Korruption in Regensburg – ein eingespieltes System?

Dienstagmittag öffnen sich die Tore der Justizvollzugsanstalt. Nach knapp sechs Wochen in Untersuchungshaft darf der Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) das Gefängnis verlassen.
Zwei Tage vor seinem 46. Geburtstag hat das Landgericht den Haftbefehl gegen den SPD-Politiker unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Das Gericht verhängt aber mehrere Kontaktverbote. Die Justiz traut dem Mann nicht.
Und es betont: Hält sich Wolbergs nicht an die Auflagen, geht er zurück ins Gefängnis. Dabei steht nur zu Beginn der Affäre die Regensburger SPD im Mittelpunkt.
„Wir ermitteln gegen sieben Beschuldigte plus X“, sagt Oberstaatsanwalt Theo Ziegler. Wer oder wie viele Personen sich hinter dem X verbergen, erläuterte er nicht, betont aber, dass immer neue Erkenntnisse hinzukommen. „Es sind Vorgänge über viele Jahre mit vielen Beteiligten“, erklärt der Ermittler.
Neben dem suspendierten Oberbürgermeister Wolbergs sitzen auch Volker Tretzel, ein Geschäftsführer einer Bauträgergesellschaft, und dessen ehemaliger Mitarbeiter Franz W. seit Mitte Januar in Untersuchungshaft.
Ermittelt wird gegen weitere Baulöwen, den ehemaligen Vorsitzenden der Regensburger SPD-Stadtratsfraktion, Norbert Hartl, und gegen den Amtsvorgänger Wolbergs, Hans Schaidinger (CSU) (AZ berichtete).
Es wirkt, als habe es eine ganz besondere Übergabe der Amtsgeschäfte gegeben. „Ich befürchte, dass dahinter ein jahrzehntelanges, eingespieltes System steckt“ sagt der neue Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, Klaus Rappert. Der Jurist möchte eine kriminelle Übergabe der Amtsgeschäfte nicht mehr ausschließen.
Häuser und Wohnungen in Regensburg gelten bei den niedrigen Zinsen als Betongold mit steigender Rendite. Die wenigen Baugrundstücke werden heiß gehandelt. Diese Parameter könnten der Nährboden für Korruption gewesen sein.
Der Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der CSU Regensburg, Franz Rieger, glaubt hingegen nur an eine SPD-Affäre. „Es gibt keine Anhaltspunkte für ein System“, betont Rieger. Er hält jedoch den Beratervertrag für Schaidinger als „politisch und moralisch verwerflich“. Sollte der Ex-OB die Vorwürfe aber nicht entkräften können, fordert Rieger einen Austritt Schaidingers aus der CSU.
Die Affäre liest sich mittlerweile wie ein Krimi aus Mafiakreisen. Da soll es ein angebliches Geheimtreffen der Beschuldigten bei einem Anwalt gegeben haben, um einen Zeugen zu beeinflussen. Offiziell hatte die Staatsanwaltschaft die Haftbefehle gegen Wolbergs, Tretzel und dessen früheren Mitarbeiter W. damit begründet, „dass die drei Beschuldigten in unlauterer Weise bereits massiv auf Zeugen eingewirkt haben und ohne den Vollzug der Untersuchungshaft weiterhin tun würden“.
Die jetzt bei der Freilassung Wolbergs verhängten Kontaktverbote erhärten den Verdacht auf Einflussnahme.
Nur sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mittlerweile so weit fortgeschritten, dass eine konkrete Verdunklungsgefahr nicht mehr besteht.
Die Staatsanwaltschaft beleuchtet auch einen Millionenkredit an Tretzel mit Vorzugskonditionen. Die Ermittler untersuchen, ob sich Wolbergs als Vorsitzender des Kredit- und Personalausschusses der Sparkasse für den Kredit eingesetzt hatte.
Und auch der Fußballverein SSV Jahn Regensburg gerät in den Sumpf. Der Drittligist soll nach einer finanziellen Schieflage von den immensen Unterstützungen des inhaftierten Tretzel abhängig gewesen sein – Gegenleistungen sind nicht auszuschließen.
Jahn-Geschäftsführer Christian Keller betont, es habe zu seiner Zeit keinerlei Einflussnahmen vonseiten des Baulöwen gegeben, weder in den sportlichen noch in den kaufmännischen Bereich. Die Staatsanwaltschaft will die Ermittlungen bald abschließen. „Dann wird entschieden, ob Anklage erhoben wird“, betont Ziegler.