Kohnen: "Es gibt eine Sehnsucht nach Solidarität"

Natascha Kohnen (49), SPD-Landtagsabgeordnete und bisher Generalsekretärin der bayerischen SPD, soll am heutigen Samstag in Schweinfurt nach einem gewonnenen Mitgliederentscheid zur Landesvorsitzenden gewählt werden.
Ralf Müller |
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Hat gut Lachen: Die wohl neue SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen.
Peter Kneffel/dpa Hat gut Lachen: Die wohl neue SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen.

Im AZ-Interview spricht sie über den Nominierungsprozess, die Koalitionsaussichten in Bayern und den Vergleich mit anderen Bundesländern.

AZ: Frau Kohnen, warum wollen Sie eigentlich Vorsitzende der bayerischen SPD werden, die ja nicht gerade vom Erfolg verfolgt ist?
KOHNEN: Weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir als SPD dem Land etwas zu geben haben. Bayern ist ein starkes, wohlhabendes Land, aber es gibt eine Sehnsucht der Menschen nach Solidarität und sozialen Zusammenhalt. Von der SPD wird erwartet, die Bausteine dafür zu liefern.

Das hört sich nach der Kampagne "Bayern, aber gerechter" an, die schon früher nicht gegriffen hat.
Nein. Wir neigten bisher immer dazu, einen Bauchladen an Themen vor uns her zu tragen und zu kritisieren. Ich nenne das: Abarbeiten an der CSU. Die CSU hat es so hingedreht, als würden wir das Land schlecht reden. Wir wissen, dass wir in einem tollen, bunten, vielfältigen, wohlhabenden Land leben. Aber es gibt Dinge, die wir anders machen können, damit alle ihre Chance haben, damit sie sich sicher fühlen. Damit meine ich soziale Sicherheit, die beschädigt ist, wenn Menschen in einer Gesellschaft Angst haben, etwas nicht mehr bezahlen zu können oder abzusteigen.

Ist es da nicht ein Problem, wenn in anderen SPD-regierten Bundesländern die soziale Lage eher schlechter ist, die Arbeitslosigkeit höher, das Durchschnittseinkommen geringer?
Den Vergleich mit anderen Ländern halte ich nicht für berechtigt. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat 13 Großstädte - es ist ein ganz anderes Land. Viele unserer Gemeinden und Städte in Bayern sind übrigens SPD-regiert. 40 Prozent des Steueraufkommens kommt aus dem SPD-regierten München. Bayern ist ja wirklich stark, aber es gibt ein Defizit im sozialen Zusammenhalt. Daher ist die Ausgangslage für die SPD eine ganz andere.

Nach mehreren CSU-Umfragen sind die meisten Menschen in Bayern zufrieden mit ihren Lebensumständen und sehen nicht ein, warum sich etwas ändern muss. Wie wollen sie dies den Leuten einreden?
Ich will niemandem etwas einreden. Wenn aber ein Kita-Platz 600 bis 800 Euro im Monat kostet, dann können sich das viele Menschen einfach nicht mehr leisten oder das Geld fehlt ihnen an anderer Stelle. Der Sozialbericht der CSU-Staatsregierung selbst zeigt, dass im Land eine Spaltung besteht. Das ist nicht Schlechtreden, aber man muss ja auch die Schattenseiten beleuchten und sie zu Lichtseiten machen. Da kann die CSU Marketing und Umfragen machen, so viele sie will - es geht darum, was jeder in diesem Land fühlt.

Wo soll die SPD in Bayern in ein paar Jahren stehen? Soll sie regierungsfähig gemacht werden oder einfach nur etwas stärker? Wie ist ihre Vision?
Ich möchte einen anderen politischen Stil. Und ich möchte den Wohlstand allen zugänglich machen. Es darf für als SPD uns nicht im Vordergrund stehen, ständig zu kritisieren, was die derzeitige Regierung alles falsch macht. Im Vordergrund muss stehen, was die SPD für dieses Land zu bieten hat. Wir als Politiker müssen endlich eine Sprache sprechen, die jeder versteht. Ich möchte, dass wir wieder lernen, wie zuhause am Küchentisch zu reden, damit Politik auch wieder verstanden wird. Und am Ende will ich hier mit der SPD in Bayern Regierungsverantwortung übernehmen.

Kann die SPD in Bayern jemals Regierungsverantwortung übernehmen ohne mit der CSU zu koalieren?
Kohnen: Ich halte null davon, immer von Koalitionen zu reden. Und nochmal: Wenn die SPD Regierungsverantwortung übernimmt, dann wird es dem Land weiterhin gut gehen, es wird stark sein, aber es werden sich ein paar Dinge ändern, die wichtig sind: Du musst dir beispielsweise dein Dach über dem Kopf leisten können und einen beitragsfreien Kita-Platz bekommen. Und wenn mich jemand fragt, mit wem willst du regieren, dann sage ich: mit der SPD.

Fühlen Sie sich als Hoffnungsträgerin Ihrer Partei?
Ich empfinde mich als Teil eines Teams. Die SPD in Bayern muss sich als Team verstehen. Dabei sind mir vor allem die Jungen in der SPD extrem wichtig.

Spätestens 2018 braucht die SPD einen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Wer soll's machen?
Das ist für mich überhaupt kein Thema. Erst einmal müssen wir unser neues Team aufstellen. Dann sind wir in einem Bundestagswahlkampf, der allmählich in die heiße Phase übergeht. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns. Die Spitzenkandidatur besprechen wir 2018.

Waren Sie eigentlich überrascht, dass im Zuge des innerparteilichen "Wahlkampfs" mit harten Bandagen gekämpft wurde und sie als "Teil des Systems" klassifiziert wurden?
Von Anfang habe ich klargemacht, dass ich jedem meiner Mitbewerber Respekt entgegen bringe. Ich habe mich an den so genannten härteren Bandagen nicht beteiligt. Ich halte davon nichts.

Ist es denn nicht richtig, dass Sie als Generalsekretärin "Teil des Systems" sind?
Ich kenne das System nicht. Wir sind alle miteinander Sozialdemokraten. Da gibt es keine Systeme. Es hat mir auch noch niemand erklären können.

Vielleicht ein System des Verwaltens einer Partei mit gebremstem Enthusiasmus?
Jeder Vorsitzende hat seine Art, Phantasien, Ideen und Schubkraft. Jetzt ist es an mir, meine eigene zu zeigen.

Der Stern ihres Kanzlerkandidaten Martin Schulz ist nach drei verlorenen Landtagswahlen gesunken - unschöne Rahmenbedingungen für Ihren Amtsantritt am kommenden Wochenende in Schweinfurt?
Wir verlieren gemeinsam und wir gewinnen gemeinsam. Das macht eine starke Partei aus. Wir haben im Moment eine harte Phase durch bittere Niederlagen. Wir müssen gemeinsam aufstehen. Das Rennen ist noch lange nicht gelaufen. Vier Monate sind eine Menge Zeit.

Lesen Sie auch: Kohnen schweigt zu den Vorwürfen aus der Partei

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