"Wir wollen niemandem Angst machen": Im Chiemgau verkleiden sich auch die Frauen

Frauen sind bei vielen Krampusläufen tabu. Doch es ändert sich was. Im Chiemgau verkleiden sich auch Damen. Was sie vom Hauen und von Klaasohm halten.
Heidi Geyer |
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Frauen in einer Männerdomäne: Vor allem wegen des Zusammenhalts und dem Spaß an den Krampusläufen machen die Mädchen und Frauen bei den Dobe Boch Deifen mit.
Frauen in einer Männerdomäne: Vor allem wegen des Zusammenhalts und dem Spaß an den Krampusläufen machen die Mädchen und Frauen bei den Dobe Boch Deifen mit. © Heidi Geyer

Traunstein - Im Foyer des Traunsteiner Rathauses stehen zwei Kinder. Ihre Augen sind weit aufgerissen und sie schauen erschrocken. Vor ihnen liegen keine Infoblätter und Flyer. Sondern schaurige Masken, Ruten, jede Menge Pelze und lederne Umhänge.

Denn kurz vor dem Krampuslauf am Traunsteiner Christkindlmarkt bringen sich die Mitglieder der "Dobe Boch Deifen" aus Waging am See (Landkreis Traunstein) in Stimmung und bereiten sich vor. Der Name bezieht sich auf den Dobelbach. Vorab hat die Gruppe ihre kunstvollen Masken im Rathausfoyer ausgestellt.

Sie haben Schellen dabei statt Glocken

"Der Krampus ist der Begleiter vom Nikolaus", erklärt Nina Wurm der AZ. Erst ab der Thomasnacht, dem 21. Dezember, kommen die Perchten, die Hexen und die Frau Percht dazu.

Schon optisch könne man sie unterscheiden: "Die Perchten haben im Gegensatz zu den Krampussen Schellen und keine Glocken", sagt Wurm. Perchten stampfen in den Boden und haben einen Stock dabei – damit treiben sie den Winter aus und kündigen das neue Jahr sowie das Wachstum an.

Traditionell sind keine Frauen dabei

Traditionell sind keine Frauen dabei. Wurm war früher Ordnerin bei einem anderen Verein, einer anderen "Pass", wie sich die Zusammenkünfte nennen. Sie ist schon seit zwölf oder 13 Jahren dabei. "Irgendwann hab ich dann als Hexe mitlaufen dürfen", erzählt sie der AZ. Man hört ihr an, dass das Thema kein so leichtes ist.

Antonia Gnadl in voller Montur.
Antonia Gnadl in voller Montur. © Heidi Geyer

Denn ein Großteil der Vereine erlaubt keine Frauen als Perchten oder Krampusse. "Viele sehen das so, dass das halt eine Sache für Männer ist, und da haben Frau nichts verloren", sagt Antonia Gnadl.

Trotz Verkleidung merkt man, wer darunter steckt

Dann haben sich die Dobe Boch Deifen gegründet, bei denen Frauen erlaubt sind. Obwohl sie so verkleidet sind, merken die meisten Zuschauer, wer sich darunter versteckt. "Am Gang beispielsweise", sagt Diana Bögerl und muss lachen.

60 Leute sind im Verein, 45 sind aktiv. Darunter ein großer Teil Frauen, aber auch Männer aus dem ganzen Landkreis.

Krampusläufe sind aus dem Alpenvorland nicht wegzudenken. Aber ihnen haftet oft ein zweifelhafter Ruf an. Dass richtig zugehauen wird - nicht nur im Scherz, sondern so, dass es wehtut. Dass es Übergriffe auf Frauen gibt.

Sogar vor Gericht mussten sich Kramperl und Buttnmandl, wie es sie im Berchtesgadener Land gibt, schon verantworten.

"Wir wollen niemandem Angst machen"

Von den Protesten zum "Klaasohm" auf der Nordseeinsel Borkum, haben sie gar nichts mitbekommen. Ein Teil des Brauchs war dort, dass Einheimische junge Frauen schlugen. In den Medien hatte der Brauch für einen Skandal gesorgt – auch, weil man ihn auf der Insel offenbar geheimhalten wollte. Heuer wurde der Brauch ohne Übergriffe gefeiert.

Nina Wurm räumt ein, dass es bei manchen Krampusläufen schon ganz schön abgehe. "Wir wollen niemandem Angst machen", sagt Antonia Gnadl. Sie habe sogar als Kind "extreme" Angst gehabt vor den Krampussen.

Aus zarter Frau wird ein zotteliger Krampus

Einmal habe sich ein Kollege ihres Vaters bei ihnen daheim in der Küche verkleidet und das Ereignis hat sich eingebrannt vor lauter Weinen. "Irgendwann hab ich mir gedacht, ich möchte das selbst machen, damit die Kinder sehen, dass das nichts Schlimmes ist", sagt Gnadl.

Kurze Zeit später steht sie in ihrer Montur da. Aus der zarten jungen Frau ist ein zotteliger Krampus geworden, mit einer Fratze als Maske und scharfen Hörnern. Sie zeigen den Kindern auch mal, wer dahinter steckt, und knien sich hin.

Caro Tausendpfund.
Caro Tausendpfund. © Heidi Geyer

Caro Tausendpfund ist seit zwei Jahren dabei und hat eine Maske, die schon sehr weiblich aussieht – mit einem eleganten Hut mit Federn.

Auf der Suche nach einer Maske war sie schon länger. Es habe aber gedauert, bis sie eine gefunden habe. "Es ist oft so, dass die Masken zum Charakter passen", sagt Wurm und schmunzelt.

Die Masken kosten 400 Euro aufwärts

Die werden von speziellen Maskenschnitzern aus Holz angefertigt, teils gebe es auch welche aus Guss. 400 Euro aufwärts kosten die Masken, wobei der Preis nach oben offen ist.

Innen sind die Masken oft mit Schaumstoff versehen, hinten sind massive Riemen, sodass sie nicht runterfallen. Schließlich müssen sie beim Toben auch etwas aushalten.

Ganz schön schwer sind die geschnitzten Gesichter, als die AZ sie anfasst. Zumal das Blickfeld eingeschränkt ist. Nur ganz kleine Schlitze sind es, durch die man schauen kann.

Bögerl wünscht sich nur eins: Respekt

Während die AZ mit den Dobe Boch Deifen spricht, blickt ein kleines Mädchen etwas skeptisch vom Arm seiner Mutter herüber. So ganz überzeugt schaut es noch nicht aus. Aber auch nicht total geschockt, eher neugierig.

"Das ist wahrscheinlich auch das, was uns auszeichnet", sagt Diana Bögerl. Dass sie eben nicht aufs Angstmachen setzen. Nur eins wünschen Sie sich: Respekt.

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Denn oft seien es die Zuschauer, die bei den Krampusläufen provozieren, bestätigen alle. Da werde an den Hörnern oder am Glockengurt gezogen. "Die wissen gar nicht, wie gefährlich das ist", sagt Wurm. Die anderen Mädels nicken. "Der bricht dir dann das Genick", sagt Bögerl.

Zuhauen ist bei den Boch Deifen tabu

"Soll ich dann wirklich mal zuhauen?", fragt Antonia Gnadl. Das sei aber bei den Dobe Boch Deifen tabu. "Außer es ist vielleicht jemand, den man kennt", sagt Wurm und lacht.

Zumal die Sache in Österreich noch mal anders sei. Offenbar wird dort toleriert oder nicht kontrolliert, wenn es mal ein bisschen härter zugeht. Wie das so sei? "Guad", sagt Nina Wurm und alle müssen lachen.

Es sei halt einfach anders. Man könne die Masken ganz anders anschauen, sagt Diana Bögerl, weil man sich mehr Zeit lassen könne. "Man geht halt mal langsamer zu den Kindern durch oder man heizt halt einfach", sagt die junge Frau, die selbst Mutter ist.

In der Weihnachtszeit sind sie jedes Wochenende aktiv

Ja, es werde auch mal ein bisschen zugehauen, räumt sie ein. Aber schon gar nicht bei kleinen Kindern. Und es klingt auch nicht so, als würden die Damen nur darauf warten, jemandem den Hintern zu versohlen. Sie alle betonen, wie wichtig es sei, sich nicht provozieren zu lassen.

In der Weihnachtszeit sind sie jedes Wochenende unterwegs in ganz Südbayern und auch in Österreich. Das Highlight ist für die Gruppe immer ein Auftritt in Pullman City in Niederbayern. Heuer findet er am 26. Dezember statt.

Dann werden sich auch die Dobe Boch Deifen wieder in ihre Kostüme schmeißen.

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2 Kommentare
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  • AufmerksamerBürger am 21.12.2024 22:04 Uhr / Bewertung:

    Dürfen Diverse jetzt auch mitmachen, darüber steht nichts im Artikel.
    Scheinbar werden diese nachwievor ausgegrenzt in dieser von Männern und Frauen dominierten Gesellschaft.

  • Kritischer Beobachter am 21.12.2024 19:01 Uhr / Bewertung:

    Solche Umtriebe gehören verboten, ohne Wenn und Aber

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