenn man sie selber macht, sind sie wesentlich preiswerter, manchmal nur ein Zehntel davon. Der Clou: Es ist auch noch gesünder." Es gebe einerseits die Speisekarte für Privatpatienten, auf dem jeden Tag ein Marquard-Gericht zur Auswahl steht. Für gesetzlich Versicherte gibt es eines pro Woche. Das soll ausgebaut werden, zudem werden die bestehenden Gerichte fortlaufend auf die neue Methode getrimmt.
Die Umstellung auf "Cook & Chill" im Jahr 2020 habe der Qualität bereits einen Schub gegeben, erzählt Küchenchef Fleuren der AZ. Die Rückmeldungen seien positiv. Zum Beispiel schrieben manche auf die Tablett-Karten: "Essen war sehr gut, hat super geschmeckt." Fleuren weiter: "Bei den Marquard-Gerichten steht jetzt mit drauf: 'Man merkt, dass jetzt noch ein Star-Koch mit da ist.'" Stört ihn das Extra-Lob für den bekannten Kollegen? Gar nicht. Und das glaubt man ihm.
Schärfere Richtlinien als im Restaurant
Fleuren erklärt den Spagat, den eine Großküche im Krankenhaus leisten muss: "Wir müssen es mit drei Gerichten einer großen Menge an Leuten recht machen." In der Regelversorgung wählt man zwischen "Vollkost", "Leichte Vollkost" und "Vegetarisch".

Dabei ist auch klar: "Wir sind kein Restaurant." Es gelten schärfere Richtlinien, wie er an einem Beispiel ausführt: "Ich kann kein Englisch gebratenes Steak servieren. Der Gesetzgeber gibt vor: Ich muss die Speisen drei Minuten über 72 Grad erhitzen."
700 verschiedene Kombinationen
Dazu muss auf Allergene, Unverträglichkeiten oder auch Diabetes geachtet werden. Fleuren rechnet mit rund 700 solcher verschiedener Kombinationsmöglichkeiten, die theoretisch vorkommen könnten.
In der Küche wird derweil zum Probeessen und zur Kontrolle der Temperatur angerichtet – an diesem Tag gibt es unter anderem Gulasch und Mini-Pfannkuchen. Die AZ darf probieren. Das Urteil: Das würden wir auch außerhalb eines Krankenhauses gern essen.
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