Kommentar zur CSU bei der Landtagswahl: Gescheiterte Mission

Die Mission Machtübernahme klappte, die Mission Ministerpräsident nicht. AZ-Politik-Chefin Natalie Kettinger kommentiert den Ausgang der Landtagswahl in Bayern.
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Markus Söders Mission Ministerpräsident ist vorerst gescheitert, meint AZ-Politik-Chefin Natalie Kettinger.
Peter Kneffel/dpa/AZ Markus Söders Mission Ministerpräsident ist vorerst gescheitert, meint AZ-Politik-Chefin Natalie Kettinger.

Jahrzehntelang hatte Markus Söder ein einziges politisches Ziel: den Einzug in die Staatskanzlei. Dafür hat er Rivalen ausgebootet, seinen Amtsvorgänger gefällt und am Ende enge Weggefährten wie Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle über die Klinge springen lassen. Die Mission Machtübernahme war rücksichtslos. Und erfolgreich.

Die Mission Ministerpräsident ist es nicht, die absolute Mehrheit Geschichte (hier finden Sie den Newsblog zur Landtagswahl in Bayern zum Nachlesen). Das liegt zunächst einmal daran, dass die Menschen Söder den plötzlichen Wandel zum sorgenden Landesvater nicht abnehmen. Der CSU-Kampfhahn will plötzlich Kümmerer sein und wirkt dabei, als habe er sich einmal mehr zur Fastnacht in Franken verkleidet. Söder hatte in der Öffentlichkeit schon viele Gesichter.

Markus Söder: Vom Kampfhahn zum Kümmerer?

Dann ist da die Sache mit der Vision. "Das Beste für Bayern" hat Söder seine Regierungserklärung überschrieben und über 100 Projekte heruntergerasselt, die er angehen möchte. Man wünschte, es wären nur fünf gewesen – und die bis zum Ende durchdacht.

Mit der Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes hat Söder Zehntausende empörte Bürger auf die Straße getrieben und sich eine stolze Anzahl an Verfassungsklagen eingehandelt. Mit dem Kreuzerlass brachte er die Kirchen gegen sich auf, mit seiner knallharten Asylpolitik die Flüchtlingshelfer. Das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz musste wegen grober Fehler nachgebessert werden. Ob alle Hartz-IV-Familien im Freistaat das söder’sche Familiengeld behalten dürfen, ist bis heute unklar.

Aber immerhin: 500 neue bayerische Grenzpolizisten haben eine Handvoll Migranten an der illegalen Einreise gehindert.

Die CSU ist in Zukunftsfragen nicht glaubwürdig

Und wer, zum Teufel, braucht Flugtaxis oder ein Raumfahrtprogramm? Den meisten würde schon genügen, wenn der ÖPNV nicht dauernd zusammenbräche, das Internet auch auf dem Land funktionsfähig wäre – und das Mobilfunknetz nicht löchrig wie ein Schweizer Käse. Richtig: All das will die CSU jetzt angehen, als wäre es plötzlich vom Himmel gefallen. Man fragt sich nur: Wer war eigentlich in den letzten 50 Jahren in Bayern an der Regierung? Und warum hat die CSU ihre tatsächlichen Verdienste um den Freistaat nicht mehr herausgestrichen?

Söders Hauptproblem aber ist, dass seine Partei – anders als etwa die Grünen – in den entscheidenden Zukunftsfragen nicht glaubwürdig ist. Sie schützt die Automobilhersteller, nicht das Klima. Sie will eine dritte Startbahn, keinen dritten Nationalpark. Sie protegiert Massentierhaltung, nicht die Ökobauern. Sie will den Fachkräftemangel beheben – und stemmt sich doch vehement gegen Zuwanderung. Sie hat jetzt eine Wohnungsbaugesellschaft gegründet – und vor fünf Jahren die GBW verkauft.

Sie will Bollwerk gegen Rechtspopulisten sein, hat sich jedoch genüsslich an deren Inhalten und Vokabular bedient. Sie will Stabilitätsanker in Europa sein und hat die Bundesregierung in den letzten Monaten zwei Mal in schwere Existenzkrisen gestürzt. Sie will Bayern zusammenhalten und steht selbst vor einer Zerreißprobe. Vertrauensbildende Maßnahmen sehen anders aus.

Bürgerlich bleiben – mit Korrektiv!

So verwundert nicht, was die ersten Zahlen zeigen: Diese CSU wollen die Bayern nicht mehr allein regieren lassen. Der Freistaat soll zwar bürgerlich bleiben, aber bitte mit Korrektiv. Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft erhoffen viele von den Grünen. Authentisch, optimistisch, unverbraucht, so präsentierte sich deren Spitzenduo im Wahlkampf – das kam an.

Und die SPD? Bayerns Genossen hatten von Anfang kaum eine Chance. Der Wischiwaschikurs der Berliner Parteispitze droht, die älteste Partei Deutschlands überflüssig zu machen. Auch in Bayern.

Lesen Sie hier: Ergebnisse und Wahlbeteiligung der Münchner Stimmkreise

Diese Politiker holten die Direktmandate in München

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